Erstes Date

250 15 0
                                    

Ich atmete tief durch und musterte mich zum unzähligsten Mal im Spiegel. Das roséfarbene Kleid passte tatsächlich wie angegossen und ich hatte glücklicherweise ein paar halbwegs schicke Schuhe gefunden, die dazu passten. Meine Haares hatte ich oben geflochten und unten mit einem Glätteisen gelockt, mein Gesicht hatte ich mit dezentem Makeup bearbeitet. Nervös zupfte ich ein letztes Mal an der schlichten Kette, die ich um den Hals trug und zog das Lederarmband meiner Mutter zurecht, dann nickte ich entschlossen und schaute auf die Uhr. Als hätte ich Elias damit gerufen, klopfte es in diesem Moment an meiner Zimmertür und ich öffnete vorsichtig. Tatsächlich stand mein Freund davor und grinste mich an. Als ich schließlich komplett vor ihm stand, wurden seine Augen groß. "Wow, du siehst wunderschön aus." Verlegen biss ich mir auf die leicht geschminkte Lippe. "Danke. Du siehst aber auch gut aus." Elias trug eine dunkle Jeans, ein weißes Hemd und ein dunkelblaues Jackett, seine Haare hatte er wie immer mit etwas Wachs gestylt ohne dass sie jedoch zu sehr glänzten oder steinhart wirkten. "Danke. Bist du soweit?" Ich griff schnell neben mich und schnappte mir meine kleine Tasche und den dünnen Cardigan, den ich mir bereitgestellt hatte, dann nickte ich und ergriff Elias' Hand, die er mir entgegenstreckte. Wir verließen das Haus, ohne jemandem aus meiner Familie zu begegnen und stiegen in Elias' Auto.

Zum zweiten Mal an diesem Tag waren wir innerhalb kürzester Zeit in einem Teil der Stadt gelandet, den ich noch nicht kannte. Um auch für mich selbst die Überraschung aufrechtzuerhalten, vermied ich jegliche Blicke auf Straßenschilder oder andere Ausschilderungen, bis Elias anhielt. Mit großen Augen musterte ich den nobel aussehenden Laden vor uns. "Das sieht teuer aus", stellte ich trocken fest und Elias zuckte die Schultern. "Dafür schmeckt es wirklich mega lecker. Ich war hier schon öfter mit meiner Familie." Kurz trat Stille ein, dann seufzte Elias leise und räusperte sich schließlich. Sein typisches Grinsen schlich sich auf seine Lippen. "Ich dachte bei unserem ersten Date muss ich die großen Geschütze auffahren und dich beeindrucken." Ich musste lächeln. "Du beeindruckst mich jeden Tag." Sanft küsste ich ihn und wir blieben Stirn an Stirn sitzen. "Keine Sorge", wisperte Elias und sein angenehm warmer Atem, der mir entgegenschlug, löste eine Gänsehaut bei mir aus, "Nächstes Mal gehen wir zu McDonalds." Er grinste und ich tat es ihm gleich, dann lösten wir uns voneinander und verließen das Auto. Wie ein wahrer Gentleman hielt Elias mir seinen angewinkelten Arm entgegen und ich hakte mich bei ihm ein. Wir betraten das Restaurant und wurden zu dem Tisch geführt, den Elias für uns reserviert hatte. Sobald ich den ersten Blick auf die Speisekarte und die dahinterstehenden Preise erhascht hatte, starrte ich meinen Freund entsetzt an. "Das ist viel zu teuer", flüsterte ich, doch Elias schüttelte den Kopf. "Lass das mal meine Sorge sein. Meine Eltern haben vergessen mir den Geldhahn vollständig zuzudrehen. Der Dauerauftrag mit dem Großteil meines Taschengeldes läuft immer noch." Er grinste und ich konnte nicht anders, als es zu erwidern. Wie war ich bloß an diesen Typen geraten? Schmunzelnd schaute ich wieder auf die Karte und entschied mich trotz Elias' Aussage für möglichst billiges Essen. Als ich jedoch eine Flasche stilles Wasser bestellte, fügte Elias irgendeinen ausländischen Namen hinzu und kurze Zeit später brachte man uns eine Flasche Wein. Elias probierte ihn und nickte zufrieden, woraufhin unsere beiden Gläser mit der zartrosanen Flüssigkeit gefüllt wurden. "Auf uns." Lächelnd erhob mein Freund sein Glas und ich tat es ihm gleich. Es klirrte leise, als wir anstießen und nach dem ersten Schluck des Weins war mir klar, dass Elias eine sehr gute Wahl getroffen hatte, die jedoch mit Sicherheit ihren Preis haben würde. Ich stellte mein Weinglas wieder ab und schaute Elias an der Kerze in der Tischmitte vorbei an. "Womit habe ich so ein teures Restaurant verdient?" "Du bist du, einen anderen Grund braucht es nicht." Er lächelte mich mit seinen sanften braunen Augen liebevoll an und griff nach meiner Hand, die auf dem Tisch lag. Seine Berührung brachte mich automatisch zum Lächeln. "Danke." Irritiert schaute Elias mich an. "Wofür?" "Für alles. Dafür, dass du immer für mich da bist." "Danke, dass du es zulässt und mir vertraust." Ich schluckte. Ohne es zu wissen, hatte Elias der romantischen Stimmung einen heftigen Dämpfer verpasst. Denn ich vertraute ihm eigentlich, schaffte es aber trotzdem nicht, ihm die Wahrheit über die Abtreibung oder Paul zu erzählen. Innerlich seufzend dankte ich im Stillen dem Kellner, der in diesem Moment die Vorspeise brachte. Die nächsten Minuten schwiegen wir und aßen bloß vor uns hin, dann wurden die leeren Teller abgeräumt und Elias schaute mich besorgt an. "Alles okay?" Ich nickte so überzeugend wie möglich und lächelte gezwungen. Doch Elias kannte mich längst viel zu gut und viel besser, als es mir lieb war. "Du lügst. Was ist los? Schmeckt es dir nicht?" "Nein, das ist es nicht. Das Restaurant ist toll, das Essen und der Wein und das alles hier ist einfach perfekt. Ich hab nur gerade an Papa gedacht und ob er das wirklich alles so hinbekommen wird, wie er es sich vorgenommen hat. Zwar weiß er jetzt in der Theorie, wie er den Stress bewältigen kann, aber wird es auch praktisch funktionieren?" "Bist du sicher, dass es hier um deinen Vater geht und nicht um dich?" Verwirrt schaute ich Elias an. "Was meinst du?" "Er war monatelang nicht richtig für euch da, in den letzten Wochen war er gar nicht da. Du bist es nicht mehr gewöhnt, dass er sein Leben allein regeln kann. Aber du musst ihm die Möglichkeit geben, herauszufinden, inwieweit er das, was er in der Theorie gelernt hat, praktisch umsetzen kann. Du musst ihm einen gewissen Freiraum geben und ihm vertrauen. Aber ich denke, du hast vergessen, wie du ihm vertrauen kannst, weil du es in den letzten Monaten nicht konntest." Elias legte eine kurze Pause ein und seufzte leise, bevor er mich durchdringend ansah," Du bist kein Mensch, der Vertrauen verschenkt. Ich weiß nicht woran es liegt, vielleicht ist es Veranlagung oder vielleicht gibt es etwas in deiner Vergangenheit, was dich in dieser Hinsicht geprägt hat. Aber was es auch ist, du hast Probleme damit, anderen zu vertrauen. In den letzten Monaten konntest du quasi niemandem wirklich vertrauen, nirgendwo du selbst sein und zur Ruhe kommen. Jetzt bin ich da und du musst lernen, dass auch dein Vater wieder für dich da ist." Ich schluckte und wusste nicht wirklich, was ich antworten sollte, doch Elias war noch nicht am Ende. "Ich möchte, dass du weißt, dass du mir vertrauen kannst." "Das weiß ich", warf ich sofort ein und Elias lächelte mich an, als sei ich ein kleines Kind, dass ihn missverstanden hatte. "Ich weiß, dass du es weißt, Sonnenschein. Ein Teil von dir vertraut mir, aber ein anderer Teil in dir wehrt sich vehement dagegen, irgendjemanden auch nur ansatzweise an dich heranzulassen." Ich wollte etwas sagen, aber mir fiel nichts ein. "Du musst nicht antworten", half Elias mir und lächelte sanft", Ich dachte nur, ich sage es dir einfach mal." In diesem Moment brachte der Kellner uns die Hauptspeise und den restlichen Abend sorgte Elias geschickt dafür, dass wir nur über recht belanglose Dinge sprachen. Seine ernsten Worte konnte ich aber nicht vergessen, selbst als ich wenige Stunden später in meinem Bett lag und die Decke anstarrte, als könne sie mir helfen, mein Vertrauensproblem zu lösen.

Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt