Kapitel 2

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»Also...Ähm, ich glaube, ich mag da jemanden und weil ich das nicht will und es mir deshalb nicht gerade gut geht, brauchte ich einfach jemanden, der diese schlechte Stimmung in mir einfach vertreibt und da...« Sie spielt nervös an ihren Fingern und dem Saum ihres überaus engen und knappen Oberteils herum. So hab' ich sie echt selten erlebt und das heißt: Ihre Gefühle können einfach keine Lüge sein.

Oder sie spielt es einfach so perfekt, gerade weil sie will, dass ich genau das denke. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sie nur mit mir gespielt und mich dadurch schon verletzt hat. Ich muss vorsichtiger werden.

»Und da hast du dir gedacht, dass ich das bewerkstelligen könnte?«, vervollständige ich ihren Satz und sie nickt stumm. Okay, das tut irgendwo schon weh, aber es ist immerhin erträglich. Es wäre doch irgendwie schön, wenn sie herausfinden würde, was Liebe wirklich bedeutet – wenn sie vielleicht sogar eher noch etwas mit diesem Typen anfangen könnte.

Aber wow, es schmerzt jedes Mal aufs Neue so sehr, wenn man lediglich als Werkzeug missbraucht wird, doch hab' ich mir eigentlich überhaupt etwas anderes erhofft? Es ist doch schon von Anfang an klar gewesen, worauf ich mich hier eingelassen habe.

Ich seufze und sehe mich an meiner Stelle angekommen – wo ich bei Stephanie scheinbar stehe. Es ist echt hoffnungslos, sich jemals überhaupt nur im Ansatz Hoffnungen zu machen und doch kann ich nicht anders, als jedes Mal weiter zu hoffen.

Plötzlich küsst sie mich auf den Mund und löst sich dann kurz von mir, nur um mir Folgendes zu sagen: »Hey, jetzt guck doch nicht gleich so. Du bist mir auch wichtig.« Hey und dafür hasse und liebe ich sie zugleich wirklich. Wie kann man jemandem nur so viele Hoffnungen machen und sich so verdammt falsch ausdrücken, wenn man doch ganz genau weiß, wie der andere für einen empfindet? Will sie etwa, dass ich sie für immer liebe? Oder will sie mich einfach nur quälen?

Beides erreicht sie damit nämlich nur zu gut.

Natürlich erwidere ich ihren Kuss und ihre Zunge gleitet wie von automatisch in meinen Mund hinein – sie wird immer fordernder und ich tue es ihr gleich. Egal, wie oft wir das hier auch tun, es erstaunt mich echt immer wieder, wie gut sie küssen kann. Und außerdem fühlt sich das hier auch immer wieder unglaublich falsch an. So, als wäre da wirklich etwas zwischen uns und zugleich ja doch nicht. Sie hält ihren Teil des Deals wirklich gut ein, auch wenn sie mir erstaunlich viele Hoffnungen macht, dafür, dass sie mir ja scheinbar nie gehören solle.

›Wünschst du dir das denn?‹

Welcher Idiot würde das denn nicht tun?

Dann sucht sie den Abstand zwischen uns. »Warum willst du nicht weiter gehen als nur das hier? Du weißt, du könntest alles von mir verlangen.« Jap, sie ist schon immer gut darin gewesen, mir ein schlechtes Gewissen zu machen und langsam frage ich mich echt, wer von uns beiden das alles hier eigentlich mehr will – ich oder sie?

Ich weiß es doch. Dieser Deal bedeutet, dass sie alles für mich tun würde – im Austausch dafür, dass ich auch alles für sie machen würde. Es ist somit ein vollkommen perfekter, äquivalenter Tausch und doch scheint Stephanie den Braten zu riechen – dass ich nicht genug fordere. Ich könnte und doch lasse ich mich eher ausnutzen. Und Stephanie konnte es noch nie ab, wenn man sie nicht für voll nimmt und indem ich nicht genug verlange, fühlt sie sich nicht für ernst genommen und als würde ich das hier alles nur als Spaß sehen.

›Echt kompliziert‹, plagt meine innere Stimme und ich kann ihr nur recht geben.

»Ich kann das nicht.« Sie schaut mich an, doch ich schaue nur weg. Ich kann ihr ja nicht einmal in die Augen schauen, also wie soll ich dann bitte weiter als einen Zungenkuss gehen? Als ich ihren verletzten Blick jedoch aus dem Augenwinkel sehe, entschließe ich mich doch dazu, ihr zumindest ein wenig mehr Ehrlichkeit entgegenzubringen: »Ich will später nichts bereuen und versteh mich nicht falsch, aber es fühlt sich so verdammt falsch zwischen uns beiden an, weil ich einfach weiß, dass du mich nicht liebst. Deshalb traue ich mich einfach nicht, so etwas in Richtung Sex überhaupt durchzuziehen. Ich will einfach nicht, dass das bei mir nur durch einen dummen Deal geschehen kann.«

›Es würde nämlich verdammt weh tun, wenn ich aus Liebe und sie aus Spaß handeln würde.‹ Das spreche ich allerdings nicht aus.

Jap, Ehrlichkeit kann guttun, aber auch so schwer zu verkraften sein.

Versteht sie jedoch bloß nicht falsch. Ihr verletzter Blick galt nicht dem, dass ich im Allgemeinen nicht weiter als das gegangen bin, sondern ist wohl der Tatsache geschuldet, dass ich sie nicht ernst genommen habe und ich ihr ja nicht einmal einen richtigen Grund dafür geben wollte.

»Liebst du mich überhaupt noch?«

Und deswegen.

Ihre wunderschönen smaragdgrünen Augen strahlen nur so vor Unschuld und doch ist sie eigentlich die Personifikation des Bösen mit ihren Worten, ihrem Hundeblick und ihrer ganzen teuflischen Mimik. Und doch. Hat eigentlich nur irgendjemand von Euch hier gerade versucht, sie zu verstehen? Sie ist doch so zerbrechlich. Schaut sie euch doch nur mal an! Ihre Worte, ihre Taten, alles spricht eindeutig für sich. Sie will geliebt werden – sie will nicht allein gelassen werden. Sie fürchtet die Einsamkeit. Sie fürchtet sich davor, dass alle sie vergessen und sie allen egal wird. Sie will nicht aus den Köpfen aller verschwinden, bevor sie überhaupt aus dieser Welt verschwunden ist. Und genau deshalb sucht sie die Liebe in mir – auch aufgrund der Vergangenheit. Sie will Anerkennung und einen Grund, hier sein zu können. Eben das alles biete ich ihr.

Deshalb allein schon muss ich einfach ehrlich und selbstbewusst bleiben.

»Ja, vom ganzen Herzen«, erwidere ich direkt – ehrlich, entschlossen und mit purem Ernst. Ich weiß, über manche Dinge im Leben kann man sich lustig machen, doch hier nicht. Würde ich mir hier einen Spaß erlauben, wüsste ich ehrlich nicht, auf welche bescheuerten Ideen Stephanie dann alles kommen könnte.

Sie atmet erleichtert aus und ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Es ist immer wieder schön zu sehen, wenn sie sich über das Leben freut. Das Verlangen steigt in mir auf, sie zu küssen, aber ich unterdrücke es. Gerade ist es doch viel wichtiger, dass der Moment nicht zerstört wird.

Und genau deshalb möchte ich ihr die Liebe näherbringen. Sie muss nicht mich lieben, aber zumindest irgendjemanden. Sie soll den Sinn im Leben finden und so voranschreiten. Sie soll glücklich werden und ich will sie lächeln sehen. Ich will doch nur, dass sie die Vergangenheit loslassen und mit jemandem zusammen die Gegenwart bewältigen kann. Sie soll nicht mehr alleine sein müssen.

Das ist mir gerade am wichtigsten und dafür werde ich diesen Deal benutzen. Sie wird sich, egal, was auch passiert, an diesen Deal halten, bis wir beide ihn beenden werden, und das werde ich ganz bewusst ausnutzen. Man muss eben vollen Gebrauch davon machen, was einem zur Verfügung steht.

Stephanie wird sehen, dass ich sie sehr wohl für voll halte. Ich werde lediglich taktisch schlau handeln und meine Vorteile erst später nutzen.

»Beweis' es. Beweis' mir, dass du mich liebst«, befiehlt sie mir und ich schaue sie lediglich verblüfft an.

Never Be MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt