Emma
Ich war gerade im Auto auf dem Weg zu meiner alten Schule, als mir allmählich unwohl wurde. Was würde wohl passieren? Und mit wen würde ich mich dort treffen? Diese Fragen, und noch viele mehr, kreisten durch meinen Kopf. Mit dem einschalten des Radios hoffte ich, dass ich auf andere Gedanken kam.
Irgendwann bog ich in die Straße, in der wohl das Gebäude stand, in dem die meiste Zeit meiner Jugend geprägt wurde.
Den Wagen fuhr ich auf den alten Schotter Parkplatz, auf dem damals die Lehrer geparkt hatten. Der Motor erlosch und ich fühlte mich alles andere als wohl. Ich stieg aus und erschrak für einen Moment, als ein kalter Windzug an mir vorbei zog. Das Wetter war schön, das alte, graue Gebäude ließ diesen Ort jedoch trist wirken. Mein Handy vibrierte, weshalb ich es aus der Tasche nahm und die neue Nachricht sah, die allerdings von einer ganz anderen, nicht eingespeicherten Nummer kam.
Komm bitte zum Schulhof.
Es überraschte mich, dass die Person offensichtlich doch Wörter wie 'bitte' kannte. Ich ging also zum Schulhof und sah mich immer wieder um, obwohl niemand zu sehen war.
An der Bank, die noch immer an einer Wand am Eingang stand, setzte ich mich und wartete.
Ich saß vielleicht ein paar Minuten, da setzte sich eine Person neben mich, dessen Gesicht ich, wegen einer Kapuze, nicht erkennen konnte. Erst als diese Person sprach, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
"Danke, dass du gekommen bist."
Ruckartig drehte ich mich zu ihr und sah ihr dabei zu, wie sie die Kapuze vom Kopf zog und ihr blasses Gesicht zum Vorschein kam.
"Ich hätte wissen müssen, das du etwas damit zu tun hast", sagte ich zu Judith, die bedrückt auf den Boden sah.
"Es tut mir alles so leid. Ich wollte dir nie in irgendeiner Art Angst machen, aber Mad...", sie stoppte und hielt sich blitzschnell die Hand vor den Mund, als wäre der Name der Person etwas verbotenes. "Wer?", fragte ich. "Ich kann dir nicht sagen wer es ist. Auf jeden Fall war das alles nicht meine Idee, das musst du mir glauben, Emma." "Ich soll Dir noch etwas glauben?! Man Judith, ihr treibt mich beinahe in den Wahnsinn. Ich war bei der Polizei, Gott verdammt!" Ich wollte wirklich nicht fluchen, aber jetzt gerade war ich sauer und enttäuscht von ihr. Sie war kaum mehr noch so wie damals. Sie schien verletzlich zu sein, was sie auf der Hochzeit von Nele offenbar gut versteckt hatte.
Ich stand auf, lief ein paar Schritte und entfernte mich ein wenig von ihr. Sie jedoch stand ebenfalls auf und kam auf mich zu. Sie hob ihre Hand und wollte sie auf meine Schulter legen, was ich allerdings sofort ausschlug.
Mich machte es Wahnsinnig, das sie offenbar dachte, diese Aktion wäre noch immer normal für mich.
"Emma," flehte sie. "es tut mir leid."
"Was genau? Das ihr mich auf dem Arbeitsweg verfolgt habt? Die Nachrichten und Drohungen? Das du mich damals einfach sitzen gelassen und mir das Herz gebrochen hast? Gott Judith, was willst du?", schrie ich sie beinahe an. Es war komisch, ungewohnt und gar nicht gut hier mit ihr zu stehen und ihr ins Gesicht sehen zu müssen. Ihre blauen Augen sahen mich an, warm und voller Reue. Und wenn ich ihr länger in die Augen gesehen hätte, wäre ich ganz bestimmt wieder im Ozeanblau versunken.
Ich hasste mich dafür, dass ihre Anwesenheit immer noch etwas in mir auslöste.
"Ihr müsst damit aufhören", sagte ich ruhig, nachdem ich mich geräuspert und den Blick von ihr abgewendet hatte. "Ich weiß. Aber sie ist stark, hat ihre Verknüpfung und könnte unser Leben ruinieren. Nicht nur deins und das deiner Freundin", sie machte eine Pause und räusperte sich. "sondern auch meins." "Von wem redest du?" "Versprich mir, dass du der Polizei nicht ihren Namen verrätst." Ich wusste nicht ob ich das konnte, weshalb ich ehrlich war. "Ich weiß nicht, ob ich das kann, aber ich werde es versuchen."
DU LIEST GERADE
Nordsee Wind
Teen Fictioncover by @bleibendestille Emma hatte gerade ihre Lehre abgeschlossen und sich dafür entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Sie war nun erwachsen genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Also zog sie von der Großstadt in einen kleinen Ort an der Nords...