Trost

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Zielstrebig ging das Mädchen in den Trainingsraum, sie war immernoch wütend, was Hugo zu ihr gesagt hatte. Von wegen sie ließe sich gehen! Lachhaft! Nur weil sie mal nicht trainierte. Um ihre Wut abzubauen, tat sie genau das: Trainieren. Sie würde ihm zeigen, was es heißt, hart zu trainieren!"
Im Trainingsraum angekommen ging sie zu einem Boxsack und schlug auf ihn ein. Immer und immer wieder. Schmerzhafte Erinnerungen kamen ihr hoch. Sie dachte an Wandas Illusion, wie alle tot auf dem Boden lagen. Sie dachte an ihren Vater, der an den tödlichen Wunden des Hydra-Anführers Heinrich Buchner starb. In ihrem inneren Auge spielte sich diese ganze Szene noch einmal ab. Wie Jason vor sie, Clint und Steve sprang und im nächsten Moment vor Schmerzen gekrümmt auf dem Rücken lag. Umringt von einer großen Blutlache, bis er schließlich aufhörte zu atmen. Nie wieder würde er atmen. Tränen stiegen Mia in die Augen, aber sie hörte nicht auf, auf den Boxsack einzuschlagen. Nicht jetzt! Sie schlug sogar noch fester zu. Bilder von ihrer Mutter stiegen ihr in den Kopf. „Mia! Los, versteck dich!" hallte Alice's Stimme in ihrem Kopf nach.
Seit ihrem Tod hatte Mia nicht mehr von ihrer Mutter gesprochen. Nicht mal Natasha hatte Alice retten können. Und auch der Dolch war wirkungslos gewesen. Der Dolch! Mit einem mal hörte Mia auf, auf den Boxsack zu schlagen. Ihre Hände kribbelten und taten weh. Sie spürte sie kaum noch. An den Knöcheln der Zeige- und Mittelfinger war die Haut aufgeschlagen und blutete. Das Blut klebte schon am Boxsack, aber davon ließ sich Mia nicht ablenken. Sie ging zum Schrank und kniete sich vor ihm hin. Langsam tastete sie mit ihrer Hand darunter. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass sie als sechsjährige mal dadrunter gepasst hatte. Und dann ergriff sie ihn: den Dolch aus Plastik! Mia zog ihre Hand wieder zurück und begutachtete ihn. Er war voller Staub. Schließlich lag er dort seit 13 Jahren unberührt. Sorgfältig wischte sie den Staub ab. Ihre Sicht wurde wässrig. Das war ein schmerzhaftes Andencken an den Tag, an dem ihre Mutter gestorben ist. Mia zog aus ihrem Gürtel einen richtigen Dolch. Mit ihm hatte sie Buchner in den Bauch gestochen. Sein Blut hatte daran geklebt. Das hatte Mia auf den Namen des Dolches gebracht: Sanguis. Was im lateinischen so viel wie 'Blut' bedeutet. Das Mädchen hielt die beiden Waffen in ihren Händen. Mit ihnen hatte alles angefangen. Seit sie diese Dolche in der Hand genommen hatte, versuchte Buchner ihre Familie zu töten. Natürlich war es nur zufällig so passiert, dennoch spürte Mia eine Wut auf Buchner aufsteigen. Und auf den Plastiktdolch. Hätte sie nicht mit ihm so lange geübt, wären sie Alice und Natasha schon früher aus dem Trainingsraum gegangen und Buchner wäre zu spät gekommen, um sie abzufangen. Wütend stand Mia auf und warf den Dolch aus Plastik in Richtung Tür.
Zu spät bemerkte sie, dass dort gerade jemand reingekommen war und der Dolch mit hoher Geschwindigkeit auf diese Person zuschoss. Diese reagierte jedoch blitzschnell und fing den Dolch kurz vorm Gesicht ab. Es war Steve. Mia erschrack und zog geschockt die Luft ein. „Tut mir leid, Steve! Das wollte ich nicht!" Der Blondhaarige lachte nur und sagte: „Unser Leben ist gefährlich, man muss auf alles vorbereitet sein." Mia nichte nur und schaute auf den Boden. Steve kam auf sie zu, legte seine Hände auf ihre Schultern und sah sie eindringlich an. „Mia...was ist los?" fragte er mit besorgter Miene. „Nichts", sagte das Mädchen und versuchte die sich anbahnenden Tränen zu unterdrücken. „Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht", hakte Steve nach. Als Mia nicht antwortete, führte er sie zu einem Stuhl und setzte sich gegenüber. „Ich weiß, du hast viel durchgemacht, womöglich sogar mehr als die meisten anderen Avengers. Mir ist aufgefallen, dass du dich seit Jasons Tod sehr verändert hast. Es ist jetzt schon zwei Jahre her und es scheint mir, dass du seinen Tod immer noch nicht ganz überwunden hast. Das ist auch okay, jeder braucht unterschiedlich viel Zeit zum Trauern. Aber trotzdem solltest du vielleicht mal jemanden suchen, mit dem du darüber reden kannst. Es muss ja gar nicht ich sein, aber ich mache mir langsam ernsthafte Sorgen um dich. Ich kann mir nicht weiter ansehen, wie du leidest. Die anderen Avengers sind auch besorgt um dich, vor allem Natasha", erzählte Steve. Mia konnte sich ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Steve musterte sie besorgt. „Ich will dir nichts böses, Mia. Aber bitte sprich mit jemanden darüber. Wenn du willst kann ich mal Natasha für dich fragen. Keiner kann alles in sich hineinfressen, das geht auf Dauer einfach nicht gut, verstehst du?" Das Mädchen nickte. Steve nahm sie in den Arm. „Du wirst sehen, es wird dir bald schon viel besser gehen." Mia schluchzte. Es war erleichternd zu wissen, dass Steve hinter ihr stand. Sie spürte den warmen Körper des Blondhaarigen und die muskulösen Arme, die sie hielten. Beruhigt legte Mia ihren Kopf auf seiner Brust ab.

Avenge our family (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt