Kapitel 54

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[Stephanie:]

Ich balle meine Hände zu Fäusten und unterdrücke den Wunsch, mich einfach umzudrehen und ihr zu beichten, wie große Sorgen ich mir eigentlich in Wahrheit um sie mache. Das ist einfach nicht die Art Beziehung, die wir jetzt pflegen. Wir sind Fremde - das sollten wir eigentlich sein. Zumindest habe ich das gesagt. Trotzdem hat sich mein Herz bei diesem Anblick eben zusammengezogen. Ich kneife die Augen zusammen und beiße mir auf die Unterlippe.

Nein, das ist nicht richtig. So sollte ich mich nicht fühlen. Sie sollte mir egal sein, auch wenn es nur das ist, was Anna denken soll.

Nachdem ich ihre Reaktion gesehen habe, überkam mich auf der Stelle dieser Drang, mich bei ihr entschuldigen zu wollen, denn ich wollte sie nicht so sehr verletzen. Ich wollte wirklich ehrlich sein, aber ich konnte es nicht. Ich... Ich weiß auch nicht, was ich eigentlich tue. Mir einerseits Sorgen um sie machen, aber sie andererseits im Glauben lassen, ich würde sie nun wirklich hassen.

Genau, was tue ich eigentlich?

›Und was ist mit deiner Mutter und dem Bruder deiner Lehrerin?‹, erinnert mich meine innere Stimme und ich presse die Lippen fest aufeinander.

Was, wenn das zwischen uns Beiden auch nur alles ein einziges großes Missverständnis wäre? Anna es meinem Ich von damals vielleicht gleichtun und mir nur vorspielen würde, sie würde jemand anderen lieben? Sie nur möchte, dass ich mich in sie verliebe oder ich mir meine Gefühle für sie eingestehe? Dass ich es ihr gestehe?

Daraufhin entfährt mir ein ersticktes Lachen. ›Was denkst du da eigentlich nur?‹, scheltet mich die Stimme und ich muss schmunzeln, während ich auf dem Absatz kehrtmache und mich Richtung Ausgang begebe, bevor ich erneut auf den dummen Gedanken kommen könnte, meine ehemalige beste Freundin aufzusuchen. Ich hätte erst überhaupt nicht auf die Idee kommen sollen, diesen Raum betreten zu wollen.

›Was denkst du da eigentlich nur?‹ Gute Frage, denn ich weiß es nicht. Warum bilde ich mir ein, Anna wäre genauso wie ich? Das ist sie nämlich nicht. Sie ist einer der ehrlichsten und liebevollsten Personen, die ich kenne. Zu solch hinterlistigen Tricks, wie meine Mutter und ich sie anwenden, wäre sie doch gar nicht erst fähig. Wenn sie in Marks Nähe glücklich ist und einer Beziehung mit ihm zugestimmt hat, werden ihre Gefühle keine Lüge sein. Die Liebesgeschichte meiner Mutter und die meine sind definitiv nicht gleich.


[Anna:]

Ich begebe mich sogar freiwillig zum Schuldirektor. Dabei erblicke ich die beiden Mädels und muss schmunzeln. Es ist mir klar gewesen, dass sie schnurstracks zu den Lehrern rennen würden. Eigentlich will ich nur noch nach Hause und zwinge mich daher, dem Schulleiter Rede und Antwort zu gestehen. Dabei lasse ich den ersten Aspekt nicht aus, dass sie Stephanie aus der Schule verjagen wollten, allerdings weiß ich auch, dass dieser Punkt meine Gewalt keineswegs rechtfertigen würde. Er hält uns danach allen eine längere Predigt, die ich jedoch nicht auf mich einwirken lasse. Ich höre ihr ja nicht einmal zu. Ich bin einfach zu müde und erschöpft.

Zuletzt seufzt er enttäuscht und verkündet das ›Urteil‹: Ich werde für eine Woche von der Schule suspendiert und die Mädels für vier Tage, da die Schlägerei von mir ausgegangen ist, die anderen Beiden die Gewalt jedoch provoziert und ebenso erwidert haben. Daher werde ich erst nach den Ferien wieder wie gewohnt in die Schule gehen dürfen.

Um das Kriegsbeil offiziell zu beenden, entschuldige ich mich vor den Augen des Direktors bei den Beiden, auch wenn ich es nicht sonderlich ernst meine. Ich bereue es nicht, ihnen mehr als nur eine verpasst zu haben, und sie könnten darauf wetten, dass ich es auch ein zweites Mal tun würde - unabhängig davon, was Stephanie darin überhaupt für eine Rolle spielen würde.

Never Be MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt