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𝑇𝑤𝑒𝑛𝑡𝑦-𝑠𝑡𝑟𝑎𝑛𝑔𝑒 𝑓𝑒𝑒𝑙𝑖𝑛𝑔

Jungkook grinste.

Das Gesicht seines ehemaligen Gastgebers hatte ihn zu tiefst amüsiert. Er liebte es. Er liebte es die Menschen dort draußen zu überfordern und in einer endlosen Verwirrung zurückzulassen. War es nicht vielleicht sogar genau das, was er am besten konnte? Mit anderen zu spielen und sie danach einfach sich selbst zu überlassen. Taehyungs Kopf musste voll mit lauter Fragen sein. Fragen, die er sich niemals selbst beantworten konnte und Fragen die ihn die nächsten Nächte quälten. Die Ungewissheit, die ihn Nachts heimsuchte und sich die Frage stellte, ob Jeon eines Tages zurück kommen würde. Ob er ihn beobachtete damit er brav seinen Mund hielt.

Ob Jungkook ihn nicht doch irgendwann töten würde.

Leise vor sich her lachend, steckte Jungkook seine Hände in die Pullovertasche. Er hatte die Kapuze über seinen Kopf gezogen und spazierte den langen Flurgang entlang. Zugegeben, sein Körper fühlte sich noch nicht ganz fit an aber die Wunden, die ihm seine Entführer vor Tagen zugefügt hatten, ließen sich nicht von heute auf morgen wegzaubern. Davon würde er noch einige Zeit etwas von haben. Doch kannte er es anders? Jungkook besaß so viele Narben auf seinem Körper. So viele Narben, die er selbst nicht mal mehr zählen konnte. Narben, die ihm zu dem gemacht hatten, der er heute war und Narben über die er jetzt nur noch lachen konnte.

Wieso er dem Doc tatsächlich nichts getan hatte?

Wieso sollte er?

Taehyung war ein Schisser. Dieser hatte in seinem Leben sicherlich nie etwas unrechtes getan. Nicht mal ein lausiges Kaugummi geklaut. Wahrscheinlich war er in der Schule ein Streber gewesen, der sich von anderen einschüchtern ließ und seine Stimme nie gegen jemanden erhob. Auch wenn er deutlich Gegenwehr zeigen konnte und Jungkook selbst die Stirn bot. Dieser Mann hätte Jungkook niemals verpfiffen. Viel zu sehr hatte er Angst, er könne ihm oder seiner Familie etwas antun. Immerhin kannte Jungkook nun seinen Bruder und dieser war sehr Mitteilungsfreudig gewesen. So dumm war Taehyung nicht. Er hätte schön die Klappe gehalten um niemand anderen in Gefahr zu bringen. Jungkook konnte es sehen, in seinen Augen.

Die Mühe war es daher nicht wert gewesen. Zudem lösten manche Probleme sich wie von selbst.

So wie Jungkook gerade feststellen musste sogar schneller als gedacht.

Gerade als Jungkook um die Ecke biegen wollte, hörte er Schritte. Schnelle, gezielte Schritte. Die Schritte kamen nicht nur von einer Person, sondern höchstwahrscheinlich von zwei. So wurden seine eigenen Schritte langsamer. Als er dann plötzlich noch das Entriegeln einer Waffe hörte, war sich Jungkook ziemlich sicher wer sich hier näherte. So drückte er sich selbst gegen die Wand und ging auf die Knie. Er tat so als würde er sich die Schuhe zusammenbinden, während die zwei Männer um die Ecke kamen und genau an ihm vorbeizogen. Viel zu starr und konzentriert auf ein alleiniges Ziel. So übersahen sie ihre eigentliche Zielperson, da sie ihn für einen stinknormalen Jungen hielten, der sich die Schuhe zuschnürte. Dabei hatten seine Schuhe nicht mal Schnürsenkel.

Langsam erhob sich der Schwarzhaarige und schaute den Männern im Anzug hinterher. So wie er es richtig geahnt hatte, waren sie bewaffnet. Wenn er es richtig sah, waren Schalldämpfer vorne auf  der Mündung ihrer Pistolen gedreht worden. Kein Zweifel. Sie waren wegen ihm hier. Die Männer standen genau vor Taehyungs Wohnung, tauschten einen letzten Blick aus, bevor der eine sein Bein anhob und die Tür eintrat.

Jungkooks Grinsen wurde breiter.

Der Schwarzhaarige zog die Kapuze tiefer in sein Gesicht bevor er der Szenerie seinen Rücken zudrehte und endgültig um die Ecke verschwinden wollte. Genau im richtigen Timing. Aus dem Hintergrund konnte er lautes Geschrei ausmachen, welches sich definitiv nach Taehyung anhörte.

„Ups.. Sorry, Doc."

Jungkook zuckte mit den Schultern. Wie war das noch gleich gewesen? Manche Probleme lösten sich von selbst? Jetzt musste er sich wenigstens nicht mit der Leiche rumschlagen. Wie immer eine Win-Win Situation für den berüchtigten Kriminellen. Zwar hatte Jungkook nicht vorgehabt Taehyung jemals zu töten, oder töten zu lassen, je doch brauchte er sich nun nie mehr Gedanken um diesen zu machen. Was er zugegebenermaßen sowieso nicht getan hätte. Der Kerl war harmlos gewesen.

Harmlos und maßlos unschuldig..

Jungkooks Schritte führten ihn weiter Richtung Fahrstuhl. Im Hintergrund war lediglich Taehyungs bitterliche Stimme zu hören, die nach Gnade und Aufklärung schrie. Jungkook hatte nur wenig Zweit bevor die Männer im Anzug merkten, dass er nicht in der Wohnung war. Doch ehe sie es merkten, wäre der Schwarzhaarige schon verschwunden. Da machte er sich keinerlei Stress. War immerhin nicht das erste Mal.

„Bitte! I-Ich weiß nicht.. Ich weiß nicht w-wen ihr meint! W-was wollt ihr von mir?"

Wie dämlich konnte man sein? Jungkook schnalzte mit der Zunge als er den Knopf des Fahrstuhls drückte. Taehyung hätte sowieso keine Überlebenschancen. Ob er den Typen sagte wo Jeon war oder nicht. Sie hätten ihn sowieso erschossen. So lief das in dem Bussiness. Keine Zeugen. Niemals.

Es krachte mit einem Mal furchtbar laut und Taehyungs armseeliges Gewinsel war zu hören. Was wirklich laut war wenn man überlegte dass Jeon schon um die Ecke gebogen war.

Wo ist er!?", konnte er noch abgedämpft hören bevor sich der Fahrstuhl mit einem ping in der Etage ankündigte.

Tsk. Jungkook konnte es sich richtig gut vorstellen wie weinerlich der Brünette auf die Knie gesunken war und sein Tränen überströmtes Gesicht in den Händen hielt. Wie ein Häufchen Elend saß er sicherlich auf dem Boden zusammengekauert, während die Typen im Anzug demonstrativ an ihm vorbei schossen, um den Ernst seiner Lage zu unterstreichen. Sicherlich wurde er geschlagen und es wurde ihm an den Haaren gezogen. Diese Typen kannten keine Gnade. Ihr Job war es Informationen zu beschaffen und ihrem Boss Ergebnisse zu liefern. Kostete es was es wolle. Ein Menschenleben war da nicht viel von Bedeutung. Es war unwichtig. So konnten sie mit diesem machen.. was sie wollten..

Jungkook stoppte in seiner Bewegung.

Eben noch, wollte er einen Fuß in den Fahrstuhl setzen, da zuckte etwas in seinem Rücken. Irgendein Gefühl, welches er so schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Ein Gefühl, welches in anpisste und furchtbar auf die Nerven ging. Ein Gefühl, welches sich immer stärker in seinem Körper ausbreitete, bis er es nicht mehr ignorieren konnte.

„Hmm.. eigentlich ist der Bengel ganz süß. Hast du schon von der neuen Methode gehört, Informationen herauszuquetschen?"

„Hör auf sein Shirt aufzureißen! Wir haben keine Zeit für Spielchen! Du weißt, was unsere Aufgabe ist. Jeon darf nicht entwischen!"

Hatte Jungkook richtig gehört? Sie wollten doch nicht.. Aber was ging ihn das an? Je länger sie mit Taehyung beschäftigt waren, desto länger hatte er Zeit sich aus dem Staub zu machen. Für ihn die perfekte Wandlung!

Doch wieso stieg er dann nicht in den Fahrstuhl?

Wieso stieg er verfickt nochmal nicht in den Fahrstuhl und verschwand aus dem Gebäude?

Jungkook konnte spüren, wie er innerlich mit sich haderte. Er verlagerte sein Gewicht immer wieder zwischen dem Fuß, der schon im Fahrstuhl stand und dem Fuß, der es nicht tat. Fest biss er sich auf die Lippe und ehe er seinem Kopf folge leisten konnte, schlau zu sein, hörte er auf das Ziehen in seinem Rücken und trat zurück.

„N-Nein! Aufhören!"

Das wimmernde Schreien Taehyungs erledigte letztendlich den Rest. Jungkook hatte seinen Körper nicht länger unter Kontrolle, schmiss die Sporttasche zur Seite und lief los.

„Verdammte Scheiße!", meckerte er mehr zu sich selbst, als er zurück zu Taehyungs Wohnung lief.

𝖯𝖨𝖳𝖢𝖧 𝖡𝖫𝖠𝖢𝖪 - 𝗄𝗈𝗈𝗄𝗏 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt