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Der Überfall war mittlerweile drei Tage her.
Drei Tage, an denen ich mich vormittags bei irgendwelchen Besichtigungen von Museen und wichtigen Gebäuden der Gruppe hinterhergeschleppt hatte und nachmittags im Innenhof auf einer Bank gesessen bin und vor mich hin gestarrt habe. Ich bekam wenig davon mit, was in der Gegenwart passierte, da ich so sehr auf die Vergangenheit fokussiert war.
Wieder und wieder durchlebte ich denselben Moment, den ich vor mir gesehen hatte als sich uns die Polizisten genähert hatten. Obwohl es unter völlig anderen Umständen gewesen ist und diesmal zwei Waffen auf mich gerichtet wurden, hatte ich in ihnen dieselben Polizisten wie vor drei Jahren gesehen.
Seit dem Unfall war das hier das erste Mal, dass ich wieder so direkt mit Polizisten konfrontiert war, weswegen ich nicht gewusst hatte, dass ich so negativ auf sie reagieren würde.

Marlee hatte mir erzählt, dass sie mehrmals meinen Namen hatte rufen und mir sogar eine Ohrfeige hatte geben müssen, damit ich aus meiner Trance erwacht bin. Die Polizisten hatten von uns direkt vor Ort ein Zeugengeständnis gewollt. Marlee und die andere Frau hatten sich schon wieder von ihrem Schock erholt gehabt und hatten erzählt was passiert war. Ich hatte die ganze Zeit nur daneben gestanden und es nicht geschafft einen vollständigen Satz herauszubringen.
Doch die Polizisten hatte das wenig gekümmert, denn sie hatten wahrscheinlich öfters mit Überfällen zu tun und wussten wie diese abliefen.
Dann hatten sie uns höchst persönlich vor unserem Hotel abgesetzt und kurz mit unseren Lehrern gesprochen, die daraufhin erst einmal durchgedreht sind. Sie trugen schließlich die Verantwortung der Kinder von reichen Eltern. Wenn einer von uns nicht komplett heil zurück kommen würde, könnten sie mit einer ordentlichen Klage rechnen.
Dass ihnen nichts an mir persönlich lag war klar, denn ich schleimte mich nicht gerade bei ihnen ein.

Auf jeden Fall hatten sie uns daraufhin verboten, nachmittags etwas zu unternehmen, zumindest nicht ohne eine begleitende Lehrkraft. Deswegen waren wir alle absolut schlecht gelaunt, denn wir würden jetzt noch weitere zwei Wochen in Mexiko verbringen, die Hälfte der Tage aber wahrscheinlich im Innenhof oder auf den Zimmern gammeln.
Daraufhin hatten einige meiner Mitschüler bei ihren Eltern angerufen und sich beschwert, jedoch wollten diese vermeiden, dass ihre Kinder von irgendwelchen Gang Mitgliedern abgeknallt werden und fanden es deshalb gut, dass wir nicht mehr alleine draußen rumlaufen durften.

Mit meinen Eltern hatte ich noch nicht gesprochen. Die Lehrer hatten es mir aufgetragen, ihnen von dem Überfall zu berichten da sie sich selbst wahrscheinlich nicht trauten. Ich war aber noch nicht bereit gewesen, mit meinen Eltern darüber zu reden, wie ich auf die Polizisten reagiert hatte. Denn ich wusste genau, dass sie sich dann riesige Sorgen um mich machen würden und das wollte ich vermeiden.
Nur würden sie bald von Marlees Eltern von dem Überfall hören, weshalb ich es ihnen früher oder später sowieso sagen müsste.

Die letzten drei Tage hatte ich mich ziemlich zurück gezogen und nicht wirklich viel mit Marlee und Carter geredet.
Doch heute war ich wieder mit Rio verabredet und ich wollte ihn nicht draußen stehen und auf mich warten lassen. Wahrscheinlich würde es mir gut tun, mal wieder ein längeres Gespräch mit jemandem zu führen.
Außerdem war es Rio, mit ihm verbrachte ich eigentlich ganz gerne meine Zeit.

Ich saß mal wieder auf derselben Bank wie immer und wartete im Schein der Straßenlaternen auf Rio. Ich beschwerte mich jedoch nicht darüber, dass er mich so lange warten ließ. Mein Blick war starr auf den Boden vor mir gerichtet und mit den Gedanken war ich bei der gleichen Person, wie schon die letzten drei Tage. Ich verfiel wieder in die gewohnte Trauer und schlechte Laune.

„Hola.", ertönte Rios Stimme neben mir.
Mit Schwung rutschte er sitzend die Bank entlang, kam direkt neben mir zum Stehen und legte seinen Arm um mich.
Zugegeben - das war schon smooth gewesen.
Von seiner Nähe wurde mir direkt wärmer. Die Stellen, an denen sein Körper meinen berührte fühlten sich plötzlich unglaublich schwer an und ich wagte es nicht, mich zu bewegen.
Sofort war ich mit meinen Gedanken bei ihm, und zwar nur bei ihm.
Es war unglaublich wie er ganz allein mit seiner Präsenz und nur einem Wort das schaffte, was meine Freunde die ganze Zeit versucht hatten. Und er wusste nicht einmal, dass es mir nicht gut ging, geschweige denn warum.

Before DawnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt