Kapitel 4

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»Könntest du dir bitte mal zumindest irgendetwas anziehen?«, erhebe ich meine Stimme genervt, doch versuche trotzdem, die Lautstärke einigermaßen gedämpft zu halten. Ihre Nachbarn müssen jetzt auch nicht gleich über alles Bescheid wissen.

Daraufhin kichert sie nur und umarmt mich von hinten - drückt ihre Oberweite ganz bewusst an mich. Ich laufe rot an und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen, die ich auf dem Tisch gestützt habe.

Dieses Mädchen macht mich echt verrückt.

»Dafür, dass es vorhin ganz schon zur Sache gegangen bist, hast du scheinbar noch ziemlich viel Energie. Hattest du noch nicht genug?«, haucht sie in mein Ohr und das Kribbeln durchfährt sofort meinen ganzen Körper.

Ich donnere meine Hände samt Stift auf den Tisch, schieße mit einem Mal hoch und suche dann nach einem Oberteil für sie. Ich würde es nicht noch länger in ihrer Umarmung aushalten. Sobald ich fündig werde, werfe ich ein Hemd über sie. »Ich hab' mehr als genug. Und vergiss nicht, dass das Ganze nicht gerade freiwillig abgelaufen ist«, gebe ich trotzig zurück und mache mich wieder an meine Hausaufgaben - mit einem guten Sicherheitsabstand von dem Mädchen.

Sie lacht erneut. »Und trotzdem hast du dich weder gewehrt, noch hinterher von mir abgelassen. So ganz unfreiwillig war es am Ende doch auch nicht, oder?«, sie stoppt kurz und schaut sich das weiße Hemd in ihren Händen stirnrunzelnd an, »Du verlangst doch nicht von mir, so was Zuhause anziehen zu müssen, oder?«

Ich schaue nicht auf. Es reicht mir, alles aus dem Augenwinkel zu beobachten. »Zieh dir wenigstens überhaupt etwas an, sonst wirst du noch krank. Alles andere ist mir egal.«

»Fürsorglich wie eh und je, was?« Erneut ertönt ein Kichern. Dann steht sie auf und steuert auf ihren Kleiderschrank zu, um neue Unterwäsche, ein schwarzes Top und bequeme Shorts herauszufischen und anzuziehen. Ich weiß, dass, wenn wir diesen Deal hier nicht hätten, sie sich von mir vermutlich niemals was sagen lassen würde. Deshalb bin ich vielleicht doch ganz froh, ihn zu haben und benutzen zu können.

Dann schießt mir plötzlich eine überraschend gute Frage durch den Kopf, auf die ich einfach keine Antwort finde und die mich auch nicht mehr loslässt. »Hey, Steph. Warum hast du diesen Deal damals überhaupt vorgeschlagen? Ich mein', du weißt genau, dass ich auch ohne ihn alles für dich tun würde.« Es lässt mir einfach keine Ruhe. Es macht auf so vielen Ebenen einfach keinen Sinn. Ihr Nutzen wäre so viel größer, wenn sie mich einfach nur ausnutzen würde, statt es sich auf Gegenseitigkeit beruhen zu lassen.

»Hmm«, sie schaut nachdenklich zur Decke hinauf, »Vielleicht ja, weil du meine beste Freundin bist?«, jetzt blickt sie mir lächelnd in die Augen, »Ich würde mich wohl ganz einfach richtig mies fühlen, wenn ich dich hemmungslos ausnutzen würde. Und außerdem bist du auch nicht blöd«, sie zuckt mit den Schultern, »Dann würde das Ganze sowieso weniger Spaß machen.«

›Spaß‹? Ist das ihr Ernst? Ich lege den Stift hin. »Und warum überhaupt das alles? Warum hältst du dich nicht einfach von mir fern? Dann würdest du mich genauso wenig ausnutzen. Die ganzen Jungs, die dir ihre Liebe gestehen, ignorierst du danach doch auch oder spielst mit denen.« Der Spaß ist mir schon längst vergangen.

»Dann würde ich doch meine beste Freundin verlieren, oder nicht? Anna, vergiss nicht, du bist mir trotz allem wichtig und du bist mit keinem anderen zu vergleichen. Egal, ob du mich liebst oder nicht, ich würde ein Leben ohne dich nicht wollen. Ohne dich würde sich alles plötzlich so unerträglich anfühlen, weißt du?«

Meine Augen weiten sich.

Bitte, was?

Ihr Lächeln, das ihre Lippen umspielt, scheint dieses Mal wirklich aufrichtig und der Ernst in ihrer Stimme lässt sich ebenso wenig aberkennen. Ich weiß nicht, aber es tut unglaublich weh, dass man jemandem so viel bedeuten kann, es aber trotzdem nicht reicht.

Never Be MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt