Kapitel 25

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Plötzlich hält sie vor ihrem Schlafzimmer an und dreht sich nun wieder zu mir um. Mittlerweile umspielt wieder ein überhebliches Grinsen ihre Lippen. Ah Mist, mein Körper hätte ihr nicht folgen dürfen. »Was ist denn überhaupt mir dir? Schläfst du nicht auch mit unzähligen Jungs? Die Nächte, in denen du nicht Zuhause bist, und die Knutschflecke an den Folgetagen sprechen wirklich für sich.«

Ein stilles ›Ich bin doch nicht blind und blöd schon mal gar nicht‹ liegt in der Luft. Genau, diese Frau ist alles andere als blöd. Sie ist intelligent – unheimlich intelligent –, ja, aber sie nutzt ihre Stärken völlig falsch. Damit könnte sie im Leben so viel mehr erreichen, doch stattdessen nutzt sie ihr Talent fürs Betrügen. Genau das hasse ich an ihr. Mittlerweile kenne ich sie so gut, dass ich sagen kann, dass sie wirklich alles hätte haben können, aber lässt sich stattdessen auf etwas so Niederträchtiges ein. Hat sie etwa ansonsten keinen Spaß im Leben? Braucht sie etwa diesen Kick, es mit jemand anderem zu treiben, während der eigene Ehemann nichts ahnt? Einen kompletten Plan zu besitzen, sodass Dad es niemals erst erfahren wird? Alle Fäden in den Händen zu halten und uns alle wie Spielfiguren manipulieren zu können?

Ich will sie wirklich verstehen und das Gute in ihr sehen, aber in ihr haust doch nur die Personifikation des Bösen.

Ich antworte nicht. Daher zieht sich eine Stille durch den Flur, aber selbst dann wartet sie auf eine Antwort. Sie würde mich sicher nicht einfach mit einem Schweigen davonkommen lassen. Sie würde mich weder die Flucht antreten, noch das Thema wechseln lassen. Ich balle meine Hände zu Fäusten, während sich meine langen Fingernägel in meine Haut bohren.

Nein, diese Frau würde erst nachgeben, nachdem sie mich am Tiefpunkt gesehen hat.

Dass ich aber überhaupt etwas mit anderen Jungs leichtfertig anfange, hat nicht den Grund, dass ich es wirklich will und auch genieße – wie es diese Frau hier wahrscheinlich tut. Das Einzige, was ich damit nur erreichen will, ist es, Anna endlich zu vergessen – besser gesagt: Diese Gefühle für sie zu vergessen. Sie vergiften nur unsere Freundschaft.

Trotzdem komme ich nicht über sie hinweg. Es gab bisher keinen einzigen Jungen, der mir Anna aus dem Kopf hätte treiben können. Nur, sobald ich mich auf einen einlasse, wir es vielleicht auch tun, dann sind das die einzigen Momente, in denen sich meine Gedanken nicht immer nur um sie drehen – und ich genieße jeden dieser Momente. Jedes Mal, wenn der Schmerz in meinem Herzen mit einem Schlag nachlässt. Wenn das Leid plötzlich anfängt, erträglicher zu werden. Wenn mein Kopf auf einmal frei von allen Sorgen und Qualen ist.

Nein, diese Frau und ich handeln aus zwei völlig verschiedenen Gründen.

Dann legt diese Frau einen Zeigefinger an die Lippen und schaut nachdenklich nach oben. »Ach ja, da fällt mir ein: Anna und du habt es doch erst letztens getrieben, als ich mich für eine Verabredung fertig gemacht habe, oder etwa nicht? Heißt das etwa, sie liebt dich? Und du liebst sie? Seid ihr zusammen?« Bei diesen Worten zucke ich kurz zusammen. Hat sie es also doch mitbekommen? Das stört mich nicht einmal wirklich, aber es macht einfach keinen Sinn. Seit wann interessiert sie sich so für mein Leben? Oder genießt sie es einfach, mich leiden zu sehen – mein Leben zu zerstören? Vielleicht ein Druckmittel gegen mich in der Hand zu haben?

Vielleicht hätte ich doch vorher auf ihre Fragen antworten sollen. Dann wären mir möglicherweise diese hier erspart geblieben, die nur noch für viel mehr Chaos in meinem Inneren sorgen.

»Das geht dich 'nen Scheißdreck an. Lass mich damit in Ruhe! Es geht hier um dich und nicht um mich!«, fauche ich sie wütend an. Ich will nicht, dass sie sich hier einmischt. Ich will nicht, dass sie mir ihre Überlegungen präsentiert und eine Person, die ich abgrundtief hasse, mehr über mich weiß, als ich überhaupt wahrhaben möchte.

Never Be MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt