5.Kapitel

221 14 3
                                    

Sicht Elise:

Was denkt man, wenn man über einen längeren Zeitraum ständig in Angst um das eigene Kind lebt und jederzeit mit einer schlimmen Nachricht rechnen muss, weil die Expartnerin die er mal geliebt hat, ihn fast ins Grab bringt?

Wut, Entsetzen, Enttäuschung und den Wunsch das es eine gerechte Strafe geben wird und Erleichterung wenn sich dann doch alles zum Guten wenden kann, aber das war hier nicht für Chris der Fall. Es ist bis jetzt ein harter Kampf mit vielen Rückschlägen und mit wenig Aussicht auf Besserung.

Ich dachte so oft das mein Mann ihn von oben beschützt und er nur deshalb noch lebt, aber kann man das aktuell leben nennen?, wenn man schon so einige Krankenhäuser von innen kennt und sich nichts positives abzeichnet, wenn man das Gefühl hat man kommt nicht mit seinem neuen Leben zurecht weil man in Gedanken noch am alten festhält. Ist alles umsonst und lohnt sich das kämpfen, weil die Gesundheit nicht die einzigste Baustelle ist?

Mit solchen Gedanken befasse ich mich jetzt nun schon seit einiger Zeit und extrem seit Chris nach Conners Beerdigung wieder fest in der Klinik liegt und er diesmal nicht so schnell wieder nach Hause kommen wird, wenn überhaupt!.

Ich hab in der letzten Zeit so viel aushalten müssen was Chris betrifft, aber wenn er den Kampf jetzt so kurz vor dem Ziel noch verlieren würde, würde ich das nicht so schnell verkraften können und Andreas würde daran auch kaputt gehen vor Trauer. Keine Eltern wollen ihre Kinder vor einem selbst beerdigen müssen, doch das scheint uns bevorzustehen wenn sich sein Zustand nicht bald bessert und sie das Herz für ihn finden.

Hier zeigt sich jetzt wie wichtig einem die Familie sein sollte. Für mich bedeuten mir meine Kinder alles und das geht nicht nur mir so, da bin ich mir sicher.

Jetzt stand ich gestern vor der Tür von Chris und ich konnte nicht zu ihm rein. Ich brachte es nicht über das Herz. Ich hoffte innerlich das er die Nacht durchstehen wird und ich ihn am nächsten Tag besuchen kann. Jetzt im Moment ging es jedenfalls nicht, als ob mich etwas zurück hält, doch ich wusste nicht was es war. Es fühlte sich an als ob ich gegen Chris mentale Mauer rannte und die war grade so dick das sie bis vor die Zimmertür reichte und mich daran abprallen ließ. Ich hatte das Gefühl er wollte mich abhalten ihn so zu sehen, denn er wusste das ich darunter leiden und nur schwer damit klar kommen würde. Er wusste das es mir in Spanien schon fast das Herz gebrochen hätte ihn so zu sehen und das es mir diesmal den Rest geben würde. In Wahrheit war es aber meine eigene Mauer die mich vor etwas schützen wollte.

Ich blieb also stehen und ließ dann Andreas und Lea zu ihm rein. Es tat mir so weh ihn so zu sehen und gleichzeitig zu wissen das es vielleicht seine letzten Tage sein könnten. Mir wurden meine Augen nass wie ich auch Lea mit Tränen in den Augen bei Andreas Arm runtersacken gesehen habe. Er konnte sie grade noch so halten und kam nur kurze Zeit später wieder mit ihr raus. Das war grade alles zu viel für uns alle. Wir machten uns auf den Weg nach Hause und ich sollte nach meiner doch schlaflosen Nacht bereuen das ich nicht mehr bei ihm war. Ich hatte die ganze Nacht ein mieses Gefühl, als ob etwas passieren würde.

Der nächste Morgen sollte aber für Chris eine Wendung bringen.

Ob sie gut oder schlecht ausgehen wird konnte uns Dr. Klinge im Gespräch noch nicht sagen. Wir haben ihn knapp verpasst und ich bereute, mich nicht von ihm verabschiedet haben zu können. Wir haben ihn abfliegen gesehen, ohne das wir es wussten, das er dort drin war, aber scheinbar hatten wir alle einen ähnlichen Gedanken als der Heli vor unseren Augen abflog.

Jetzt waren die Entscheidungen getroffenen, nach Berlin hinterher zu fliegen und Chris hoffentlich bald wieder in einem Besseren Zustand sehen zu können. Andreas war schon gar nicht mehr gedanklich hier anwesend, sondern schon bei Chris. Er war nicht mehr zu halten und Teresa fühlte sich von der plötzlichen Aufbruchstimmung total überrumpelt. Das Lea mit Angelina mit zu Chris wollte und Andreas auch, hatte ich erwartet und das würde mich wundern wenn es nicht so wäre, vor allem was sie die letzte Zeit alles zusammen durchmachen mussten. Ich bin Andreas so dankbar das er Chris nicht hat hängen lassen und immer für ihn da war, auch wenn er selber oft mit den Nerven runter war. Unsere Familie ist eben eine ganz besondere und das würde sich später noch rausstellen.

Ich fuhr also mit den Gedanken das ich mit Andreas und Lea nach Berlin fliege nach Hause. Jedenfalls hatte ich das vor. Ich wollte genauso wie die beiden packen und dann später zu Andreas. Andreas wollte in der Zeit das Flugtaxi und eine Unterkunft für die ersten Tage ordern. Für die nächsten weiteren Wochen wollte er eine Ferienwohnung buchen, was uns günstiger als ein Hotel kommen würde. Der Plan war auf jeden Fall gut und ich ließ ihn machen.

Als ich so unterwegs war merkte ich das ich nicht auf dem Weg nach Hause fuhr sondern in eine ganz andere Richtung. Meine Gefühle leiteten mich zum Friedhof. Ich parkte und stieg aus. An der Friedhofsgärtnerei holte ich ein paar frische Blumen und ging zum Grab meines Mannes. Ich stellte sie ins frisch eingefüllte Wasser und setzte mich auf die Bank die dort gegenüber steht. Ich schloss meine Augen und ließ meine Gedanken schweifen und döste leicht weg. Meine Gedanken kreisten auch weiterhin noch um das Gespräch von eben. Chris hätte nach Marie so eine zweite Chance verdient wie kein anderer. Ich hoffte so, dass meine Gebete zu Werner durchdrangen und plötzlich wurde mir ganz warm ums Herz, als ob ich eine Antwort bekam.

Ich verlor irgendwie meine Angst Chris gegenüber zu treten. Meine Mauer wurde durchbrochen von der positiven Energie die ich grade spürte. Meine Zweifel das es Chris nicht schaffen könnte schien grade wie aufgelöst, als ob jemand mehr wusste als ich. Ich war hin und her gerissen zwischen Sorge und Angst und doch merkte ich wie immer mehr Unruhe in mir aufkam endlich wissen zu wollen wie es Chris wirklich geht, jetzt wo er der rettenden OP so nah ist.

Das die OP von Chris mich aber noch alte Wunden aufreißen lassen wird, werde ich zu gegebener Zeit auch noch erklären und verzeihen müssen.

Wem gehört mein Herz? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt