Noch ein Abenteuer

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Nach dem Frühstück machten wir uns alle auf den Weg zu Selina, die eben per Whatsapp Entwarnung gegeben hatte. Ihr Vater verbrachte mal wieder ein von der Kirchengemeinde organisiertes Wochenende in einem Kloster und war vor einer halben Stunde aufgebrochen. Perfekt für uns, verstand sich.

„Kommt rein", begrüßte sie uns keine zwei Minuten später, „wir sind alle im Wohnzimmer und planen, was wir heute machen wollen."

„Hallo!", rief ich in die Runde, nachdem ich das Wohnzimmer betreten hatte.

„Morgen", grüßte Fili zurück, „Elli, du hast sicher auch Lust, den ganzen Tag Sims zu spielen, oder?" Er sah mich flehend an, doch ehe ich eine Antwort geben konnte, mischte sich auch schon seine Mutter ein.

„Nein, Junge, du hängst viel zu viel am Kompjuter. Das ist nicht gut, davon bekommt man nämlich viereckige Augen."

„Oh man, Mutter, ich bin erwachsen", brummte der Zwerg beleidigt und erröte, als er unsere amüsierten Blicke bemerkte.

„Aber ich bin immer noch deine Mutter", erwiderte Dis streng, „Thorin, sag du doch auch mal was."

Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen, die Situation war einfach zu komisch. Thorin fühlte sich offensichtlich ein wenig unwohl, in die Erziehung seines schon erwachsenen Neffen miteinbezogen zu werden, deshalb lenkte er schnell ab: „Bilbo und ich haben uns ein wenig informiert über die Gegend. Es gibt hier anscheinend eine Tropfsteinhöhle, die würde ich gerne einmal sehen. Die Bilder, die der Kompjuter angezeigt hatte, sind von außergewöhnlicher Schönheit und ich würde sie wirklich gerne einmal von innen sehen."

Eine Tropfsteinhöhle im Dezember besuchen. Auf so eine Idee war ich wirklich noch nie gekommen. Aber an sich kein schlechter Plan.

„Sie bieten sogar eine Führung an", fügte nun Bilbo hinzu, „heute um elf Uhr. Schaffen wir das theoretisch noch?"

„Theoretisch ja", gab ich zu, „aber sind die anderen überhaupt damit einverstanden? Ich wäre auf jeden Fall dabei."

„Wir auch", riefen Fili und Kili im Chor, selbstverständlich waren dann auch Selina und ihre Schwiegermutter in Spe dafür. Legolas und Thranduil blickten sich länger an, doch irgendwann seufzte der Elbenkönig: „Nun gut. Die Höhle befindet sich in einem Wald, nehme ich an. Dann kommen wir auch mit."

„Ich will auch mit!", rief Matteo aufgeregt, „Tropfsteinhöhlen sind voll geil!"

„Ich habe ehrlich gesagt keine große Lust", entschuldigte sich Gandalf, „ich war vor einigen Jahren schon einmal in dieser Höhle und habe in Erinnerung, dass ich mich viel bücken musste damals. Das macht fürchte ich mein Rücken nicht mit, ich habe zur Zeit etwas am Ischias."

„Du wirst alt", grinste Legolas frech, was ihm einen strengen Blick seines Vaters einbrachte. „So redet man nicht mit Senioren, wer hat dich denn erzogen?", fragte er ärgerlich und lief prompt rot an, als ihm wohl einfiel, dass er derjenige gewesen war.

„Kein Problem", lachte Gandalf, „er hat ja recht. Ich bin tatsächlich nicht mehr der Jüngste."

„Wie sieht es mit euch aus?", wandte ich mich an Tom und Tauriel. Mir war aufgefallen, dass die beiden ziemlich still waren. Vor allem die Elbin macht einen ziemlich unsicheren Eindruck auf mich. Sie knabberte nervös an ihrer Unterlippe und blickte fast schon ängstlich auf den Boden.

„Was ist denn mit der los?", wunderte sich auch meine Freundin, doch da begann Tauriel auch schon:

„Wir können leider nicht mit, wir müssen auf Lerina aufpassen. Ich glaube, sie ist noch zu klein für ein solches Abenteuer."

Da konnte sie recht haben. Aber das war wohl kaum der Grund für ihr seltsames Verhalten. 

"Lasst uns dann am besten gleich los, oder?", freute sich Bilbo, "Ich würde sagen, wir ziehen uns warm an und treffen uns danach hier. Dann können wir zum Bahnhof laufen. Dort fährt in einer halben Stunde ein Bus zum Wanderparkplatz, von dem wir die Höhle erreichen können."

Wow. Bilbo hatte sich ja richtig informiert. "Perfekt", lobte ihn auch Selina, "wie sieht es mit Essen aus?"

Sofort begannen die Augen des Hobbits zu leuchten. "Es gibt ein Gasthaus daneben", verkündete er strahlend. 

"Gut, dann brauchen wir nur wenige Snacks", stellte ich erleichtert fest, "wir sehen uns dann später." 

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"Willkommen in der Engelshöhle", begrüßte uns der freundliche Führer, der sich als echter Geologe entpuppte. Okay, ich weiß, eigentlich sollte ich ihn nicht Führer nennen. Aber wie denn dann? Tropfsteinhöhlenerklärer? Auch egal. 

Tatsächlich war es wohl noch ein Geheimtipp, im Winter eine Höhle zu besuchen. Außer uns war nur ein junger Mann mit zwei kleinen Kindern da, die sich dick eingemummelt aneinander gekuschelt hatten. "Die Frau hat voll schöne Haare", flüsterte nun das Mädchen und zeigte dabei auf Thranduil, dem das freundliche Lächeln, das er zur Tarnung aufgesetzt hatte, sofort aus dem Gesicht kippte. Kichernd folgten wir dem Führer durch den zugegeben recht engen Eingang in die Höhle. Staunend sah ich mich um. Faszinierend, wozu die Natur alles im Stande war. Auch den Mittelerdlern schien die Höhle ehrlich zu gefallen, alle blickten sich gerührt um und folgten gespannt den Auskünften des Geologen, der uns einen groben Überblick über die Entstehung der Höhle gab. Wir liefen vorbei an Stalaktiten und Stalagmiten, glitzernden Gesteinsadern und wagten uns immer tiefer in die Höhle vor, bis uns der Führer irgendwann zur Umkehr aufforderte. Schade. Ich fand Höhlen schon immer cool, Höhlenforscher war früher mein Traumberuf gewesen. 

"Es ist wunderschön hier", flüsterte mir Legolas zu und ich nickte zustimmend. 

"Ich freue mich aufs Gasthaus", hörte ich Bilbo wispern und musste unwillkürlich grinsen. Ich liebte ihn einfach dafür, dass er genauso verfressen war wie ich. 

Oh du fröhliche... Weihnachten mit MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt