Sechsunddreißig

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Status: Überarbeitet

- Namjoon -

Ich hatte mich entschieden, Jungkook von seiner wahren Existenz, an seinem Todestag zu erzählen. Genau heute, zwei Monate, nachdem er erbaut wurde. Nervös mit meinem Bein auf und ab wippend, saß ich am Esstisch und wartete darauf, dass mein Sohn bald wieder nachhause kommen würde. Es fiel mir schwer meine Hände stillzuhalten, ich kaute an meinen Nägeln, knackte meine Knöcheln oder ballte sie so fest zu einer Faust, sodass sich meine Knöcheln weiß färbten.
»Verdammtes Herz«, fluchte ich und schluckte aus Nervosität. Ich hörte, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Mein Herz schlug mir bis zu den Ohren. Meine Befürchtung lag darin, dass dies schieflaufen würde. Aber gewaltig. Dennoch musste ich es ihm sagen, er kann nicht ewig unwissend weiterleben.
»Hallo, Vater«, begrüßte Jungkook mich und setzte sich zu mir an den Esstisch. Ich hatte reichlich gekocht, um das bevorstehende Drama etwas zu verzögern. Ohne einen vollen Magen würde ich es nicht ausstehen.
»Das riecht super«, kommentierte mein Sohn. Er blickte gierig das Essen an und rieb sich die Hände aneinander. »Schlag ruhig zu«, lächelte ich und schenkte uns beiden etwas zu trinken ein. »Wo warst du, wenn ich fragen darf?«
»Etwas spazieren und paar Geschäfte besuchen.« Somit war es wieder still zwischen uns. Kauen, Geklimper, mit Besteck auf Teller und das laute Atmen meinerseits erfüllen die Küche. »Alles okay?«, fragte Jungkook mich besorgt und nahm einen Schluck seines Wassers.

Jetzt oder nie, Namjoon!Mit einem tiefen ein und ausatmen versuchte ich meine Atmung und mein rasendes Herz etwas zu beruhigen, ehe ich sprach. »Hör zu«, begann ich und blickte meinen Sohn ernst an. »Du weißt, ich bin Wissenschaftler.« Jungkook nickte als Antwort. »Das wird jetzt verrückt klingen, aber -« Ich konnte nicht anders, als kurz zu lachen, da ich es selber kaum realisieren konnte. Unglaublich! »Du bist gar kein Mensch. Du bist nicht mein Jungkook. Verstehst du?«
Jungkook verstand nicht und zog aus Verwunderung seine Augenbrauen zusammen, sein Kopf war leicht zur Seite gelehnt. »Wie jetzt?«
»Heute ... genau vor zwei Jahren bist du gestorben. Du hattest einen Autounfall.« Stumm blickte mein Sohn mich an, dann fing er an, laut loszulachen. »Vater, seit wann hast du so eine Art von Humor?«, lachte er weiter und wusch sich eine Träne weg. Ich blieb still, bis er sich beruhigt hatte. »Jungkook.« Ich war ernst und legte meine Hand auf seine. »Ich mache keine Witze, das ist mein voller Ernst. Es schmerzt zu wissen, dass du nicht der Jungkook bist, den ich sein Leben lang groß werden sehen habe.«
Das amüsierte Lächeln verschwand langsam und ich sah, wie sich sein Adamsapfel auf und ab bewegte, als er schluckte. »Vater, ich bin nicht tot.«
»Doch!«, sagte ich mit fester Stimme. »Das bist du. Du bist ein Roboter, ein Duplikat von Jungkook, ein Doppelgänger! Hörst du?« Hektisch stand ich auf und nahm ein Bilderrahmen mit, welches auf der Kommode im Flur stand. »Hier«, überreichte ich ihm das Bild und setzte mich wieder. »Das Mädchen auf dem Bild neben dir, weißt du noch wie sie heißt?« Mein Sohn schüttelte den Kopf. Natürlich wusste er ihren Namen nicht!
»Das ist Danbi. Erinnerst du dich an sie?« Wieder ein Kopfschütteln. »Sie war deine Freundin. Ihr beide seid am selben Tag in einen Autounfall verwickelt worden. Jungkook ist noch Vorort verstorben, Danbi im Krankenhaus! Yoongi, der Wissenschaftler, mit dem ich zusammengearbeitet habe, er hat mir seine Baupläne zur Verfügung gestellt, damit ich dich erschaffen kann. Yun war sein Bruder, er hat seinen Bruder als Roboter 'wieder beleben' lassen. Das war der Junge, den du im Kiosk getroffen hast.«
Stoppen werde ich nicht, er soll alles erfahren.»Weißt du noch, als du mir erzählt wie, wie Yun meinte 'du bist wie er'? Du hast dich gewundert und mich um Rat gefragt. Das meinte er! Ihr beide seid Roboter, in keinster Weise seid ihr beide Menschlich. Ihr seht nur so aus, und ihr verspürt auch Emotionen, aber diese sind bloß einprogrammiert. Ich könnte dies hier und jetzt ausstellen und schon bist du gefühlskalt.«
Auch, wenn es das richtige war ihm alles zu erzählen, plagten mich mit einem Mal Schuldgefühle. Zu lange hatte ich gewartet, um Jungkook das alles zu erzählen. Er hätte es von Anfang an erfahren sollen, es war ein Fehler so lange zu warten. Ich war zu harsch, hätte ich es ihm in aller Ruhe mitteilen sollen? Doch nun war es zu spät.
»Fass mal hinter deinen Nacken«, sagte ich nun ruhiger. Langsam tastete er es ab. »Spürst du etwas? Das ist ein Knopf, damit ich dich ausschalten kann.«
»Was hattest du mir vor, das zu erzählen.«
»Heute, aber ich hätte es früher tun sollen.«
Mit Wucht stand er auf, sein Stuhl fiel nach hinten. »Wo willst du hin?«, fragte ich und folgte Jungkook in den Flur. »Weg, ich brauche Zeit, um das alles zu verkraften.«
Jetzt war er weg und ließ mich hier allein stehen. »Scheiße!«, fluchte ich und ging mir mit der Hand durchs Gesicht. Ich wusste, dass es schieflaufen würde!

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