Kapitel 36

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Sobald die Haustür ins Schloss fällt, ertönt bereits die strenge Stimme meines Vaters. Daraufhin zucke ich wie automatisch zusammen und mein ganzer Körper verspannt sich. Ich bin es wirklich nicht gewohnt, öfters seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Zuerst entledige ich mich schnell meiner Schuhe und betrete dann erst das Wohnzimmer, in dem ich ihn vermute. Wie so oft sitzt er gerade mit einer Zeitung auf der Couch. Macht er etwa nie etwas anderes? Irgendwann müsste er doch alle Zeitungen der Welt durchgelesen haben, oder nicht?

Dann hebt er seinen Kopf und mein Körper versteift sich noch mehr. Man, ich hasse es, Gespräche mit diesem Mann zu führen. »Wie war es?«, fragt er mit kalter Stimme. Will er gerade eigentlich nur etwas von mir wissen oder mich das Fürchten lehren?

Vermutlich Beides.

»Ganz gut, denke ich?«, antworte ich zunächst unsicher, doch gewinne nach einer kurzen Denkpause deutlich mehr an Selbstbewusstsein, »Wir treffen uns nächste Woche wieder. Also scheint es doch super zu laufen, oder nicht? Alles wie gewohnt.«

Er mustert mich noch einen Moment, bis er sich dann ohne ein Sterbenswörtchen wieder seiner Zeitung widmet. Ja danke auch.

Ich seufze lautlos und begebe mich dann in mein Zimmer, wo ich mich danach erschöpft aufs Bett fallen lasse.

Natürlich. Wenn es um Jungs geht, ist er immer so hellhörig, aber bei allem anderen blockt er ab. Es interessiert ihn nicht einmal. Was ist das bitteschön für ein Vater? Und was sollte das überhaupt am Ende? Freut es ihn etwa nicht, dass alles super läuft?

Plötzlich kommt mir ein Gedanke in den Kopf geschossen: Ist er etwa unglücklich über den Umstand, dass wir noch gar nicht zusammen sind? Dass es ihm zu langsam vorangeht?

Ich verziehe das Gesicht. Was erwartet er denn bitteschön? Dass wir uns nach ein paar Dates schon die unsterbliche Liebe gestehen würden? Ja genau, wie sehe ich denn für ihn aus? Selbst wenn er nicht weiß, dass ich auf Stephanie stehe, sollte er sich doch zumindest denken können, dass es nicht schnell und einfach bei mir werden würde, wenn ich zuvor gar keinen wirklichen Kontakt mit Jungs hatte – beziehungsweise erst haben wollte.

Dann seufze ich erneut. Es ist einfach hoffnungslos. Mein Vater und ich werden uns niemals verstehen können. Er wirkt sowieso viel eher wie ein Tyrann oder ein grausamer Chef als ein Vater. Ganz ehrlich, manchmal frage ich mich echt, warum man dann überhaupt ein Elternteil werden möchte, wenn man seine Kinder dann nicht einmal liebt. Ich verlange ja nicht einmal, dass er perfekt sein und deshalb keine Fehler mehr machen soll. Ich will nur, dass er es zumindest versucht.

Plötzlich öffnet sich die Tür und ich richte mich blitzschnell auf. »Störe ich etwa gerade?«, fragt Mum vorsichtig und wirkt etwas unbeholfen – wenn nicht fast schon hilflos.

Sofort muss ich abwinken und lachen. »Nein, überhaupt nicht.«

Sie betritt den Raum und setzt sich direkt neben mich aufs Bett, während ich mit einem Kissen in den Armen an der Wand gelehnt sitze. »Wollen wir reden – wie in den guten alten Zeiten?«

Ich muss lachen. »Mum, du lässt es so klingen, als wären wir schon steinalt!«

»Sind wir das denn nicht?«, auch sie lacht, »Ich meine es aber ernst! Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seitdem wir das letzte Mal zu zweit Zeit zusammen verbracht und ordentlich geredet haben.«

»Ich bin eben eine vielbeschäftigte Frau!«, scherze ich.

»Ach ja? Wegen Mark?«, ich halte abrupt den Atem an, sobald sein Name fällt, »Wie läuft's eigentlich so mit ihm? Dein Vater erzählt mir diesbezüglich nie was.« Unter anderen Umständen würde ich nicht so bei seinem bloßen Namen reagieren, aber das erinnert mich nur daran, was ich gleich noch vor mir haben werde – wegen ihm.

Never Be MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt