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Das Mädchen mit den feurigen Haaren atmete tief durch. Sie musste sich wieder sehr anstrengen. Die alte Frau, die im Wald wohnt und sie ihre Kräuter sammeln und Tinkturen herstellen ließ, gab ihr keine Ruhe. Es war sehr warm, mitten im Hochsommer und sie hielt die Hitze kaum noch aus. Ihre Haare band sie sich zu einem hohen Zopf, damit ihre Haare nicht ganze Zeit im Gesicht klebten. Sie kniete auf dem dreckigen Boden und stützte nun ihre schon wunden und verdreckten Hände auf ihren Beinen ab. Mit ihrem Arm strich sie sich den Schweiß aus der Stirn. Sie sah sich ihr Werk an und war zufrieden mit dem Ergebnis. In einem großen Korb waren viele Kräuter in Bündeln aufeinander gelegt. Sie stand auf und streckte ihren Rücken durch, ehe sie den Korb nahm und zurück zu der kleinen Hüte in der Mitte des Waldes lief. Andere hätten sich sofort verlaufen, aber sie kannte den Wald sehr gut; sie ist in dem Wald groß geworden. Aber man muss auch sagen, dass sie sich am Anfang, als sie in den Wald kam, sich auch ständig verlaufen hatte und durch ihr lautes Weinen die Alte sie immer wieder gefunden hatte. Es kam ein kleiner Wind auf und sie war froh, dass sie kurz eine Abkühlung bekam. Im Wald hatte sie zwar Schatten und es war nicht so warm wie in der Sonne, genauso war es hier feuchter und kühler, dennoch war es im Wald auch sehr warm. Sie kam nach einer kurzen Weile an dem kleinen Häuschen aus Steinen, Schlamm, Lehm und Stöcken an. Die Alte wartete bereits auf sie und schlich langsam auf sie zu. Wenn sie nicht so alt wäre, wäre sie auf sie zu gerannt und hätte ihr den Korb aus der Hand gerissen, um sofort zu gucken, was und wie viel sie mitgebracht hatte. Aber sie war eine gebrechliche Alte, die schon viel durchgemacht hat und nur noch erschöpft vom Leben war. Das Mädchen lief an der Alten vorbei und stellte den Korb auf einem Baumstumpf ab. Die Alte kam sofort und lehnte sich etwas mehr auf ihren Krückstock ab, um besser in den Korb schauen zu können. Sie lehnte sich nach vorne und wollte ein paar der Kräuter raus holen. Das Mädchen wollte ihr etwas Halt geben, doch die Alte machte nur eine verscheuchende Handbewegung und sagte etwas säuerlich:"Ich schaff das schon alleine. Ich bin immerhin erst hundertsiebenundachtzig. Ich bin noch fit." Das Mädchen wich zurück und betrachtete die Alte sorgvoll. "Großmeisterin, du solltest dich wirklich nicht so anstrengen. Deine Knochen brechen immer leichter, deine Haare sind schon fast nicht mehr da, ich weiß das, auch wenn du sie, die letzten die du hast, unter diesem alten Lumpen versteckst. Deine Haut fällt immer mehr in sich zusammen und du schaffst es kaum noch aus deinem Bett. Lass mich das machen, du hast es mir oft genug gezeigt. Ich weiß, wie das geht." Die Alte sah sie empört an, als das Mädchen das sagte. "Na hör Mal, Mäd'l. Ich habe mehr Haare und weniger Falten als die meisten, die sechzig Jahre jünger als ich sind. Genauso bin ich gelenkiger und gesünder im Dasein. Du mit deinen siebzehn Jahren hast da noch kein Mitsprache Recht. Also lass mich Mal gucken, wie du deine Arbeit gemacht hast." Sie nickte, als sie alles betrachtet hat und sah zu dem Mädchen rauf, das etwa einen Kopf größer als die Alte war, dabei war sie selber gerade Mal eins sechzig. "Großmeisterin, du musst nicht immer nach gucken, ich mache meine Arbeit doch immer richtig." Die Alte sah das Mädchen bosshaft an. "Mäd'l, wenn du so denkst, dann bist du aber falsch getroffen. Wenn du nur einen Fehler machst, dann kann das Probleme geben. Also gucke ich immer nach, dann wird es auch keine geben. Du bist ein einfältiges Mädchen. Ein junges unerfahrenes, junges Ding. Du weißt nicht viel über die Welt. Du darfst keine Fehler machen." Das Mädchen verdrehte ihre Augen. "Das sagst du immer. Aber ich mache ja gar keine Fehler. Was bist du da denn immer so? Du siehst doch ganz genau, dass ich das kann." Bevor die Alte noch etwas erwidern konnte, ging das Mädchen ins Haus. Sie zündete sich eine Kerze an, da man durch das kleine verdreckte Fenster Licht viel Lichteinfall hatte. Ihre Hände taten ihr weh und sie hatte überall Blasen. Sie strich sich langsam über ihre Hände und da, wo die Blasen lagen, machte sie kreisende Bewegungen. Die Blasen schrumpften, bis sie eine weiche, reine Haut zurück ließen. Die Alte kam in dem Moment rein und als sie das sah, wurde sie furchtbar wütend. "Wie oft habe ich dir gesagt, dass du das nicht machen darfst? Niemand darf sehen, wie du das machst!", schrie sie das Mädchen an, welches sich erschrocken umdrehte. "Aber Großmeisterin, niemand ist hier. Wer sollte das schon sehen können?" Das machte die Alte nur noch wütender. "Wenn du das immer machst, dann wird es zur Gewohnheit, Gewohnheiten macht man immer, auch wenn jemand da ist, und dann bekommst du Schwierigkeiten! Das heißt, dass du einen Fehler gemacht hast und Fehler darfst du nun mal nicht machen!" Die Alte war aufgebracht. "Und jetzt raus mit die!" Das Mädchen ging, jetzt ebenfalls wütend, weil sie sich ungerecht behandelt fühlte, stampfend raus. Was sie nicht wusste, war der wahre Grund, weshalb sie raus sollte. Die Alte fasste sich an ihr Herz und machte große Augen. Sie setzte sich schnell auf den Holzstuhl, welcher direkt neben ihr stand und auf dem Tierfelle lagen. Ihren Arm stützte sie auf dem Tisch davor ab, der am Fenster stand. Draußen war gerade Wind, denn ein paar der Äste, die sausen am Haus wuchsen, schlugen gegen das Fenster. Die Alte wusste, sie hatte nicht mehr viel Zeit, sie musste dem Mädchen den Rest beibringen. Sie bekam einzelne Tränen, sie wusste, wenn sie erstmal tot war, würde sie das Mädchen nicht mehr beschützen können. Der Wind drang durch die offene Tür und ließ die getrockneten Kräuter, die an einem Strick hingen, welcher selber an einem Strick hing, wehen und die Alte, trotz der Hitze, frösteln. Ihr war klar, dass ihr der Wind damit mitteilen wollte, dass er bald ihre Seele mit davontragen würde. Sie musste mit dem Mädchen reden, das war jetzt das aller wichtigste.

BlutzauberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt