Kapitel 56

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»Also?«, ich bleibe vor Mark stehen, der bereits auf der Bank Platz genommen hat, »Worüber genau willst du nun mit mir sprechen?« Er deutet mir, mich hinzusetzen, und ich gehorche, um nicht gleich zu Beginn einen Streit anzuzetteln, selbst wenn es mir ungemein widerstrebt, seinen Aufforderungen Folge zu leisten.

»Lass uns nicht lange um den heißen Brei reden.« Daraufhin schaut er mir eindringlich in die Augen und plötzlich fühle ich mich unglaublich unwohl. Mein ganzer Körper spannt sich unter seinem Blick an. »Als was siehst du Anna? Was ist sie für dich?«

Was ich über sie denke? Natürlich liebe ich sie.

Das braucht dieser Kerl aber nicht zu wissen. Daher setze ich ein provokantes Grinsen auf und verstecke dahinter meine wahren Gefühle. »Wir sind getrennte Wege gegangen und sind jetzt nur noch Fremde. Was sie tut und lässt, ist mir völlig egal.« Nun zucke ich mit einem gleichgültigen Grinsen mit den Schultern. Dabei könnte ich gerade eigentlich vor Frust aufschreien. Warum sollte ausgerechnet ihr Freund mich so etwas fragen?

›Natürlich, weil Anna ihm wahrscheinlich dieses Aufeinandertreffen von Freitag gepetzt haben muss.‹ Ich hätte lachen können. Wollte er nur deshalb mit mir reden? Dann ist das hier gerade nur die reinste Zeitverschwendung. Schließlich habe ich nicht vor, überhaupt noch einmal mit Anna zu interagieren.

Plötzlich schlägt er wütend auf seine Oberschenkel und ich zucke kurz zusammen. Das kam unerwartet. »Ich weiß, dass du Anna liebst, also tu gefälligst nicht so, als wär' sie dir gleichgültig!«, fährt er mich an.

Jetzt blicke ich ihn mit offenem Mund an. Woher weiß er das? Nein, eigentlich ist mir das gerade völlig schnuppe. Viel wichtiger ist doch, wer noch alles davon weiß – eigentlich nur, ob sich eine bestimmte Person dessen bewusst ist. »Weiß Anna-« Er unterbricht mich.

»Nein«, mit Hilfe einer kurzen Pause scheint er sich wieder fassen zu wollen, »Ich wollte ihr keine unnötigen Hoffnungen machen, falls ich doch hätte falsch liegen können, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit dazu lächerlich gering war. Ich wollte mich erst selbst bestätigen und es kotzt mich an, zu sehen, dass ich recht habe«, er fährt sich durch sein kurzes, perfekt sitzendes Haar, »Kümmern dich Annas Gefühle denn gar nicht? Warum tust du ihr das an? Lässt sie einfach in diesem schmerzvollen Glauben, ihre Liebe wäre unerwidert.«

Ich hätte lachen können. »Ihre Gefühle sollen mich nicht kümmern?«, ein gequältes Grinsen huscht mir übers Gesicht, »Ja klar, das haben sie mich auch nicht. Dafür Anna selbst viel mehr. Denkst du denn, wir hätten eine Zukunft gehabt? Denkst du, ich hätte nie überlegt, es ihr vielleicht zu sagen?«, meine Stimme bricht, während ich verzweifelt die Tränen zurückzuhalten versuche, »Ja, mein Gott, ich liebe sie! Aber wir können nicht zusammen sein. Ihr Vater würde sie hochkant aus dem Haus werfen. Die Gesellschaft würde sich vor uns ekeln. Wir könnten uns damit vielleicht einige Zukunftswege verbauen«, ich mache eine wegwerfende Bewegung, »Allen voran liebt sie mich doch eh nicht mehr. Jetzt hat sie ja dich und kann glücklich werden. Ohne eine eifersüchtige Spielverderberin von bester Freundin ist sie doch ohnehin viel besser dran.«

»Mich?« Er klingt verwirrt. »Was soll mit mir sein?« Dann scheint ihn die Erkenntnis zu treffen und er beginnt zu lachen – beinahe so, als hätte er jetzt völlig den Verstand verloren. Wenn ich ihn nicht so hassen würde, hätte ich mir sogar fast Sorgen um ihn gemacht.

Danach lehnt er sich auf der Bank zurück und legt den Kopf in den Nacken. Kurz darauf schließt er die Augen, hält Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel und kräuselt gleichzeitig die Augenbrauen. »Stephanie, sag mir nur eines: Dachtest du etwa die ganze Zeit, sie und ich wären zusammen?« Ich nicke verwirrt. ›Dachtest du‹? Erneut entfährt ihm ein Lachen – diesmal klingt er ernsthaft verzweifelt. »Das erklärt wirklich so einiges. Ahh Gott, dann bin ich ja genauso an allem schuld...« Er verzieht das Gesicht und Frustration scheint in seinen Gesichtszügen innezuwohnen.

Never Be MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt