Zorn ist das Werk von Hass (1)

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Hört mir zu und schweigt für einen Moment und bedenkt meiner Worte.


Kinder, lasst mir euch erzählen, wenn die Göttin auf die Erde kommt.

Reife, lasst mir euch vortragen, wann die Göttin uns besucht.

Alte, lasst mir euch berichten, wenn die Göttin uns verlässt.

Lasst mich euch von der Geburt der Göttin unterrichten.


Wenn der Mond schweigt und die Sonne glüht,

Wenn der Lichtschein das Dunkle küsst

Und der Freund mit dem Feind liebt.

Dann wird der Tag sein, an dem die Göttin erwacht.

Wenn sie Schwingen bildet, die jedes Lebewesen betören,

Wenn sie ihr Herz entdeckt und sieht, wie dunkel es ist,

Wenn sie ihren Verstand emporholt und sieht, wie hell er ist,

Wenn sie jeden Mann besiegt, der ihre Stärke bedrängt.

Dann wird der Tag sein, an dem die Göttin geboren wird.


Nun, die meinem Wort lauschen, wann kommt die Göttin zu euch?


Wenn der Tag kommt, an dem ihr Körper die Erde berührt.

Mehr ist nicht zu sagen, über jene,

Mehr ist nicht zu freuen, über jene,

denn Jene wird kommen, wenn ihre Zeit es will.

Und die Zeit, steht nicht unter unserem Zeichen,

Denn Zeit bezieht ihre Kraft aus der Göttin,

wenn sie zu uns kommt,

und uns erlöst.


Und das alles, wenn die Göttin unter uns ist.

                                  Nevas Erwachen

                                  Sommer,3.123 nach dem Erwachen der Götter

Mit fast lautlosen Schritten huschten die Diener durch den riesigen Saal und tischten das genussvoll riechende Essen auf. Der penetrante Geruch umwob Melias feine Nase. Es duftete annehmbar, wie sie feststellen musste. Sie stand noch in der riesigen Tür, blitzend konnte sie ihr aufgehübschtes Ich in dem aufpolierten Gold der Tür spiegeln sehen, als die Sklaven eilig mit den Speisen an ich vorbei rauschten. Sie liebte das Funkelnde, doch so langsam konnte sie ihr ewiges Spiegelbild nicht mehr ausstehen. So perfekt und unwirklich es vor ihr stand, ihr penetrant vorzuschreiben schien, was und wer sie war, nicht betrachtend, wer sie sein wollte. Ihr hauchzart fließendes blondes Haar fiel ihr über die Schultern, kleine Lücken für die spitzen Ohren frei lassend.

 Mit Bedacht setzte sie ihren Fuß vorwärts. Sie trug nicht wie vorgeschrieben die hohen Hackenschuhe, sondern ihre geliebten Arbeitsstiefel. Vor ein paar Minuten war sie noch in den Stallungen bei Johann gewesen, sie war so vertieft in ihre Verpflichtungen, dass ihre Gedanken die Mittagsspeise fast vergessen hatten. Die Arbeitskleidung trug sie dementsprechend fortwährend unter ihrem leicht fallend weißen Gewand, das ihren Körper vor der Außenwelt abschied, dass verbergend, was sie niemanden sehen lassen wollte. Hastig hatte sie es sich überstreifen und die Gänge zum Saal durchstreifen müssen, jedoch war sie in keiner Weise außer Atem. Schwer hörte sie ihre bequemen Schuhe auf den Boden aufkommen. Mit einem Blick nach hinten stellte sie entsetzt fest, dass der Grund für das laute Geräusche der Dreck unter den Stiefeln war, der sich als klar sichtbare Schuhabdrücke den Boden benetzten. Wut schwellte in ihr auf. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können, dass sie nicht auf ihre Schuhe Acht gegeben hatte?

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