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𝙾𝚗𝚎- 𝙱𝚞𝚝𝚝𝚎𝚛𝚏𝚕𝚢 𝙴𝚏𝚏𝚎𝚌𝚝 


„Doktor Kim! Doktor Kim!"

Verwundert blickte der junge Assistenzarzt über seine Schulter hinweg, suchte nach den zugerufenen Worten und fand sie in einer kleinen Person wieder. Hastig, schnelle Schritten glitten über die, nach Desinfektionsmittel riechenden, Flure. Ein kleines Mädchen mit langen schwarzen Haaren kam auf ihn zulaufen. Sie hatte eine blaue Schmetterlingsspange in ihren Haaren haften. Eine, die ihre Haare davon abhielt in ihr zartes, kleines Gesicht zu fallen. Ein unsagbar fröhliches Lächeln zierte ihre Lippen. Augen, so groß vor Aufregung geöffnet. Die Erscheinung konnte den jungen Arzt nur milde zum Lächeln bringen. Wie konnten Kinder ein Herz nicht erwärmen?

„Hey, Kleine.", grüßte der brünette junge Mann, seine ehemalige Patientin. Vor ihr ging er in die Hocke und strich ihr vorsichtig durchs freiliegende, glänzende Schwarz.

„Darf ich wirklich schon nachhause?"

Die großen Augen brachten den jungen Assistenzarzt zum Lachen. Bestätigend nickte er ihr zu und schaute über sie hinweg. Er konnte ihre Eltern im Hintergrund sehen. Eben noch hatte er ihnen berichtet, ihre kleine Tochter wieder mit nachhause nehmen zu können. Ihr unnormal hohes Fieber hatten sie senken können. Es gab also keinen weiteren Grund, weshalb sie länger hier bleiben musste. Leider hatte der junge Arzt kaum Zeit. Dieser Tag war stressig. Ausfälle der Kollegen, ständig neue Notfälle, die reingeschlitten kamen. Er hätte sich gerne von dem kleinen Mädchen verabschiedet aber dafür blieb ihm keine Zeit. Nachdem er den Eltern die freudige Nachricht überbracht hatte, hatte er durch das Fenster in ihr Krankenzimmer gesehen. Sie hatte gestrahlt als eine Krankenschwester ihr dabei half, ihre wenigen Sachen wieder einzupacken. Das erfüllte den jungen Mann mit Freude. Normalerweise war er nicht auf der Kinderstation eingeteilt aber durch den Ausfall des zuständigen Arztes, war er eingesprungen. Mit einem letzten Lächeln hatte er sich, nachdem er den Eltern die Botschaft mitgeteilt hatte, von dem Krankenfester gelöst und wollte weiterziehen.

Doch das Mädchen holte sich ihren Abschied dennoch. So leicht kam der junge Mann nicht davon.

Sie war noch blass im Gesicht. Ihr Körper müsste sich erst wieder richtig regenerieren. Seit einem Tag war ihr Fieber verschwunden und sie hatte lediglich nur geschlafen, um sich ihre Kraft zurück zu holen. Wie der Arzt sehen konnte, mit Erfolg.

„Das darfst du. Aber nur wenn du mir versprichst, dich absofort immer warm einzupacken."

Die kleine Schwarzhaarige nickte hastig. Sogleich überraschte sie den jungen Mann als sie ihn plötzlich umarmte. Glücklich drückte sie sich an ihn und brachte den Braunhaarigen dazu, überrascht die Luft in seine Lungen zu schnappen. Nur ein kurzer Blick nach unten und es erwärmte sein Herz. Würde doch nur jedes Mal ein Happyend in diesem Krankenhaus passieren.. Jedes mal Situationen, wie diese. Doch leider gab es nicht ständig ein Happyend. Wieviele traurige Nachrichten hatte er Angehörigen schon überbringen müssen?

„Ahri, komm mein Schatz. Wir müssen los!"

Die nette Stimme der Mutter drang durch den hell beleuchteten Flur. Der junge Arzt hatte sich nicht zu helfen gewusst und die Mutter durchschaute es mit einem Lächeln. Sie wusste, er musste weiter und hatte keine Zeit für langes Reden. So war es nunmal in einem Krankenhaus.

Sachte tätschelte Taehyung den Rücken des kleinen Mädchens, lächelte als diese ihre Umarmung löste und fröhlich in sein Gesicht schaute.

„Das hier möchte ich dir schenken!"

Sie löste die Spange aus ihrem Haar. Dadurch fielen einige Strähnen in ihr Gesicht, welche sie unbekümmert hinter ihr Ohr strich. Mit einem dicken Grinsen hielt sie ihm die Spange hin. Perplex nahm der junge Arzt sie an und ehe er etwas sagen konnte, winkte das kleine Mädchen und lief davon.

„Aber..", murmelte Taehyung leise. Mit weiteren Blicken verdutzt dem Mädchen hinter her. Sie lief zu ihren Eltern, wurde von ihrem Vater auf den Arm gehoben und winkte ein letztes Mal zum Abschied. Sie würden sich nie wiedersehen. Jedenfalls hoffte Taehyung es. Das kleine Mädchen sollte nie wieder zur Behandlung in ein Krankenhaus müssen. Er wünschte es ihr.

Milde lächelnd schüttelte er mit dem Kopf bevor er in seine Handfläche schaute. Diese kleine Geste ließ sein Herz erwärmen und erinnerte ihn daran, weshalb er diesen Job eigentlich machte. Um den Menschen da draußen zu helfen. Um ihre Lebensqualität verbessern zu können und sie wieder zum Lächeln zu bringen. Jedenfalls war es seine Überzeugung und sein Wunsch. Dass er nicht jeden retten konnte, das hatte Taehyung schon lange begriffen.

Der junge Assistenzarzt steckte die Schmetterlingsspange in seine Kitteltasche ehe er auf seinem Absatz kehrt machte und seines Weges weiter zog. Seine Gedanken glitten zurück zu der bevorstehenden Visite als sich plötzlich sein Pieper am Gürtel bemerkbar machte.

„Shit..", murmelte er leise. Jetzt konnte er seine Visite wieder nachhinten verschieben. Das würde seinen Patienten gar nicht gefallen aber was sollte er tun? Er hatte nur zwei Hände. Er konnte sich nicht in zwei teilen also hieß es Ruhe bewahren.

Seufzend schob er seinen Kittel zur Seite damit er an den besagten Pieper kam und einen Blick drauf erhaschen konnte. Sofort weiteten sich seine braunen Augen.

Ein Notfall! Und er wurde gebraucht!

So schnell wie seine Füße ihn tragen konnten lief er zur Notaufnahme. Scheinbar waren die anderen Ärzte anderweitig beschäftigt. Wieso sollte sein Pieper sich sonst melden, obwohl er in einer ganz anderen Abteilung war? Wie auch immer. Taehyung wusste er wäre die nächsten Minuten, wenn nicht sogar Stunden, mit der neuen Notaufnahme beschäftigt. Nicht umsonst wurde er gerufen. Auch wenn es nur zum assistieren des führenden Chirurgen diente. Laut des Piepers handelte es sich um einen schwerwiegenderen Notfall. 

Schnellen Schrittes erreichte er letztendlich die Notaufnahme. Die zwei Sanitäter, die den Patienten brachten, schoben die Trage so schnell sie konnten in Richtung des freien Operationssaals. Zwei Krankenschwestern waren ebenfalls um die Trage versammelt. Während eine die Infusion hielt, half die andere beim Schieben. Bevor sie Taehyung erreichen konnten fing er sie ab und beteiligte sich an der Situation.

„Was haben wir?", fragte er die anderen um sich überhaupt ein Bild machen zu können. Der Patient trug eine Atemmaske, wurde beatmet und so wie Taehyung es sehen konnte, hatte er schon eine Menge Blut verloren. Sein Oberteil wurde aufgeschnitten. Sicherlich von den Sanitätern. Er erkannte wie einer der Schwestern mehrer, dicke Kompressen auf eine Wunde an der Brust drückte. Sie hatten sich schon komplett mit Blut vollgesogen. Allgemein war alles an diesen Patienten blutig. Schlimm zu gerichtet. So würde Taehyung es beschreiben.

„Ein Mann zwischen mitte, ende 20. Identität unbekannt. Er wurde frontal im linken Brustbereich angeschossen. Der Mann hat eine menge Blut verloren. Ich bin mir nicht sicher ob er es in dieser Verfassung noch schaffen wird. Plus kaum noch messbar."

Taehyung nickte dem Sanitäter zu bevor sein Blick zurück zu dem Mann wanderte. So wie es aussah war dieser Mann in etwas verwickelt gewesen. Gewollt oder ungewollt. Wie dem auch sei. Taehyung war nicht hier um nach seiner Hintergrundgeschichte zu fragen. Er war hier um sein Leben zu retten. Ganz gleich was dieser Mann getan oder nicht getan hatte. Es war seine Pflicht zu helfen und zu retten. Deswegen gefiel ihm die Aussage des Sanitäters auch nicht. Allerdings blieb keine Zeit für Diskussionen. Sie mussten so schnell es geht handeln. Anderenfalls würde dieser junge Mann es nicht überleben.

Noch einmal ließ Taehyung seinen Blick über den Mann schweifen. Sein fachliches Auge geriet für einen Moment ins Schwangen. Je genauer er diesen Mann musterte, desto mehr fiel ihm auf wie unglaublich gut er aussah. Abgesehen von den vielen Wunden und Hämatomen. Seine Haut so blass unter den vielen Verletzungen, seine Gesichtszüge so markant und elegant. Den guten Körperbau konnte man nicht ignorieren. Und sein längeres, welliges Haar, welches ihm wirr ins Gesicht fielen, erglänzten in seiner pechschwarzen Eleganz. 


𝖯𝖨𝖳𝖢𝖧 𝖡𝖫𝖠𝖢𝖪 - 𝗄𝗈𝗈𝗄𝗏 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt