Es war inzwischen schon Mittwoch, der vierte Tag nachdem ich mich mit Rio und Pablo getroffen hatte und nur noch vier Tage, bis ich endlich wieder auf dem Weg nach Hause war. Die letzten Tage hatte ich keinen Schritt mehr vor unser Hotelzimmer gesetzt. Unseren Lehrern hatte ich gesagt, ich hätte schlimme Bauchschmerzen und durfte deswegen den ganzen Tag im Bett liegen. Meine Lebenslust war gestorben und ich verbrachte die Tage damit, die Sekunden bis zu unserem Abflug zu zählen. Marlee und Carter machten sich Sorgen um mich, sie hatten Angst dass ich jetzt depressiv werden würde. Aber ich hatte einfach nur so etwas wie Liebeskummer. Das würde schon weggehen... irgendwann.
Mir war aufgefallen, dass ich mich nach der Trennung von Jack nicht einmal annähernd so mies und leer gefühlt hatte wie jetzt. Zugegebenermaßen machte es mir Angst, was das aussagen könnte. Es könnte nämlich heißen, dass ich Jack nicht so sehr geliebt hatte, wie ich es geglaubt hatte. Und, dass ich für Rio viel stärkere Gefühle hatte als ich dachte... als mir lieb war.Seit vier Tagen schon hatte ich keine normalen Klamotten mehr angezogen. Wozu denn auch, wenn ich den ganzen Tag nichts anderes machte, als im Bett zu liegen. Auch meine Haare hatte ich schon seit mehreren Tagen nicht mehr gewaschen und es tat mir ehrlich leid für Marlee und Carter, dass sie mich so sehen mussten. Aber ich konnte mich einfach zu nichts aufraffen. Ein Hungergefühl hatte ich auch nicht mehr, weswegen ich mich nicht einmal zum Frühstück und Abendessen unten am Buffet des Hotels blicken lassen musste. Das kam mir eigentlich gut, denn laut mir war ich ja 'krank'. Ich aß gelegentlich das, was Marlee von ihrem Mittagessen nicht mehr wollte.
Die Vormittage über war ich alleine, nachmittags waren meine Mitschüler von ihren Ausflügen zurück. Sobald sie mittags wieder da waren rückten Marlee und Carter mir nicht von der Pelle. Ständig musste ich mir anhören, dass ich mich wegen einem Jungen nicht so gehen lassen solle und, dass ich die letzte Woche in Mexiko doch nicht einfach heulend im Bett verbringen könne. Ich konnte sie ja verstehen und es war wirklich lieb von ihnen, dass sie sich so sehr um mich sorgten. Aber zurzeit hatte ich einfach jegliche Lebenslust verloren und wollte die Sonne dafür verfluchen, dass sie hier so fröhlich strahlte. Wie konnte sie nur! Während es mir so mies ging?
„Malu? Liegst du immer noch im Bett?", hörte ich meine beste Freundin rufen, nachdem sie das Zimmer betreten hatte.
„Ja, was sollte ich sonst machen?", grummelte ich und verbarg mein Gesicht im Kissen.
„Vielleicht würde es dir gut tun, mal wieder unter Menschen zu kommen?", riet sie mir aber wusste bereits, dass ich nicht auf sie hören würde.
Als ich nicht antwortete seufzte sie und setzte sich zu mir aufs Bett.
Ich hatte erwartet, dass sie mich wie die letzten Tage aufzumuntern versuchen würde. Doch sie blieb still, weshalb ich verwundert den Kopf hob und mich aufsetzte.
Dann fiel mein Blick auf einen Brief, den sie in der Hand hielt. Auf dem Umschlag stand mein Name.„Das hier ist für dich.", sagte Marlee leise, als sie meinen Blick bemerkte.
Sie hielt mir den Brief hin und ich nahm ihn verwundert an.„Von wem ist der?", fragte ich, als ich den Umschlag öffnete und den Brief herauszog.
Marlee antwortete nicht, hielt ihren Blick einfach nur auf den Boden gesenkt.„Woher hast du das, Marlee?", hakte ich etwas lauter nach.
„Vorhin als wir wieder ins Hotel gekommen sind, stand da jemand vor dem Eingang.", begann sie zu berichten.
„Er hat ihn mir gegeben und gesagt, dass du das dringend lesen solltest."„Jetzt sag doch einfach von wem du ihn hast!", fuhr ich Marlee ungeduldig an.
Am Ende des Briefes stand nämlich kein Name und ich musste ihn wohl erst durchlesen um zu wissen, von wem er war.„Der ist von Rio.", murmelte Marlee und verschränkte ihre Hände miteinander.
„Von Rio? Er stand vor dem Hotel?!", rief ich und starrte perplex auf den Text, den er mir geschrieben hatte.
„Er soll sich verpissen! Ich will nichts mehr von ihm wissen!", zischte ich, zerknüllte den Brief und warf un quer durchs Zimmer.„Er steht da nicht mehr. Er hat ihn mir einfach gegeben und ist gegangen."
„Da ist er wohl umsonst hergekommen. Ich werde das nämlich ganz sicher nicht lesen!", meinte ich bitter und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Er meinte aber, es ist wichtig. Sehr wichtig."
„Das glaube ich ihm auch.", erwiderte ich trocken.
„Er will sich doch nur wieder einschleimen um an Geld zu kommen!"„Ich sage ja nicht, dass du gleich wieder zu ihm rennen solltest.", meinte Marlee und hob beschwichtigend ihre Hände.
„Lies es dir doch einfach durch. Er sah ziemlich schlimm aus, Malu. So als hätte er tagelang nicht geschlafen und nicht gegessen. Er hatte total verzweifelt gewirkt und wollte unbedingt, dass du den Brief bekommst. So als ob sein Leben davon abhängt."„Und jetzt soll ich Mitleid mit ihm haben? Weil er genau so kacke aussieht wie ich? Wahrscheinlich ist er einfach nur am Biden zerstört, weil sein toller Plan nicht aufgegangen ist und er jetzt schauen muss, wo er bleibt."
Zugegeben, es gab mir schon eine gewisse Genugtuung zu wissen, dass er gerade nicht fröhlich pfeifend durchs Leben hüpfte.„Naja, musst du wissen. Aber ich finde, du solltest dir auch seine Seite anhören, bevor du über die Sache urteilst.", meinte Marlee seufzend.
Dann erhob sie sich, verließ das Zimmer und ließ mich alleine zurück.Mein Blick fiel auf den Brief, der zusammengeknüllt neben der Badezimmertür lag. Ich hatte Rios Nummer gelöscht und ihn geblockt, weshalb die altmodische Art jetzt wohl der einzige Weg für ihn war, mir eine Nachricht zu hinterlassen.
Einerseits hatte ich beschlossen, nie wieder auch nur einen einzigen Gedanken an Rio zu verschwenden. Doch andererseits war ich neugierig und wollte wissen, was er mir zu sagen hatte.Ich wusste nicht, wie lange ich einfach nur auf meinem Bett saß und den Brief anstarrte, mit mir ringend ob ich ihn wirklich lesen sollte oder nicht. Doch schließlich gewann die Neugierde über mein Ego und ich schnappte mir den Brief. Als ich wieder auf meinem Bett saß entknüllte ich ihn und strich ihn, so gut es ging, glatt.
Hola Malu,
Ich habe dich ziemlich oft angerufen und dir geschrieben. Aber ich konnte dich nicht erreichen, weswegen ich jetzt diesen Brief schreibe.
Ich möchte mich für nichts rechtfertigen. Ich weiß, dass das was ich getan habe unverzeihlich ist. An deiner Stelle hätte ich wahrscheinlich genau so reagiert, wie du es getan hast.
Du fragst dich also bestimmt, warum ich es dann getan habe.
Ich werde dir alles erklären.
Wie du bereits weißt, hatten wir noch nie wirklich viel Geld. Seit ich in der Gang bin läuft es zwar etwas besser, aber es ist nicht unbedingt die Arbeit die ich gerne mache. Als ich erfahren habe, dass deine Familie etwas mehr Geld hat, hatte ich gehofft, dass du mir irgendwie einen guten Job verschaffen könntest. Ich dachte, du würdest das für mich tun wenn ich dir wichtig geworden wäre. Ich muss zugeben, dass ich am Anfang vorgespielt habe, dass ich mich für dich interessiere. Und du hast keine Ahnung, was für ein schlechtes Gewissen ich deswegen hatte und immer noch habe. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass du gar nicht dieses verwöhnte reiche Mädchen bist, wie ich mir dich zuerst vorgestellt hatte. Ich weiß nicht mehr genau ab welchem Punkt, aber spätestens als du mir von deinem Bruder erzählt hast, habe ich dir gar nichts mehr vorgespielt. Ab da war alles echt, alles was ich gesagt habe war auch so gemeint.
Ich weiß, dass du nie wieder etwas mit mir zu tun haben willst und ich kann das auch verstehen. Aber ich wollte nur, dass du wenigstens die Wahrheit hinter der ganzen Sache erfährst.
Ich hoffe du kannst mich irgendwie verstehen, denn alles was ich damit erreichen wollte war, meinen Geschwistern ein besseres Leben zu ermöglichen. Da ich das aber alleine ohne deine Hilfe schaffen sollte, werde ich dich nicht weiter belästigen.
Ich hoffe wirklich, dass das was ich mit dir gemacht habe keine negativen Auswirkungen auf dich und dein Leben hat.
Vergiss mich am besten einfach.—
a/n:
Malus Klassenfahrt ist bald zu Ende wisst ihr was das heißt?👀Glaubt ihr Rio?
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Before Dawn
Teen FictionNatürlich nahm sie nicht an, ihr Leben würde perfekt werden. Das wäre schlichtweg dumm und naiv gewesen. Doch das erste Mal seit drei Jahren meinte sie zu glauben, das Glück wäre wieder auf ihrer Seite. Bevor sie es jedoch ergreifen kann, wird die...