Kapitel 17

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[Vergangenheit]

[Stephanie:]

»Das ist doch nicht dein Ernst! Du ziehst nicht wirklich um, oder!?«, fahre ich sie an. Es wäre nicht einmal gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich vor Zorn koche. Ich habe meiner Schwester wirklich so sehr vertraut – wollte so sehr daran glauben, dass wir all die harte Zeit zusammen überstehen werden – und kaum ist sie achtzehn geworden, will sie mich sofort verlassen. Will sie mich denn etwa wirklich mit dieser scheußlichen Frau alleine lassen?

Es ist fast schon bewundernswert, wie sie es geschafft hat, mir bis zur letzten Sekunde zu verheimlichen, dass sie umziehen würde. Sie kennt mich einfach und weiß, dass ich mich dagegen wehren und absolut nicht damit einverstanden sein würde. Ich meine,...wen wundert es wirklich?

»Doch und frag nicht, warum. Du weißt, dass ich es nicht mehr länger mit ihr zusammen aushalte. Außerdem gehe ich studieren und könnte ohnehin nicht länger hierbleiben«, sie stoppt kurz und ihr Blick trübt sich, während sich ein mattes, gequältes Lächeln auf ihrem Gesicht breitmacht, »Na ja, auch wenn wir beide wissen, dass Letzteres ganz sicher nicht der Grund für mein Gehen ist.« Sie bückt sich ein wenig zu mir runter und streichelt meinen Kopf. Wenn ich sie nicht so sehr lieben würde, würde ich ihre Hand in meiner Wut auf der Stelle wegschlagen. »Stephie, nenn mich ruhig feige, beschimpf mich und wirf mir allerlei Dinge an den Kopf. Ich hab' es wohl nicht anders verdient, weil ich dich hier mit der schlimmsten Frau zurücklasse. Jedoch verspreche ich dir, dass du, sobald du achtzehn wirst, sofort bei mir einziehen kannst und ich dann für uns beide sorgen kann. Das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann – wohl eher muss.«

Ich liebe meine Schwester – wirklich über alles –, allerdings hasse ich sie gerade dafür. Bis ich achtzehn werde, soll ich in diesem Haus leben – mit dieser Frau? Selbst wenn Dad auf Geschäftsreisen sein wird? Nein, das kann ich nicht. Ich mein', als Elisa noch da war, dann bin ich zumindest nicht alleine gewesen. Da hatte ich auch noch eine Mitstreiterin gegen diese Frau, falls sie es mal zu weit treiben und ich mich nicht dagegen wehren können sollte, aber ganz auf mich allein gestellt? Ohne Hilfe? Oh nein, das kann ich sicherlich nicht. Allein der Gedanke bereitet mir bereits Gänsehaut.

Ich senke meinen Blick und starre zu Boden. Ich will nicht, dass sie geht – egal, was mit unserer Mutter ist. Ich will nicht, dass ich nachts in meinem Bett liege und ich irgendein Problem auf dem Herzen habe, mich aber an niemanden wenden kann. Es schmerzt, zu wissen, dass ich dann auf mich allein gestellt sein werde. Aber es ist nicht nur das. Ich will Elisa einfach nicht meinem Leben missen müssen, selbst wenn es nur für ein paar Jahre wäre. Egal, wie egoistisch das auch ist, ich will weiterhin persönlich mit ihr interagieren können und sie hier in meiner Nähe haben.

Plötzlich laufen mir Tränen über Wangen. Dabei sollten sie gar nicht erst hervorkommen.

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Warum bin ich nur so verdammt erbärmlich? Weine gleich wegen so einer Kleinigkeit. Trotzdem kann ich meine Gefühle nicht leugnen und bei Elisa konnte ich schon immer ehrlich sein. »Ich kann das nicht. Lass mich bitte nicht allein!«, flehe ich sie an. Allein würde ich es nicht aushalten.

Doch sie lächelt nur sanft. »Doch, du schaffst das. Immerhin bist du schon immer viel stärker als ich gewesen. Glaub mir, Stephie, du warst es immer gewesen, die mir in schlechten Zeiten mit ihrem Lächeln geholfen und mich wiederaufgebaut hat. Und du wirst auch nicht allein sein. Du kannst mich jederzeit anrufen und ich werde sofort versuchen, mir Zeit für dich zu schaffen. Außerdem hast du auch noch Anna, oder nicht?«, sie zwinkert mir zu, »Ich glaube, falls du es nicht sogar schon getan hast, kannst du ihr diese Geschichte anvertrauen. Ihr kennt euch doch schon jahrelang, oder? Und sie wirkt nicht wie jemand, der deswegen gleich die Freundschaft beenden oder es gar weitererzählen würde. Ist aber trotzdem noch deine eigene Entscheidung. Vertrau einfach auf dein Bauchgefühl.«

Never Be MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt