Schneechaos am Start

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Dienstag, der 10. Dezember 2019

Ich war ein Teejunkie. Drei Tassen pro Tag waren das absolute Minimum für mich. Es gab an sich nichts besseres, als einen großen Becher voll Schlaf- und Nerventee von DM kurz vorm Schlafengehen. Eigentlich war so ein großer Tee eine tolle Sache, doch leider hatte er einen großen Nachteil – es war drei Uhr nachts und ich musste aufs Klo. So leise es ging erhob ich mich von meinem Bett und schlich im Dunklen aus meinem Zimmer durch den Flur ins Bad.

Nachdem ich meine Hände gewaschen hatte, warf ich noch kurz einen Blick aus dem Fenster. Schließlich war ja das große Schneechaos angekündigt worden. Im Licht der Straßenlaterne glitzerte unser Garten herrlich grün. Ich verdrehte die Augen. Von wegen Schneechaos. Nicht mal auf den Hügeln in der Ferne konnte ich etwas weißes glitzern sehen, anscheinend hatte es nicht mal dort geschneit. Schade. Dann hatte ich wohl doch kein schulfrei. Ein Grund mehr, wieder zurück ins Bett zu gehen.

Also schlüpfte ich so schnell wie möglich zurück ins Bett und kuschelte mich zurück in die Decke, die zum Glück noch immer angenehm warm war. Nachts entwickelte ich mich stets zu einer menschlichen Heizung, was im Sommer zwar nervig war, ich im Winter jedoch wirklich zu schätzen wusste.

Als ich das nächste Mal erwachte, war es bereits zwei Minuten vor sechs. Eigentlich konnte ich dann direkt aufstehen, zwei Minuten fühlten sich an manchen Morgen vor der Schule an wie zwei ganze Stunden. Ich zog mir einen Hoodie über und blickte noch einmal nach draußen. Tatsächlich schneite es jetzt. Zwar nur winzige Flocken, und der Schnee blieb kaum liegen, aber immerhin, es schneite.

In der Küche erwartete mich bereits Legolas, der am Herd stand. „Ich habe Poridsch gekocht, das magst du angeblich."

Warmer Haferbrei am Morgen – es gab kaum besseres für mich.

„Danke, du bist der beste", freute ich mich und fiel ihm um den als. Also Leggy natürlich, nicht dem Porridge.

„Ich weiß", erwiderte er und grinste, „jetzt lass uns aber essen, du siehst hungrig aus."

Da hatte er tatsächlich recht. Mann, er kannte mich einfach zu gut. Aber gutes Essen war die einzige Motivation, die mich morgens zumindest halbwegs aus dem Bett holte. Während Legolas den Tisch deckte, bereitete ich uns zwei große Tassen Kaffee zu. Kaffee war das andere Wundermittel, ohne das ich keinen Morgen überleben würde.

Nach dem – echt gelungenen – Frühstück verschwand ich kurz im Bad, ehe ich mir noch ein Joghurt in den Rucksack packte und dann schweren Herzens das Haus verließ. Es schneite noch immer winzige Flocken und mittlerweile hatte sich sogar eine leichte Schneedecke gebildet. Die war zwar nicht mal einen halben Zentimeter hoch, aber wenn es den ganzen Tag schneien würde, war es durchaus möglich, dass wir Schlitten fahren gehen konnten.

Selina und Kili warteten bereits auf mich.

„Wie war die Fahrstunde mit Markus?", erkundigte ich mich besorgt, meine Freundin verzog das Gesicht. „Grauenvoll. Er muss echt einen schlechten Tag gehabt haben, er hat mich bei jeder Kleinigkeit angeschrien und mir quasi durchgehend ins Lenkrad gegriffen."

Also echt. Der Typ hatte anscheinend echt den Beruf verfehlt.

„Wir müssen uns irgendwann an ihm rächen", meinte ich düster, „der Kerl versaut dir ja deine ganze Ausbildung!"

Während wir zur Bushaltestelle liefen, malten wir uns aus, wie wir diesem blöden Fahrlehrer am besten eins auswischen konnten. Kili war dafür, sein Auto anzuzünden oder wenigstens zu zerkratzen. Selina wollte auf jeden Fall eine schlechte Rezession bei Google Maps verfassen und ich nahm mir vor, unbedingt bei einer anderen Fahrschule anzufangen und nebenbei all meine Bekannten vor Sels zu warnen.

Mittlerweile waren wir bei der Haltestelle angekommen, an der bereits einige Schüler herumstanden. „Der Bus kommt sicher bald", meinte Selina, „so spät wie wir immer loslaufen..."

Doch auch nach fünf Minuten war nichts vom Bus zu sehen. Seltsam. So spät war er noch nie gekommen. „Hoffentlich kommt er noch ein bisschen länger nicht", kicherte ich, „wir verpassen ja eh nur eine Stunde Musik." Und es war ja wohl klar, dass Musik ein absolut unnötiges Fach war.

Der Bus ließ immer noch auf sich warten. Mittlerweile verschwanden die ersten Schüler schon, um sich von ihren Eltern fahren zu lassen oder blau zu machen.

„Alter, es ist schon sieben Uhr achtundvierzig!", rief Selina überrascht, als nur noch wir drei an der Haltestelle rumgammelten, „Ich glaube, der Bus kommt nicht mehr. Und mein Vater meinte vorhin noch, er könnte mich auf dem Weg zu seiner Schule mitnehmen... "

Ich warf einen kritischen Blick auf die Strafe. Es lag hier kein halber Zentimeter Schnee, das würde der Bus wohl schaffen, oder? Aber andererseits, er war bereits zwölf Minuten zu spät und wir sprachen hier schließlich vom deutschen Nahverkehr. Da waren solche Blamagen ja eigentlich Standard.

„Was machen wir?", fragte Kili, „laufen wir zu Tom und bitten ihn, euch beide in die Schule zu fahren?"

„Können wir", erwiderte ich und meine Augen begannen abenteuerlustig zu funkeln, „oder, wir warten einfach bis fünf nach acht, bis er selbst unterwegs ist und uns leider niemand mehr zur Schule fahren kann..."

„Das gefällt mir", grinste Kili, „ein Tag schulfrei für euch, warum nicht?"

„Das ist der Plan", lachte Selina und ließ sich auf die Bank fallen, die vor dem Schneefall geschützt unter der Überdachung der Haltestelle lag, „ich mache es mir hier erst mal bequem. Wir müssen schließlich noch ein bisschen warten..." 

Oh du fröhliche... Weihnachten mit MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt