57.Kapitel

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Sicht Andreas:

Wir standen jetzt gemeinsam vor dem Eingang und meine Beine waren immer noch ziemlich wackelig. Das war heftig zu sehen wie Chris da in der Halle auf dem Boden lag, sich nicht rührte und keiner sofort zu ihm konnte. Das Warten auf den Notarzt und die Ungewissheit ob er wieder zu sich kommt war das allerschlimmste. Ich kann grade nicht beschreiben was ich grade fühlen soll. Hätte ich ihn abhalten können? Und was war an der Säge so kaputt das Chris so einen starken Stromschlag gekriegt hatte.

Ich schaute mit meinen noch nassen Augen zu meiner Frau rüber, die einige Meter weiter mit Lea neben mir stand. Teresa henkelte Lea ein und Manuel nahm mich an der Schulter in den Arm. Meine Tränen liefen und wollten nicht aufhören. Auch Lea liefen die Tränen schon als sie mit Teresa zum Eingang kam. Sie dachte an alle die ihr nah waren und schon gehen mussten. Wie die Fahrt hier her war konnte ich mir denken, denn es ging mir wahrscheinlich genauso. Wir standen beide knapp davor vielleicht jemanden zu verlieren der uns wichtig ist.

Ich konnte es spüren das sie an Conner, Werner und Luana dachte. Ich hatte sofort wieder den Song von Kerstin Ott im Ohr den Lea auf der Beerdigung von Conner mit Anne für Chris in der Kirche sang. Ich sah es so bildlich vor mir, als ob Lea mir diese Gedanken und Gefühle schickte. Sie hörte den Song auf dem Weg nach drinnen auf ihrem iPod. Beim genauen Hinsehen sah ich die kleinen Ohrstöpsel.

Ich sah mich gedanklich schon auf dem Friedhof an Chris seinem Grab stehen, schob den Gedanken aber sofort wieder bei Seite als Lea mich beim vorbei laufen streifte und den Kopf schüttelte. Sie hatte noch Hoffnung aber es fühlte sich trotzdem so an als wäre es der letzte Gang, denn oft gingen solche Stromunfälle tödlich aus. Ich betete insgeheim das Papa auf ihn aufpasst und Luana auch. Er hat ein starkes Herz bekommen und das war meine Hoffnung das es nicht geschädigt war und er diesen Unfall hoffentlich ohne größeren Schaden überstanden hatte.

Wie er aber doch noch in Gefahr ist sollten wir gleich erfahren. Mir war klar wie sehr es sie belastet und doch ließ es sie nicht los.

Wir hatten uns überwunden dann reinzugehen und nach Chris zu fragen. Wir bekamen gesagt das wir zur Intensivstation gehen sollten. Wir wussten ja schon wo wir hin mussten. Die Station kannten wir ja zu gut. Ich vermutete auch welcher Arzt uns gleich erwarten wird, Dr. Klinge. Also machten wir uns auf den Weg ohne zu wissen was uns erwarten wird.

Wir klingelten und fragten nach Chris. Es kam uns tatsächlich Dr. Klinge entgegen und holte uns in sein Büro.

Lea hatte jetzt auch ihre Kopfhörer rausgenommen. Sie war so traurig das ich auch das Gefühl hatte mir zerspringt das Herz und ich würde ersticken. Meine Luft war jedenfalls so knapp das ich sprühen musste. Waren es grade ihre oder meine Gefühle die ich grade wahrnahm? Je näher wir Chris kamen um so schlimmer wurde es und ich blieb stehen. Ich hatte so ein ungutes Gefühl. Es tat grade so weh hier weiter gehen zu müssen. Jetzt war es Lea die mich weiter zog und mich aus meinen Gedanken riss.

Dann stand Dr.Klinge vor uns. Er stellte fest das Lea Schwanger ist und umarmte sie. Wir kannten uns immerhin schon sehr gut und wir vertrauten ihm was Chris betrifft. Seine Blicke waren besorgt. Das konnte Lea nicht sehen, aber ich und mir rutschte das Herz wieder neu in die Hose vor Angst um Chris. Diesmal war es Manuel der es bemerkte und mich festhielt bis Dr. Klinge die Tür öffnete und uns reingebeten hatte. Er ließ mich los und setzte sich vor der Tür auf einen Stuhl und wartete im Gang. Wir konzentrierten uns auf das anstehende Gespräch nachdem die Tür sich hinter mir schloss. Teresa kümmerte sich um Lea und setzte sich zu ihr.

Dr. Klinge sah in unsere ratlosen und besorgten Gesichter. Wir warteten nur das er uns jetzt sagte wie es Chris geht.

Teresa konnte es genau so wie Lea kaum noch aushalten und fing das Gespräch an.

Teresa:
Dr. Können sie uns bitte sagen was mit Chris los ist und wo er jetzt ist?
Dr. Klinge:
Er wird gleich auf sein Zimmer gebracht. Wir haben einen kompletten MRT gemacht, grade auch wegen seinem Herz. Er ist nach wie vor nicht wach und das macht uns Sorgen. Er wird mit EKG überwacht. Das weist Herzrhythmusstörungen auf die hoffentlich nur vorübergehend sein werden. Das muss beobachtet und behandelt werden und die Schulter ist auch wieder eingerenkt. Das muss bei dem Aufprall auf dem Boden passiert sein. Er hat zich Prellungen und blaue Flecken. Die Verbrennungen an seinen Händen sind versorgt und werden gut abheilen. Wir können nur abwarten ob und wann er wieder aufwacht. Starkstrom verkraftet der Körper nicht so einfach und kann auch tödlich ausgehen. Er hat Glück gehabt das ihr Mann so schnell und richtig reagiert hat und nicht noch mehr verletzt worden sind. Sein Herz hat die letzten Stunden einiges mitmachen müssen. Jetzt liegt es an ihm wie stark sein Lebenswillen ist und ob er es schaffen wird oder nicht.
Andreas:
Können wir ihm dabei helfen zurück zu finden? Können wir zu ihm?
Dr.Klinge:
Sie können zu ihm. Die nächsten 48 Stunden werden es zeigen ob er das unbeschadet überstehen kann. So lange es keine weiteren Komplikationen geben wird.
Lea:
Was für Komplikationen?
Dr.Klinge:
Innere Blutungen, Herz- Kreislaufversagen, Atemstillstand unter anderem. Deswegen wird er sehr gründlich überwacht und wir tun alles um den Kreislauf stabil zu halten.
Andreas:
Wird er absichtlich in diesem Zustand gehalten?
Dr.Klinge:
Sein Körper muss sich selbst heilen und das braucht Zeit. Er wird beatmet, weil er nicht bei Bewusstsein ist. Etwas blockiert ihn. Eine Angst, etwas was er noch nicht verarbeitet haben könnte.
Wir können nur abwarten bis er selber wieder zu sich kommt. Wie lange das dauert liegt an ihm selber.
Lea:
Ich möchte bitte zu ihm.
Dr. Klinge:
Ich drücke Ihnen auf jeden Fall die Daumen. Er hat schon genug mitmachen müssen.
Andreas:
Da war er leider selber dran Schuld und war unvorsichtig. Das hatte diesmal nichts mit Marie zu tun. Sie ist Tod. Er hat nur nicht mit solchen Folgen gerechnet. Ich bete für ihn bei unserem Vater das er auf ihn aufpasst.

Dr. Klinge schaute auf die Uhr und meinte,, Er müsste jetzt auf dem Zimmer sein, lassen wir uns zu ihm gehen".

Das Gespräch war grade für uns unangenehm und doch wussten wir jetzt alle Bescheid wie es um Chris steht und das wir um ihn kämpfen müssen, damit er wieder zu sich kommt. Immerhin soll in wenigen Wochen seine Tochter zur Welt kommen. Ich hatte wieder den Spruch von Papa im Ohr ,,Für jedes Leben was geboren wird muss jemand anderes sein Leben lassen, dass ist der Kreislauf des Lebens." Ich hoffe jetzt um so mehr das sich Chris nicht grade jetzt dieses Zitat zu Herzen nehmen würde.

Dr. Klinge führte uns zu Chris seinem Zimmer. Auch Manuel folgte uns wieder, der mitbekommen hat wie wir mit unseren Gefühlen und Tränen kämpften. Was wir erfahren hatten davon weiß er ja auch noch nichts, aber das wird er noch von mir erfahren und auch gleich sehen.

Er öffnete die Zimmertür von Chris und da lag er.

An Überwachungsmonitoren, am EKG, an Infusionen und er sah aus als ob er schlief und er wurde beatmet. Seine Hände lagen ruhend rechts und links neben seinem Körper auf dem Bett und sein Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen durch die Beatmungsgeräte. Sie waren so verbunden das nur die Fingerspitzen rausschauten. Das Pflaster auf seiner Brust rief bei mir sofort Erinnerungen wieder wach und ich krallte mich instinktiv mit schmerzenden Herzen am Türrahmen fest und schloss kurz die Augen. Es tat grade einfach zu weh ihn wieder so sehen zu müssen. Gut das er jetzt grade keine Schmerzen spürte. Ob er wohl auch meinen inneren Schmerz spürt der meine Tränen überlagert?

Lea merkte es mir an. Sie spürte es anscheinend auch und hielt mich kurz an der Schulter fest eh sie sich an mir vorbei schob um sich zu Chris ans Bett zu setzen. Sie nahm seine Hand und ließ jetzt auch ihren Gefühlen freien Lauf.

Ich war von dem Anblick grade fix und fertig und ließ sie mit ihm alleine. Manuel blieb noch bei mir im Gang stehen. Ich ahnte das er jetzt mehr von dem Gespräch mit Dr. Klinge im Büro wissen wollte, also erzählte ich ihm alles. Ich sah das er genauso schockiert war wie wir eben zuvor, denn Chris ist sein bester Freund und er möchte ihn genauso wenig verlieren wie wir.

Wem gehört mein Herz? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt