Kili, der Umweltzerstörer

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„Habt ihr den Baum vergessen?", begrüßte uns Bilbo lachend, als wir – alle noch etwas außer Atem – in die Küche kamen, wo der Hobbit gerade am Herd stand und in einem Topf rührte.

„Uns kam leider etwas dazwischen", meinte ich düster, „und zwar ein bewaffneter Jäger samt Touristengruppe, die sich für die hiesige Flora und Fauna interessiert."

Bilbo blickte uns mitleidig an. „Das klingt nach Ärger", erwiderte er und verzog das Gesicht, „falls es euch aufheitert, ich koche gerade Chili mit – ähm – Sojahack."

Das richtige Essen rettete mir schon mal den Tag, und ich fiel dem Hobbit dankbar um den Hals. „Danke, Bilbo. Du bist meine Rettung!" Er errötete leicht und widmete sich dann wieder seinem Topf, aus dem es schon verführerisch duftete.

Inzwischen waren auch Selina, Thrandy, Matteo und Fili aufgetaucht, und natürlich wunderten auch sie sich, wo wir denn unsere Tanne gelassen hatten. Wir erzählten also noch einmal alles von vorn, nur Kili übertrieb bei seinem Treffen auf den Jäger ein wenig.

„Er war sicher zwei Meter groß und hat sein Maschinengewehr genau auf mich gerichtet!", berichtete er mit weit aufgerissenen Augen, „und dann hat er gesagt 'Stehen bleiben oder ich schieße!' Ich sah schon mein ganzes Leben an mir vorbeiziehen, aber in letzter Sekunde wurde der Jäger von einer seiner Begleiterinnen abgelenkt und ich konnte gerade noch ins Gebüsch fliehen. Das war vielleicht ein Schock..."

Mittlerweile war zum Glück das Chili fertig und wir machten es uns am Küchentisch bequem. „Du kochst auch so gut, Bilbo", seufzte Tauriel, „selbst Lerina schmeckt es." Die kleine saß tatsächlich in ihrem Kinderstuhl und schaufelte einen Löffel nach dem anderen mehr oder weniger unfallfrei in ihren Mund. Zwar war ihre Nasenspitze voller Soße, aber ansonsten konnte man über ihrer Tischmanieren wirklich nicht meckern.

„Sie lernt ganz schön schnell", meinte auch Thorin anerkennend, „bald kann sie bestimmt auch schon laufen!"

Nach dem Essen kümmerte sich der Zwergenkönig um den Abwasch, als Entschuldigung dafür, dass er Kili in seinem Schreck das Tatwerkzeug, also die Axt, in die Hand gedrückt hatte. Wir anderen wollten eben beraten, wie wir doch noch einen Weihnachtsbaum bekommen konnten, als uns Thorin zurückrief.

„Freunde, ich glaube, wir sind im Radio!", schrie er überrascht, „Kommt alle mal her!" Mein Bruder hatte vor ein paar Minuten das Radio eingeschaltet, um den Wetterbericht zu hören und Thorin schaffte es anscheinend nicht, es abzustellen.

„Wieso sind wir im Radio?", rief ich überrascht und hörte genaue hin.

Der Radiomoderator der Mittagssendung sagte eben: „... eigentlich ist dies kein Problem. Heute Vormittag jedoch hat ein junger Mann selbst in einem Naturschutzgebiet nicht vor dem Griff zur Axt halt gemacht. Der Jäger Gregor Hammel, der eine Wanderung angeführt hat, hat den Übeltäter auf frischer Tat ertappt!"

Fuck! Kili neben mir war schneeweiß angelaufen. „Oh Gott, ich bin ein gesuchter Verbrecher", stieß er ungläubig hervor und klammerte sich an Selinas Arm, „wie soll ich das Mutter erklären?"

Der Moderator fuhr fort: „Laut Zeugenaussagen handelt es sich um einen knapp 1,70 Meter großen Mann südländischer Herkunft. Herr Hammel teilt mit, dass der Umweltzerstörer kein Deutsch gesprochen habe, er hätte einen fremdsprachigen Fluch ausgestoßen, ehe er die Flucht ergriffen hatte. Auch ist nicht genau klar, in welcher geistigen Verfassung sich der Mann befindet. Wenn Sie also einen jungen Mann um 1,70 Meter mit schulterlangen dunklen Haaren und Bart sehen sollten, der kein Deutsch spricht, zögern Sie nicht und wenden sich an die örtliche Polizei. Es gibt ja so viele schlechte Menschen auf der Welt... Jetzt aber weiter, George Michael steht schon in den Startlöchern mit seinem Dauerbrenner Last Christmas!"

Die nächsten Sekunden sagte keiner etwas. Wir blickten uns nur fassungslos an, bis es natürlich geschehen musste. Fili brach in schallendes Gelächter aus. „Du... du alter Umweltzerstörer!", prustete er, „Ich mache mir Sorgen um deine geistige Verfassung!"

Tom hatte inzwischen das Radio abgestellt und grinste in die Runde. „Kili, du solltest dich in nächste Zeit wohl besser nicht draußen blicken lassen. Oder du schneidest deine Haare, das wäre auch eine Möglichkeit."

Der Zwerg hatte sich von seinem Schock erholt und seufzte. „Jetzt bin ich also eine kleine Berühmtheit... Aber immerhin denkt man, ich verstände kein Deutsch. Ich habe einen Fluch benutzt, den mir Mutter immer verboten hat..." 

Oh du fröhliche... Weihnachten mit MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt