Bescherung 2.0

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Donnerstag, der 26. Dezember 2019 

Als ich die Augen aufschlug, war es noch still im Haus. Selbst Legolas lag auf meinem Sofa und hatte die Augen geschlossen. Krass, heute war ich wirklich mal eher auf als er. Dass ich das mal erleben sollte... 

Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir, dass es erst kurz vor Sieben war. Trotzdem war ich irgendwie schon ziemlich wach und hatte keine Lust, länger liegen zu bleiben. Stattdessen konnte ich mir ja auch etwas zu essen holen. Leise erhob ich mich und schlüpfte in Jogginghose und Hoodie, was über dieses Weihnachtsfest irgendwie zu meinem Standardoutfit geworden war. 

Auch im Flur war nichts zu hören bis auf Bilbos leises Schnarchen, das durch die Schlafzimmertür drang. Ich kicherte leise und schlich dann die Treppe nach unten. Die Küche lag fast schon beängstigend sauber vor mir. Thranduil hatte wirklich wie ein Besessener geputzt, die Fliesen waren blitzblank geschrubbt worden und selbst der Wasserhahn aufs Feinste poliert.

Ich hatte sofort Angst, irgendetwas wieder schmutzig zu machen. Hier war es gerade wohl steriler als in einer Zahnarztpraxis... Irgendetwas sagte mir, dass mich der Elbenkönig töten würde, wenn ich hier auch nur den kleinsten Krümel hinterlassen würde. Schon gestern Abend war Tom extra Sushi holen gegangen, damit wir die Küche nicht mehr in Anspruch nehmen mussten... 

Ich wollte kein Risiko eingehen, meinen 18. Geburtstag nächstes Jahr vielleicht nicht mehr zu erleben und verließ die Küche schnell wieder. Stattdessen schnappte ich mir aus dem Vorratsraum eine Packung Schokocornflakes und machte es mir am Esstisch bequem. Dort hatten Bilbo und Thorin geputzt, die waren mir sicher nicht so böse wie Thrandy, wenn ich etwas schmutzig machen würde. 

Als ich eine Portion Cornflakes verputzt hatte, standen auf einmal Fili und Kili in der Tür. 

"Guten Morgen!", begrüßte ich die beiden und hielt ihnen die Packung hin, "Hunger?" 

Kili grinste und hockte sich zu mir. "Immer doch", meinte er und schob sich eine Handvoll in den Mund, "isch liebe Kornfläks!"

Auch Fili bediente sich, bis wir die Packung zur Hälfte geleert hatten. 

"Ich würde sagen, wir lassen den anderen noch etwas übrig", lachte ich und lehnte mich zurück, "ich bin sowieso satt..." 

Gegen zehn Uhr klingelte es endlich. Das mussten mein Vater, Dis und Gandalf sein! Kili, Fili und ich rannten zur Tür und öffneten. Tatsächlich standen die drei lächelnd vor uns. Dis und mein Vater sahen zwar etwas müde, aber dennoch normal aus. Was man von Gandalf nicht sagen konnte. Der Zauberer hatte das lange graue Haar, das seltsamerweise von ein paar lila Strähnen durchzogen war, zu einem Messy-Dutt hochgebunden und bunte Glitzerperlen im Bart.

„Schön euch zu sehen!", begrüßte ich die Neuankömmlinge und versuchte, Gandalf nicht zu sehr anzustarren. Was hatte er denn bitte getrieben? Er ließ es in Deutschland wohl öfter krachen, als ich es mir vorgestellt hatte...

„Guten Morgen!", meinte mein Vater und Dis nahm erst Fili, dann Kili in den Arm.

„Schön, euch wieder zu sehen, Jungs", seufzte sie, „ich hatte schon Angst, ihr würdet etwas dummes anstellen, während ich weg bin. Aber solange du nur deinen Bart entfernt hast, ist ja alles gut!"

Sollten wir ihr vielleicht von der Sache mit dem Förster erzählen? Und dass Kili nun ein gesuchter Verbrecher war? Das sollten wir wohl besser auf später verschieben, sie sah gerade so erleichtert aus. Die Tatsache, dass ihr Jüngster ein gemeingefährlicher Umweltzerstörer war, würde ihre gute Laune nur unnötig trüben.

Die anderen waren inzwischen eingetreten und hatten sich aus ihren Mänteln und Stiefeln befreit.

„Schlafen die anderen noch?", fragte Gandalf verwundert, „ich hoffe nicht, ich wollte meine Geschenke verteilen!"

Geschenke? Von Gandalf? Der Tag wurde ja immer besser!

„Ne, die sind alle oben und chillen", meinte Selina, „ich hole sie schnell, okay? Aber zuerst, Gandalf, was ist mit deinem Style passiert?"

Da war ich nun wirklich auch gespannt, nur hatte ich mich nicht getraut, diese Frage so direkt zu stellen. Vielleicht hätte es Gandalf ja verletzt...

Doch der Zauberer lachte nur: „Naja, das passiert, wenn man an Heiligabend zu viel bechert und sich dann von einer Fünfjährigen die Haare machen lässt..."

Wie mir mein Vater später erklärte, war die Nichte ihres gemeinsamen Freundes über Weihnachten dabei gewesen. Die Kleine hatte sofort einen Narren an Gandalfs Haaren und Bart gefressen und dann, als er schon ziemlich beschwipst auf dem Sofa gehockt war, ihr Frisörset ausprobiert. Für Puppen, versteht sich. Aber die bunten Perlen und Fake-Strähnchen hielten offensichtlich auch in Zauberer-Haar. Und das besser als erwartet...

Aber zunächst wollte der Hippie-Zauberer seine Geschenke verteilen. Damit lockte er endlich auch die anderen aus ihren Zimmern hervor, und wir saßen wenig später alle im Wohnzimmer zusammen, wo Gandalf seine Gaben hervorholte. Für Bilbo und Thorin hatte er neues Pfeifenkraut aufgetrieben, was die beiden Kiffer logischerweise sehr freute. Thranduil erhielt eine Zwei-Liter-Flasche Rotwein, sein Sohn und die beiden anderen Zwerge je ein Fünf-Liter-Bierfass. Ich war schon gespannt, welches Genussmittel er für mich dabei hatte. Vielleicht auch Gras? Das aus dem Auenland war sicher ökologisch biologisch korrekt, und damit kaum eine Droge. Eher Gemüse.

Aber erst einmal kam Tauriel dran. Für sie und Tom hatte er einen Thermomix erworben, den vor allem die Elbin sehr verwirrt anstarrte. Sie bedankte sich jedoch sofort dafür, und auch mein Bruder lächelte, wenn auch etwas gequält.

„Für die Kinder", erklärte Gandalf, „habe ich natürlich etwas, das ihrem Alter entspricht."

Schade. Das bedeutete wohl, dass ich auf Pfeifenkraut verzichten musste. Stattdessen bekamen wir jeder einen riesigen Korb, randvoll gefüllt mit den verschiedensten Süßigkeiten.

„Danke!", freute ich mich, „Das reicht sicher bis Ostern! Jetzt müsst ihr aber mal die Küche bewundern, die Thranduil geputzt hat. So sauber war sie seit dem Einzug nicht mehr!" 

Oh du fröhliche... Weihnachten mit MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt