Überraschungen bei der Hochzeit

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Ein letztes Mal kontrollierte ich mein Aussehen im Badezimmerspiegel. Meine Augenringe von den schlaflosen letzten Nächsten hatte ich gekonnt überschminkt und überhaupt hatte ich es mit drei verschiedenen MakeUp-Tutorials geschafft, dass ich wirklich hübsch und frisch aussah. Meine dunkelbraunen Haare hatte ich oben geflochten und unten mit dem Glätteisen gelockt, mein Körper steckte in einem dunkelroten Kleid mit viel Spitze und Dreiviertelärmeln. Es endete knapp über meinen Knien und dazu würde ich schwarze Schuhe mit relativ hohen Absätzen anziehen. Ich bemühte mich, ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern, dann lief ich in Tabeas Zimmer. Meine kleine Schwester trug bereits ihr hellblaues Kleid und ich verarbeitete ihre Haare zu einem geflochtenen Dutt, aus dem einige Strähnen verspielt herausschauten. "Zieh dir bitte deine Schuhe an, damit wir gleich los können, Prinzessin." Mit diesen Worten verließ ich ihr Zimmer wieder und ging zu Mark. Kaum hatte ich geklopft, öffnete er die Tür. "Ich brauch deine Hilfe." Er schaute nach unten und mein Blick fiel ebenfalls auf seinen traurigen Versuch, eine Fliege zu binden. "Wenn du dir eine fertige Fliege gekauft hättest, hättest du dieses Problem nicht", bemerkte ich schmunzelnd, während ich den weinroten Stoff verknotete. "Voilà." "Danke, Große." Lächelnd drückte Mark mir einen Kuss auf die Wange, dann zog er sich sein Jackett über und ich lief zu Jonnys Zimmer. Seine Tür stand offen und ich sah, dass er seine Handykamera so hingestellt hatte, dass er sich sehen und seine Krawatte binden konnte. Allerdings war er mit der Knoterei wohl ziemlich überfordert und ich trat unsicher hinter ihn. "Darf ich?" Überrascht drehte der Dunkelblonde sich zu mir um und nickte. Ich stellte mich vor ihn und während ich die Krawatte band, seufzte ich leise. "Danke, dass du mitkommst." Jonny zuckte die Schultern. "Papa wollte uns alle bei dieser Hochzeit dabei haben, also sind wir dabei. Da gibt es nichts zu danken." "Trotzdem. Fertig." Ich ließ von meinem kleinen Bruder ab und er kontrollierte sein Aussehen zufrieden in seinem Handydisplay. "Sieht cool aus." Ich wusste, dass das sein Dank war und nickte bloß, bevor ich zu meinem letzten Bruder lief. Er war von uns allen schon auf den meisten Hochzeiten gewesen, weswegen er keine Schwierigkeiten mit Krawattenknoten hatte. Fix und fertig saß er auf seinem Bett und starrte auf sein Handy. "Hey Großer, bist du soweit?" "Ja. Ich muss nur noch kurz Janine schreiben." "Alles klar, wir treffen uns unten vor der Haustür." Ich ließ Timo wieder alleine und lief zurück in mein Zimmer, wo ich in meine Schuhe anzog und meine kleine Handtasche schulterte, in der ich mein Handy, Taschentücher und den Hausschlüssel aufbewahrte. Dann eilte ich die Treppe nach unten und glücklicherweise trudelten kurze Zeit später alle meine Geschwister ein. Wir stiegen ins Auto und Timo fuhr uns zur Kirche, wo noch einige Menschen draußen herumstanden. Zu meiner Überraschung erkannte ich einen von ihnen. "Elias?" Der Dunkelhaarige starrte mich genauso verwirrt an, dann grinste er. "Hallo Sonnenschein. Was machst du hier?" "Mein Vater traut ein Paar und wollte uns dabei haben. Wieso bist du hier?" "Mein Bruder heiratet heute." "Oh." "Oh." Wir mussten beide schmunzeln, dann deutete ich auf meine Geschwister. "Den Haufen kennst du ja schon." Elias nickte und Tabea lief strahlend auf ihn zu. "Hallo Elias!" "Hi Tabea. Du siehst wirklich hübsch aus." Es war zuckersüß mitanzusehen, wie er mit meiner kleinen Schwester sprach und sie zum Lachen brachte. Irgendwann mischte Timo sich ein. "Ich will echt nicht stören, aber wir sollten mal langsam reingehen." Wir liefen also ins Innere der Kirche, die schon ordentlich gefüllt war. "Ihr könnt gerne vorne bei mir sitzen, ein Teil meiner Verwandschaft musste kurzfristig absagen", bot Elias an und bevor ich sein Angebot dankend ausschlagen konnte, hatte Tabea schon begeistert genickt. "Ja, das wäre super!" Also folgten wir alle Elias in die zweite Reihe und ließen uns dort fallen. Irgendwie kam es, dass ich zwischen Elias und der Wand saß, doch bevor ich etwas daran ändern konnte, begann die Trauung. Ich wusste genau, wie schwer meinem Vater Hochzeiten fielen, seit Mama gestorben war, aber er ließ sich das nicht anmerken. Den Großteil seiner Predigt bekam ich nicht mit, bis er zum Bibelvers kam, den sich das Brautpaar ausgesucht hatte. Schon nach dem ersten Satz wusste ich, dass es einer meiner Lieblingsverse aus 1.Korinther 13 war. "Die Liebe ist langmütig und gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand." Ich seufzte leise und spürte Elias' Blick auf mir, doch ich ignorierte ihn. Ohne es zu wollen, glitt meine Hand zu meinem Bauch, doch ich zog sie sofort wieder weg. Denn es war keine Liebe, die ich für das kleine Wesen darin empfand. Angeekelt von mir selbst versuchte ich mich wieder auf die Trauung zu konzentrieren, die glücklicherweise nur noch knapp 20 Minuten dauerte.

Als wir im Anschluss an den Gottesdienst draußen standen, bekam jeder ein Glas Sekt. In letzter Sekunde schüttelte ich den Kopf. "Für mich bitte Orangensaft." Die Frau, die die Gläser verteilte, gab mir lächelnd ein Glas und ich überlegte, ob sie vielleicht vermutete, dass ich schwanger war. Ich stellte mich neben Timo, der meinen Orangensaft musterte. "Wieso kein Alkohol?" "Seit wann ist Sekt für dich Alkohol?", entgegnete ich schnippisch, denn mein Bruder war nun wirklich kein Kind von Traurigkeit. Neben mir erschien jetzt Elias, der ein Sektglas und Tabea mit einem Orangensaft dabei hatte. Es dauerte noch ein paar Minuten, dann stießen alle auf das frischegebackene Ehepaar an und jeder wollte nochmal persönlich gratulieren. Ich versuchte meine kleine Schwester im Auge zu behalten, während ich bei Elias und meinen Brüdern stand, die sich miteinander unterhielten. Irgendwann hatten fast alle dem Brautpaar gratuliert und Elias schaute mich lächelnd an. "Ich würde dich gerne meinem Bruder vorstellen, wenn das für dich okay ist." "Äh, natürlich ist das okay." Etwas unsicher, als wen oder was Elias mich vorstellen wollte, folgte ich dem Dunkelhaarigen bis zu seinem Bruder und dessen Frau. "Jetzt bin ich aber mal dran mit gratulieren. Lass dich drücken, Großer." Er zog seinen Bruder in eine feste Umarmung, dann zog er auch seine Schwägerin in seine Arme. Ich stand unbeteiligt daneben, bis er seine Hand an meine Hüfte legte und mich näher zog. "Das ist Rebecca, wir kennen uns aus der Schule und sie ist die Tochter von Pastor Lorenzen." Lächelnd schüttelte ich Felix und Maike die Hand. "Herzlichen Glückwunsch." "Dankeschön. Bist du mit meinem Bruder zusammen?", erkundigte Felix sich grinsend und ich schüttelte sofort den Kopf. "Nein, wir hängen nur ab und zu mit meiner besten Freundin zusammen rum." "Ich hab dich schonmal in der Kirche gesehen, glaub ich. Aber das ist ja kein Wunder, wenn dein Vater der Pastor ist", mischte sich jetzt auch Maike ein, dann wurde ihr Gesicht mitleidig und ich ahnte, was folgen würde, "Mein Beileid wegen deiner Mutter." "Danke", brachte ich gepresst hervor, dann mussten Felix und seine Frau sich verabschieden, weil sie als Erste bei der Feier-Location sein wollten. "Dann wird es wohl auch für mich Zeit, sich zu verabschieden", stellte Elias fest und ich nickte. Zu meiner Überraschung griff er nach meiner Hand und zog mich um die Ecke der Kirche. Bevor ich ihn fragen konnte, was er hier wollte, hatte er schon seine Lippen auf meine gelegt und küsste mich. Für den Bruchteil einer Sekunde schloss ich instinktiv die Augen, doch dann riss ich sie wieder auf. Vor meinem inneren Auge erschien Pauls widerliches Grinsen und mit einem laut schallenden Klatschen gab ich Elias eine Ohrfeige, bevor ich vor ihm flüchtetete. Meine Gefühle waren ein einziges Durcheinander.

Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt