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𝐸𝑖𝑔ℎ𝑡- 𝐷𝑒𝑠𝑝𝑎𝑖𝑟


„Geht es dir nicht gut, Tae?"

Seufzend beobachtete Taehyung die Regentropfen, die langsam die große Fensterfront vor ihm hinunter glitten. Elegant liefen sie über die Fensterscheibe, zogen manchmal schwungvolle Linien und wuchsen, wenn sie einen weiteren Tropfen auf ihren Weg fanden. Sie zerschmolzen ineinander, liefen dadurch nur fiel schneller hinab. Taehyung beobachtete völlig in Gedanken dieses Spiel. Oder waren seine Gedanken viel eher gähnend leer?

„Taehyung? Huhuu, Erde an Taehyung!"

Erst als eine Hand vor seinem Gesicht winkte, erschrack der junge Mann aus seinen Gedanken. Erschrocken sog er die Luft ein, hob seinen Kopf an, welchen er vorher auf seine Handfläche gestützt hatte. Sofort suchten seine Augen die, dessen seine Aufmerksamkeit schon die ganze Zeit gesucht hatten. Seokjins. Seokjin hatte sich nicht umsonst mit Taehyung in diesem Café getroffen. Die beiden Freunde wollten sich eigentlich unterhalten, dabei ihren Kaffee und ein Stück Kuchen dazu genießen. Taehyung allerdings war mit seinen Gedanken ganz wo anders, als sich mit seinem alten Freund zu unterhalten. Ständig schweiften seine Gedanken zu dem Schwarzhaarigen in seiner Wohnung. Der viele Blutverlust und die Anstrengung hatten ihn viel Kraft gekostet. Er schlief. Er schlief seit der Sache gestern Abend. Zugegeben, Taehyung war sehr erleichtert darüber gewesen. In dieser Nacht hatte sich der junge Assistenzarzt nicht mal getraut die Augen zu zumachen. Er hatte sich in sein Schlafzimmer eingesperrt und fand einfach kein Schlaf. Auch wenn er ganz genau wusste, dass der Kriminelle nicht aufstehen konnte, drehten sich seine Gedanken die ganze Nacht darum, was passierte, wenn doch? Es war außer Frage gewesen. Der Körper des Schwarzhaarigen war zu geschwächt. Es stand 1 zu 99 dass er es überhaupt geschafft hätte seine Augen zu öffnen. Dennoch.. Diese Ungewissheit blieb.

Seinen freien Morgen verbrachte Taehyung damit seine Wohnung zu putzen. Er ärgerte sich, es nicht schon gestern Nacht getan zu haben. Das Blut war angetrocknet und somit schwieriger wieder ab zu kriegen wie als wenn es noch frisch gewesen wäre. Doch Taehyung hatte sich nur noch nach seinem Bett gesehnt. Sinnlichster als nach ein wenig Schlaf ging es gar nicht mehr.

Ungläubig hatte er danach den Schwarzhaarigen beobachtet. Skeptisch stand Taehyung an seiner Anrichte gelehnt, mit einer Tasse Kaffe in den Händen und musterte den schlafenden Mann. Aus seiner offnenen Küche hatte er den perfekten Blick auf diesen. Taehyung hatte immer noch gehofft das alles wäre nur ein böser Traum gewesen. Nur leider entsprang dies lediglich seinen Wünschen. Es war alles echt gewesen. Alles von den albtraumhaften Szenarien war wirklich passiert und er fragte sich, wieso er nicht einfach die Polizei verständigt hatte? Das wäre die Chance gewesen um alles zu erklären. Auch die Erpressung, die aus Jeons Munde gekommen war. Einfach alles. Jeon hätte es nicht einmal mitbekommen.

Je doch war da etwas in Taehyungs Inneren, die ihn davon abgehalten hatte. Er konnte nicht. Er konnte einfach nicht. Egal wieviel dafür sprach. Es sprach immerhin alles dafür es zu tun! Er sollte diesen Mann so schnell wie möglich aus seinem Leben schaffen. Wer wusste, was für ein Pech ihm der Schwarzhaarige sonst noch gebracht hätte?

Nur war Taehyung kein Verräter. Er hatte dem Schwarzhaarigen versprochen ihn gesund zu pflegen und danach war ihre Abmachung beendet. Vielleicht ging auch einfach nur zu viel in Taehyungs Kopf vor und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte? Überfordert. Er war maßlos Überfordert mit dieser Situation. Er hatte nicht die geringste Ahnung wie er sich daraus boxen sollte. Das einzige worauf er hoffen konnte, war, dass der Kriminelle sein Wort hielt und danach ein für alle Mal verschwand.

Wieso klang alleine die Wortwahl dieses Satzes so unfassbar unglaubwürdig und schwachsinnig?

Es war doch zum Kühe melken..

Um nicht unhöflich zu sein, richtete Taehyung seine Aufmerksamkeit zurück auf seinen alten Freund und räusperte sich. Kurz befeuchtete er seine Lippen mit seiner Zunge, ehe er zu Sprechen begann.

„Tut mir Leid, es ist im Moment einfach so viel in meinem Kopf, Hyung.."

Seokjin nickte verstehend. Er hatte schon immer viel Verständnis. Egal worum es ging. Er war eben wahrhaftig ein guter Freund. Niemand, auf den man jemals verzichten konnte. Am wenigsten Taehyung. Er konnte mit dem Älteren immer über alles reden. Seokjin hörte immer zu. Egal was war. Das hatte er schon immer sehr an dem jungen Lehrer geschätzt. Er war eine gute Seele. Andere konnten sich eine gewaltige Scheibe davon abschneiden. Da Taehyung das pure Böse zuhause auf seiner Couch liegen hatte, konnte er etwas positive Energie wirklich gut vertragen.

„Du arbeitest auch viel zu viel, Taehyung."

Ernst blickte der Ältere den Brünetten an, welcher leise vor sich her seufzte und seine Kaffeetasse mit beiden Händen umschloss. Sofort fing der heiße Kaffee seine kalten Finger zu wärmen an. Ach jaa, wenn Seokjin doch nur wüsste..

„Du solltest dir mal eine Pause und Zeit für dich gönnen. Man vernachlässigt sich selbst immer viel zu sehr, denkt zu viel an andere. So bist du eben auch Tae. Du bist ein viel zu guter Mensch.", tadelte ihn der junge Lehrer, weswegen Taehyung ein weiteres Mal seufzte. Er hatte die Tasse an seine Lippen gesetzt, nahm einen Schluck von dem pechschwarzen Gebräu und nickte langsam.

„Keine Sorge, Jin. Ich bin am Überlegen ob ich mir die nächste Woche frei nehme."

Könnte es verdächtig sein wenn Taehyung dies vorhatte? Oder wurde er langsam aber sicher paranoid? Immerhin hatte er nun wirklich etwas mit dem Verbrecher zu tun. Hatte er andererseits eine Wahl? Diese ganzen Fragen hatten ihn die ganze Nacht beschäftigt. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Sein Kopf tat schon genug von dem vielen Nachdenken weh.

„So viele Überstunden wie du haben musst, Tae.. Ich frage mich, wieso du das nicht längst getan hast."

Der Ältere zuckte mit den Schultern, was Taehyung unkommentiert ließ. Sein Blick schweifte nach unten. Das Stück Kuchen hatte er nicht einmal angerührt. Es lag immer noch unversehrt auf dem schicken Teller. Appetit hatte der Brünette nur leider nicht. Heute Morgen hatte er sich schon dazu zwingen müssen etwas zu essen. Langsam senkte er seine Tasse, stellte sie zurück auf den Tisch und schaute in ihr Inneres. Sein Gesicht wurde mit leichten wellen Bewegungen in dem Pechschwarzen wieder gespiegelt..

˞🃟˞

Taehyung wusste er musste früher oder später in seine Wohnung zurück. Am liebsten wäre er in den nächsten Zug gestiegen und weit, weit weg gefahren. So lange bis der Schwarzhaarige von alleine wieder verschwand und er beruhigt in seine Wohnung zurückkehren konnte. Nur leider konnte Taehyung nicht einfach abhauen. Er musste zurückkehren und das fiel ihm schwieriger als gedacht.

Jeder Schritt die Treppen hinauf in dem stillen Treppenhaus fühlte sich wie eine Folter an. Es wurde immer schwieriger und als er dann endlich vor seiner Haustür stand, den Schlüssen ins Schloss steckte, atmete er noch einmal tief durch.

Okay, du schaffst das Taehyung..

Langsam drehte er seinen Schlüssel rum, die Tür öffnete sich. Mit vorsichtigen Schritten ging er in seine eigene Wohnung, schaute sich einmal richtig um bevor er die Haustür hinter sich schloss. Danach befreite er sich von seinen Schuhen und seinem Mantel. Sein Schlüssel legte sich zurück in die Schüssel auf seiner Kommode. Dieser Moment kam ihm unangenehm bekannt vor.

„Du warst so lange weg, Doc. Wolltest du mich etwa ewig warten lassen?" 



Frohes neues Jahr meine Lieben 

𝖯𝖨𝖳𝖢𝖧 𝖡𝖫𝖠𝖢𝖪 - 𝗄𝗈𝗈𝗄𝗏 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt