Bitte lass mich nie mehr allein

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Es war nun schon zwei Wochen her als Luisa ihre Schwester aufgesucht hatte. Sie war völlig anders, immer zurück gezogen. Sie sprach nicht mit mir darüber, ich erzählte ihr nicht, was ich mitbekommen habe. Ich zeigte nur Verständnis und ließ sie wissen, dass ich da war. Es schien als lebte sie in ihrer alleinigen Gedankenblase vor sich hin, wurde still. Ich gab ihr den Freiraum den sie brauchte, akzeptierte, dass sie Zeit für sich braucht, weshalb ich anbot in der nächsten Zeit in meiner Wohnung zu schlafen. Dazu sagte sie nichts, weshalb ich diese Entscheidung einfach im Raum stehen ließ und ihre Wohnung verließ.

Inzwischen saß ich mit Melina im Café, in dem ich arbeitete und unterhielt mich mit ihr bevor meine Schicht anfing. Ich klärte sie nicht auf, erzählte aber, dass Luisa und ich quasi eine Stufe zurück fuhren und die Dinge langsamer angingen.

"Will sie sich von dir trennen?", fragte Mel besorgt. "Nein. Zumindest glaube ich nicht, dass sie darüber nachgedacht hat. Es ist einfach viel passiert, was irgendwie auch an ihrer Familie liegt, aber darüber sprechen wir lieber daheim." Sie nickte wissend und trank dann von ihrem Kaffee, der mittlerweile bestimmt schon kalt war. "Soll ich heute Abend zu dir rauf kommen?" "Ja gerne. Ich glaub ich muss dann jetzt hinter die Theke", sagte ich und zeigte mit dem Daumen auf die Theke hinter mir. Ich verabschiedete mich von ihr und im selben Moment, in dem sie den Laden verließ, stolzierte Florian herein. "Was machst du denn hier?", fragte ich ihn gedankenverloren. "Wir haben diese Woche die gleiche Schicht, schon vergessen? Wir waren gestern und vorgestern und davor den Tag schon zusammen dran." "Oh shit, stimmt. Entschuldige, ich bin momentan ein wenig durcheinander." Er lachte nur, schüttelte den Kopf und stellte keine Fragen, wofür ich ihm sehr dankbar war.

Die folgenden paar Stunden waren eintönig, aber entspannt. Es war kaum etwas zutun, weshalb Nadine und Flo mich eher Heim schickten. Dankend verließ ich das kleine Café und lief die Straßen rauf nach hause. Auf dem Weg kramte ich mein Handy heraus um zu schauen ob meine Freundin mir geschrieben hatte. Aber anstelle einer Nachricht von Lu hatte ich eine von Judith bekommen, in der sie fragte wie es mir ging. Für diesen Moment ignorierte ich ihre Frage und lief stattdessen einfach weiter.

In meiner Wohnung entledigte ich mich meiner nach Kaffee riechenden Kleidung und stellte mich unter die Dusche. Die Wärme des Wassers auf meiner Haut sorgte erst für die nötige Ruhe in meinem Chaos von Gedanken und Sorgen. War es richtig Luisa in Ruhe zu lassen? Soll ich lieber zu ihr gehen und mit ihr sprechen? Darüber diskutieren was mir machen wollen? Was sie vorhat? Ich schloss meine Augen und ließ das Wasser auf mein Gesicht prasseln. Erst nach einer guten Dreiviertelstunde verließ ich die Dusche und kurz darauf das Bad. In meiner Küche nahm ich mir einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setzte mich mit einem Glas Wasser auf mein Sofa im Wohnzimmer. Hier war es still, lediglich mein Atmen war zu hören. Draußen wurde es dunkel, aber es kümmerte mich nicht, dass es im Wohnzimmer auch dunkel wurde. Eine kleine Lichterkette leuchtete auf der Fensterbank, wahrscheinlich hatte ich sie vergessen auszumachen. Irgendwann klingelte es dann an der Tür und ich ließ Melina in die Wohnung.

"Was ist denn los mit dir? Du siehst ja die ganze Zeit schon aus wie sieben Tage Regenwetter." "Ach Mel," begann ich. "Ich hab dir doch erzählt das jemand meine Wohnung verwüstet hat als Lu und ich aus Island wieder kamen. Wir wissen das es ihre Schwester war." "Was? Warum sollte ihre Schwester denn deine Wohnung verwüsten?" "Lange Geschichte." "Ich hab Zeit."

Ich atmete tief ein und seufzte dann. Also erzählte ich ihr von dem Drama, das Madeleine und ihre Mutter beinhaltete. Ich erzählte ihr von Judith, die auch irgendwie darin verwickelt war und letztendlich noch von Luisa, die sich abgekapselt und zurückgezogen hat.

"Emma du musst mit ihr sprechen. Sie wird ganz sicher allein mit ihren Gedanken sein und die Hilfe ihrer Freundin benötigen." "Ah sie ist allein mit ihren Gedanken?", fragte ich beinahe schon empört. "Ich denke auch nur noch an diese Situation, daran wie ich Lu unterstützen könnte und was wir gegen ihre Schwester und der Mutter machen sollen. Ich erinnere mich an das Gespräch zwischen Luisa und Madeleine, das ganz sicher nicht für meine Ohren bestimmt war. Ich machte mir Sorgen um Luisa, will am liebsten jede Minute bei ihr sein und sicher gehen, dass es ihr gut ging oder sie zumindest okay ist. Schließlich handeln die Maeson Frauen gegen mich und nicht gegen Lu. Sie wollen mich aus Luisas leben radieren, nicht sie." "Du hast recht, aber überleg mal. Es sind immer noch die Mutter und die Schwester von ihr. Was würdest du tun wenn deine Mom so drauf wäre?" Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht und ein wenig verstand ich Luisa ja, aber dass sie mir weh tut wenn sie mich von sich stößt weiß sie gar nicht. "Rede mit ihr Emma, sie wird dich brauchen, denn alleine schafft sowas niemand." Es stimmte was Mel da sagte, nur hatte ich keine Ahnung wie ich ihr helfen sollte. "Du hast recht Melina." Sie sah auf die Uhr auf der Kommode und sah dann wieder mich an. "Los, zieh dir etwas anderes an und geh rüber zu ihr."

Nordsee WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt