41.

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Im Grunde hatte sich ja nichts geändert, richtig? Wobei eine Sache noch immer im Raum stand: Warum hatte Harry ihm vorher nichts erzählt und wieso war er Pirat geworden?

In seinem Kopf versuchte Louis das Puzzle zusammenzusetzen, doch es fehlten einfach noch zu viele Teile. Ein Blick in Harrys Gesicht verriet ihm, dass er nicht mehr wirklich bereit war, weitere Fragen zu beantworten.

Aber konnte das dem jungen Prinzen nicht egal sein? Harry würde jetzt gerade stehen müssen, die Hosen runter lassen.

"Was passierte danach? Als du vom Hofe geschickt wurdest?"

So schnell wie Harrys Gesicht sich verfinsterte, konnte Louis gar nicht gucken. Nichts gutes also, aha. War notiert.

Die Worte seines Gegenübers bestätigten seine Annahme auch nur.
"Elend. Eine Menge davon, einiges an Unglück kam dazu. Gott war noch nie auf meiner Seite, das ist der Grund, warum ich aufgab mich nach ihm zu richten."

"Erzähl mir bitte mehr, ich muss es jetzt wissen. Bitte.", flehte Louis fast, er war die Geheimnisse einfach satt.

Der Größere der Beiden ging an ihm vorbei und ließ sich auf seinen Sessel fallen. Er goss sich einen Krug mit Wein auf. "Stell mir spezifische Fragen, sonst verliere ich mich in der Geschichte. Aber vergiss nicht, dass dort draußen noch immer Engländer auf der Suche nach uns sind und wir am Hafen der Stadt anliegen."

Louis nickte und sortierte seine Gedanken. So offen konnte er mit Harry noch nie sprechen und er würde es nutzen.

"Wo hat mein Vater dich hingeschickt, als du am Hof nicht bleiben konntest?"

"In eine Pflegefamilie. Es wusste davon keiner, woher ich kam, insgesamt wussten von der ganzen Geschichte nur eine Hand voll Leute. Sie dachten, ich käme auf dem Pflegeheim, aus dem sie jemanden für die Arbeit auf dem Feld aufnahmen."

"Und wie kamst du vom Feld auf ein Schiff?" Louis war durcheinander. Er hatte damit gerechnet, dass Harry in die Marine gesteckt wurde, aber Arbeit auf dem Feld?

"Ich habe meinen Pflegebruder umgebracht. Zumindest wurde mir das vorgeworfen."

Louis war baff.
Erst wollte er nicht fragen, aber dann -

"Und hast du?"

"Ja. Nein. Weiß ich nicht.", er blickte sich um. "Er war stockbesoffen, wollte mir an die Wäsche und ich hab ihn weggeschubst. Das war im Schuppen, es war dunkel. Ich bin, ohne mich um zusehen, raus gerannt und als wir am nächsten Morgen alles nach ihm abgesucht haben, lag er mit aufgespießtem Nacken auf der Mistgabel. Es kann sein, dass ich ihn dort rauf geschubst habe. Vielleicht ist er kurz danach aber auch betrunken gestolpert und rein gefallen. Ich werde es nie wissen, aber unverdient war sein Tod auch nicht gerade. Der Depp hat auch immer die Tiere bis zur Erschöpfung gejagt.

Aber letztlich ist das egal, die Familie ging sofort davon aus, dass ich es war, eben weil ich auch Abende im Schuppen verbrachte. Verteufelt haben sie mich und fortgescheucht."

Trotz der Geschichte bleib sein Gesicht sanft. Louis verstand ihn nicht, er hätte Wut erwartet oder Trauer. Harry sah aus, als hätte er längst damit abgeschlossen, wie auch immer er das geschafft hatte.

"Aber wie auf das Schiff?"

"Die Geschichte ist etwas länger. Aber ein Mann, Robin, hat mich davon überzeugt, mein eigenes Schiff bei meinem Vater einzufordern. Davor durfte ich eine Weile bei ihm mitsegeln. Ich konnte ihn durch Zufall am Hafen kennen lernen, wo ich zu der Zeit - naja, für meine Unterkunft gesorgt habe."

Es entging Louis nicht, dass Harry nicht erwähnte, mit was er Geld verdiente. Eine Ahnung hatte er, er kannte manche Figuren, die an Häfen herumstreifen und Seemänner näher kennen lernen. Aber weil Harry da noch so jung gewesen sein musste, wollte er es weder glauben noch wahr haben. Der Gedanke tat ihm schon weh.

"Und mein Vater hat dir einfach ein Schiff überlassen?", stellte er verwundert fest.
"Nun, ja, er hatte nicht wirklich eine Wahl. Ich war mitten am Hof, die Leute kannten mein Gesicht aus der Kindheit. So alt war ich noch nicht. Ich hätte mich nur einmal zeigen müssen und jeder wäre höchst irritiert, wenn der verschollene Prinz an seinem ersten Tag zurück am Hof direkt hingerichtet würde."

Louis nickte. Fein. Er betrachtete aus dem Augenwinkel, dass Harrys Hand zitterte. Wohl doch nervös. Oder vielleicht nur angespannt, weil er all dies nun doch jemandem anvertrauen konnte.

Harry schluckte immer wieder, dabei war sein Hals ganz trocken. Nicht einmal Henry kannte die Geschichte. Nur er und Robin, damals sein Vertrauter Ed, der ihn verriet und jetzt auch Louis. Es tat gut, stellte er fest. Auch wenn er nun nur größere Angst davor hatte, Louis würde sich entscheiden zu gehen. Er würde ihn nicht aufhalten, doch ob er ihn gehen lassen könnte - er vermochte es nicht, sich das vorzustellen. Sein Vertrauter verließ ihn? Wieder? Er wollte es nicht verkraften müssen.

Er musste ihn überzeugen, so nahm Harry  Louis' Hand zwischen seine und sah aus dem Sessel zu ihm auf.

"Bleib. Bitte. Ich will nicht immer jeden, der mir am Herzen liegt, verlieren müssen. Und ich bin so müde ohne dich, die letzten Tage waren schrecklich."

Er log nicht einmal. Und was seine Worte vielleicht nicht ganz ausdrücken konnten, seine Verzweiflung, all das legte er in seinen Blick. Louis wurde ganz schwummrig, bevor er dem Größeren auf den Schoß und in die Arme fiel.

"Nicht für immer, aber für eine Weile, Harry. Für eine gute Weile."

Mit diesen Worten zogen sich vier Mundwinkel in die Höhe, und Louis wurde fester an Harry gezogen. Eine Weile verharrten sie in dieser Position, bevor Harry aufschreckte. "Ich schätze, wir sollten uns so langsam vom Acker machen. Nicht, dass sie dich mir doch noch wegmopsen!", er sprang auf, um hinaus zu laufen, die Crew in Gang zu setzen und allen zu erzählen, dass ihr Louis bleiben würde.

Das ging so schnell, Louis konnte gerade noch so den Weinkrug auffangen, den Harry beim Aufspringen mitgerissen hatte.

-

Mordred, die es aus für die Anderen unerklärlichen Gründen wieder auf die Rising Storm geschafft hatte, gab die Verkleidung endgültig auf. Ihre Haare wehten im Wind, ihre Bluse war nicht ganz zugeknüpft und ihren Tag verbrachte sie damit, die Männer abzuweisen oder anzumeckern, weil sie sie von der Arbeit abhalten wollten. Schließlich waren weibliche Hände für die Arbeit auf dem Schiff nicht geeignet. Dass sie die ganze vorherige Zeit auch mit angepackt hatte, vergaßen die Piraten ganz fix.

Es war jedenfalls wieder einer jener Momente, in denen sie mit Zayn über seine Hochzeit debattierte, sie gemeinsam auf zwei Fässern saßen und die Seele baumeln ließen.
Außergewöhnlich war, dass die Wolkendecke sich geteilt hatte und die Sonne nun mit einer Intensität auf sie schien, dass ihnen ganz warm um die Nase wurde.

Auch Harry und Louis saßen herum, nebeneinander auf Stufen und ließen den Wind für sich arbeiten. "Harry, ich hab noch gar nicht gefragt, wohin wollen wir eigentlich?", fragte der Wuschelkopf irgendwann ganz entspannt, er hatte seinen Oberkörper nach hinten abgelegt und die Augen geschlossen.

Harry legte nun seine Hand auf dessen Bauch und begann ihn ein wenig zu kraulen. "Jetzt erzähle ich dir wohl wirklich alles von mir, hm?", er schmunzelte über sich selbst.
Dann senkte er die Stimme, um sich vor neugierigen Lauschern zu schützen.

"Was ich suche, ist ein gut versteckter Schatz. Keiner aus Gold, aber er soll vor kurzem erst seinen ursprünglichen Besitzern entnommen worden sein und nun ungeschützt in einer Grotte versteckt liegen. Zufälligerweise bin ich im Besitz der richtigen Karten.", er lächelte selbstzufrieden.

"Was ist es denn genau?", nuschelte Louis dann, öffnete extra ein Auge dafür.

"Ich kann dir nur sagen, dass man damit Magie praktiziert - und die Gesetze unserer Welt umgehen. Danach suche ich, seit die Hexen, denen er gehörte, getötet wurden."
"Von wem?"

"Deinem Vater.", antwortete Harry und zuckte mit den Schultern, als wäre es schon klar gewesen.

the pirate prince | larryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt