Positive und negative Überraschungen

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"Brauchst du Hilfe?" Beim Klang meiner Stimme drehte Jonny sich um. "Hasst du mich nicht?" Ich stieß mich vom Türrahmen ab und lief zu meinem kleinen Bruder. "Ich könnte dich nie hassen, Jonny. Ja, du hast Mist gebaut und ja, du hast mich in den letzten Wochen, Monaten und Jahren regelmäßig auf die Palme gebracht, aber du bist immer noch mein Bruder und ich würde für dich durchs Feuer gehen. Apropos Feuer, wenn du nicht schnell wieder auf den Herd schaust, gibt es hier ein Feuer." Schnell griff ich an Jonny vorbei nach der Pfanne mit dem Fleisch und rettete es. Papa hatte Jonny heute Morgen eine ganze Weile angeschrien, dann hatte er ihm Hausarrest gegeben und ihn gezwungen, diese Woche den Haushalt zu übernehmen. Dabei hatte unser Vater allerdings vergessen, dass Jonny sich noch nie mit dem Thema Haushalt beschäftigt hatte und deshalb nicht wusste, wie man richtig kochte, putzte oder die Wäsche wusch. Das Ende vom Lied würde also sein, dass ich meinem Bruder alles erklären musste und das für mich wahrscheinlich anstrengender und nervenaufreibender werden würde, als wenn ich es selbst täte. "Wie wäre es, wenn ich den Tisch decke, während du das Essen fertig machst?", schlug ich vor und Jonny nickte dankbar. Ich begann also damit, Teller und Besteck auf dem Tisch zu verteilen, dann stellte mein kleiner Bruder das fertige Essen auf den Tisch und rief nach dem Rest der Familie. Ich stahl mich heimlich in den Keller, wo ich noch etwas holen musste. Denn obwohl Jonny ohne seine Familie hatte feiern wollen, hatte ich ihm für heute natürlich einen Geburtstagskuchen gebacken. Schnell zündete ich die Kerzen darauf an und lief in die Küche, wo meine Familie bereits am Tisch saß. Sobald ich zu singen anfing, fielen sie mit ein. "Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday lieber Jonny, happy birthday to you!" Lächelnd stellte ich den Kuchen vor dem Geburtstagskind ab. "Na los, du musst alle Kerzen gleichzeitg auspusten, damit du dir was wünschen darfst." Jonny kam meiner Aufforderung nach und als er alle Kerzen ausgemacht hatte, applaudierten wir. Und für diesen kurzen Moment war alles gut und wir schienen wieder eine richtige Familie zu sein. Meine Gedanken glitten erneut zu meiner Mutter, die jetzt mit Sicherheit aus dem Himmel zu uns schaute und breit grinste.

Meine gute Laune hielt solange an, bis ich den ersten Bissen von Jonnys Essen gekostet hatte und auch der Rest meiner Familie - Jonny eingeschlossen - spuckte alles wieder aus. Kurzerhand bestellten wir Pizza und saßen wartend im Wohnzimmer, bis es klingelte. Timo erhob sich und lief zur Haustür, dann stieß er einen überraschten Laut aus. "Onkel Paul, was machst du denn hier?" Sofort gefror mir das Blut in den Adern und mir verging jeglicher Appetit. Mein großer Bruder kam gefolgt von meinem Onkel und einer hübschen Frau mit rotblondem Haar ins Wohnzimmer. "Na ihr? Ich konnte doch nicht zu Hause bleiben, wenn zwei meiner Lieblingsmenschen Geburtstag haben! Na los Tabea, lass dich drücken. Ich hab das Gefühl, du bist gewachsen, seit ich das letzte Mal hier war." Lachend umarmte Paul meine kleine Schwester und anschließend auch uns andere, dann zog er seine weibliche Begleitung ein wenig näher zu sich. "Wie ihr schon gemerkt habt, bin ich nicht alleine hier. Das ist Katja, meine Freundin." "Ich freue mich, euch alle kennenzulernen. Paul spricht ständig von euch." Katjas Stimme war angenehm und klangvoll, sie lächelte freundlich und schien ein wirklich netter Mensch zu sein. Papa stellte die Frage, die mich gerade am meisten interessierte. "Wie lange seid ihr denn schon zusammen?" "Fast zwei Monate", antwortete Katja lächelnd und mir blieb das Herz stehen. Es war noch keine zwei Monate her, dass ich Pauls Kind abgetrieben hatte, also hatte er mich dazu gezwungen, ihn zu befriedigen, während er bereits mit dieser netten Frau zusammen gewesen war. Mir wurde schlecht und ich bekam Mitleid mit Katja, vor allem als ich sah, wie glücklich sie mit Paul zu sein schien. In diesem Moment klingelte es an der Haustür und ich sprang auf. "Das ist bestimmt die Pizza, ich geh schon." Ich öffnete die Tür und kümmerte mich um das Essen und die Bezahlung, dann lief ich zurück ins Wohnzimmer, wo sich Paul und Katja mittlerweile hingesetzt hatten. Ich verteilte die Pizzakartons und reichte meinen eigenen an das frisch verliebt wirkende Paar. "Esst ruhig, ich habe eigentlich keinen wirklichen Hunger. Bleibt ihr über Nacht? Dann beziehe ich euch das Gästezimmer." "Ja, das wäre sehr nett von dir, Becky. Warte, ich helf dir", antwortete Paul und mich schauderte, denn ich wusste, was er machen wollen würde, wenn er mir "helfen" wollte. Gemeinsam liefen wir ins Gästezimmer und ich hatte gerade das Bettzeug aus dem Schrank geholt, da packte Paul mich an den Handgelenken und presste mich gegen die Wand. Bevor ich etwas sagen konnte, lagen seine Lippen auf meinen und so sehr ich auch wimmerte und mich zu wehren versuchte, mein Onkel war stärker und hielt mich fest. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er von mir ab und drückte mich statt mit seinen Händen mit seinem Körper gegen die Wand. "Dieses Mal besorg ich's dir wieder richtig. Da kann die Ärztin sonstwas sagen." Ich zitterte und versuchte es zu unterdrücken, damit Paul meine Schwäche nicht bemerkte. "Du hast doch jetzt Katja. Bitte lass mich endlich in Ruhe." "Vergiss es! Katja ist hübsch und süß, aber sie will noch warten mit dem Sex und ich kann nicht mehr warten. Also musst du mir helfen Becky, ich hab da ein kleines Problem." Seine Worten ließen mich angewidert das Gesicht verziehen und in meiner Brust breitete sich ein neues Gefühl aus. Eines, das ich seit Ewigkeiten nicht verspürt hatte: Mut. "Vergiss es, Paul. Solange du mit jemandem zusammen bist, werde ich dir niemals geben, was du willst." "Ach ja? Soll ich lieber bei Tabea an die Tür klopfen? Möchtest du das?" Jetzt hatte er mich wieder am Haken, denn ich musste Tabea um jeden Preis beschützen. Also senkte ich den Kopf und Paul verstand sofort. "Du sagst nachher, dass du mal mit mir alleine Zeit verbringen willst, um etwas zu besprechen und wir einen Spaziergang machen. Und wehe du tust es nicht. Dann stehe ich heute Nacht im Zimmer deiner niedlichen kleinen Schwester." Mit diesen Worten ließ er von mir ab und ging, während ich das Bett alleine bezog und versuchte mich zu beruhigen. Als ich ins Wohnzimmer zurückkam erfuhr ich, dass Paul den anderen gesagt hatte, ich wolle das Bett alleine beziehen, weil ich ja die Gastgeberin sei. Es war nur wieder ein Beweis dafür, wie wenig es ihn störte, seinem eigenen Bruder ins Gesicht zu lügen.

Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt