2.

3.1K 115 2
                                    

Pov Paul

"Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal.", versuche ich den aufgebrachten Melder zu beschwichtigen. "Wir sind doch jetzt da."
"Ja. Endlich.", der Förster, ein alter vollbärtiger Mann, fuchtelt wild mit seinen Armen herum. "Ich musste ja lange genug warten."
Mein Kollege Stephan und ich wechseln über die Motorhaube des Streifenwagens hinweg einen genervten Blick.
"Jetzt verraten Sie uns doch bitte erst einmal ihren Namen.", unterbricht Stephan das ewige Jammern von den Förster.
"Schacht. Jakob Schacht. Ich habe sie angerufen."
"Guten Tag. Sindera und der Kollege Richter. Dürften wir einmal ihren Ausweis sehen?"
"Natürlich.", weiterhin leise vor sich hin Murrend kramt der Herr ein braunes Portemonnaie aus der Hosentasche und überreicht Stephan den Personalausweis.
Dieser wirft nur einen schnellen Blick auf das Kärtchen, gibt sie dann wieder zurück.
"Und Sie haben angerufen weil...", mit einer Handbewegung fordere ich den Melder zum weiterreden auf.
"Da War ein Mädchen im Wald. Das hat die Flasche weggeworfen und so. In meinen Wald!"
Bei der Erwähnung einer weiteren Person hebt sich mein Blick schlagartig an. "Ein Mädchen? Was hat die denn im Wald gemacht?" Beinahe automatisch zücke ich Stift und Schreibblock.
Der Förster, der schon wieder im Begriff ist, sich aufzuregen, redet weiter: "Die hat wohl zu viel gesoffen! Lag da halt Rum, neben ihrer Kotze und hat gepennt."
"Wie jetzt?", Falle ihr ihm ins Wort. "Und sie lassen sie da einfach liegen?!"
"Natürlich nicht! Als ich sie aufgeweckt habe, ist die weggerannt. Da hatte ich keine Chance."
"Dann schauen wir uns mal an, wo Sie das Mädchen vorgefunden haben, machen ein paar Fotos und schreiben, sofern Sie wünschen, eine Anzeige gegen unbekannt.", schlägt mein Kollege vor.
"Und ob ich das will! Kommen Sie mit.", wie ein kleiner, grießgrämiger Gartenzwerg stapft er voraus.
Stephan und ich folgen.
"Was hältst du davon?", raunt Stephan mir zu. "Eine besoffene Minderjährige, die ihren Rausch im Wald ausschläft, von einen Förster geweckt wird und reißaus nimmt. Haben wir nicht so oft, oder?"
Zustimmend nicke ich, während ich mich durch das wilde Dickicht Kämpfe. Zum Glück hält die lange Hose, die ich im Sommer normalerweise bitterböse verfluche, die Dornen ab.
"Wie sah das Mädel denn aus?", rufe ich Herr Schacht zu.
"Sie war verdammt schnell weg. Ich weiß nur noch, dass sie so braun-blonde Haare hatte."
"Braun-blonde Haare.", wiederhole ich leise für mich selbst. "Wenigstens etwas."
Nach einigen Metern Gestrüpp und Geländelauf hält der Melder endlich an. Er ist noch nicht einmal aus der puste, obwohl er locker zwanzig Jahre älter ist als ich.
"Genau hier. Hier lag sie."
Tatsächlich kann man bei genaueren Hinsehen eine kleine Mulde in den Waldboden ausmachen.
Eine leere Flasche und der dazugehörige Mageninhalt befinden sich unweit davon entfernt.
Stephan streift sich ein paar der schwarzen Handschuhe über, um die leere Flasche aufzuheben.
"Tequila.", er riecht kurz an der geöffneten Gefäß, verzieht das Gesicht und legt es wieder an die ursprüngliche Stelle zurück. "Wenn ich das getrunken hätte, wäre ich auch erstmal ziemlich fertig."
"Und dann so ein junges Ding!", plärrt Förster Schacht dazwischen. "Das kann doch gar nicht sein. Also die Jugend von heute ist ja wirklich bis ins innerste verdorben."
Ich sehe zu Stephan.
Er entgegnet mir mit dem selben genervten Blick.

Wer Bist du Nur? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt