Luisa
Nach einer letzten Sitzung mit meinem Therapeuten konnte ich guten Gewissens nach Hause zu meiner Familie fahren. Wir unternahmen viel zu dritt, dokumentierten jeden Meilenstein von Olivia mit der Kamera und hielten ihre ersten Schritte fest. Sie lernte schnell und brabbelte viel vor sich hin. Ihr Lachen war das schönste was ich erfahren durfte. Und wenn ich sie zusammen mit Emma beobachtete, wie Emma sie im Arm hielt, ihr die Flasche gab und sie ihren Kinderwagen schob, merkte ich erst, wie glücklich wir waren. In unserer Elternzeit reisten wir viel, fuhren durchs Land und sahen uns die unterschiedlichsten Städte an. Ein mal fuhren wir für nur eine Nacht mit dem Auto nach Frankreich, aßen Baguette, kauften guten Wein und verbrachten die freien Stunden draußen. Auch der kleine Hund war stets bei uns und vervollständigte unsere kleine Familie.
Zum Herbst hin fing Emma langsam wieder an. Ihr fehle der tägliche Kontakt zu den Kunden und der Duft von Kaffee, argumentierte sie. Ich hatte von Anfang an keine Einwände, besuchte sie sogar ab und an mal in den Pause mit unserer Liv. Für das Lächeln, das sich in ihren Gesichtern aufbaute, war es mir immer Wert. Florian freute sich mindestens genauso sehr, wenn ich während ihrer gemeinsamen Schicht meine Frau besuchte. Wir verabredeten uns sogar ein paar male, bei denen wir dann spazieren gingen oder mal einen kleinen Ausflug unternahmen. Eines Abends im Wohnzimmer kamen Emma und ich dann auf das Thema Umzug. Es stand völlig außer Frage, dass es hier irgendwann zu eng wurde, daher überlegten wir, ob wir uns irgendwo ein kleines Haus kauften oder vielleicht ein irgendwo bauen würden. Letzteres würde zu viel Planung und Zeit in Anspruch nehmen und so wirklich wollte das keine von uns. Also begannen wir uns nach und nach auf die Haussuche und wurden bald fündig. Wir waren uns darin einig, dass wir nicht vom Meer weg wollten, daher blieb die Gegend eigentlich gleich. Das Haus, das an eine riesige Weide angrenzte und völlig im freien Stand, war nicht allzu weit von unserer jetzigen Wohnung und Emmas Arbeitsplatz entfernt und war bezahlbar. Es hatte große, mit Licht durchflutete vier Zimmer, ein großes Bad, in dessen Badewanne ich schon Emma und mich zusammen mit einem Glas Wein sah, eine wunderschöne Küche und einen tollen Garten. Es war nicht weit bis in die Stadt und nicht so weit weg, das unsere Freunde uns nicht besuchen kommen könnten. Nachdem wir dann später alle Formalitäten geklärt hatten, gehörte es uns, das Traumhaus. Beim Umzug hatten wir viel Unterstützung durch Emmas Eltern, Florian, Luca, Melina, Merle und Emmas Freunde aus ihrer Heimat. Fürs Streichen und Tapezieren besorgten wir uns natürlich Profis, schließlich sollte es nachher Perfekt aussehen. Wir nahmen viel aus der Wohnung mit und kauften am Ende nur noch ein paar Möbelstücke für die Flure, sowie Teppiche und Deko Artikel.
"Es muss farblich alles zusammen passen, sonst stört mich das auf Dauer", meinte Emma als wir im Möbelhaus waren. "Das wird es schon. Die Möbel sind doch eh teilweise weiß, da brauchen wir nur noch Akzente und so Zeugs." Zusammen entschieden wir uns für Erdfarben und hatten letztendlich den Einkaufswagen voll mit Kissen, Kerzen, Blumentöpfen, Lichterketten und einen Spiegel. Sollte fürs erst reichen. "Machen wir dann heute noch alles fertig?", erkundigte ich mich bei meiner Frau. "Mir egal. Wir können das auch gerne morgen machen." "Okay. Wir können ja wenigstens die Kommode noch schnell aufbauen und die Kissen ordentlich aufs Sofa packen und sowas." "Können wir machen." Am selben Abend fand die neue Kommode ihren Platz im Eingangsbereich, wo gleichzeitig auch ein paar von Emmas Pflanzen ihren Stellplatz hatten und ich den Spiegel an die Wand hing. In nur wenigen Wochen war alles fertig, Möbel standen dort, wo sie hingehörten, unsere privaten Dinge waren verstaut und um uns herum war nichts anderes als positive Energie. Endlich war es friedlich und still."Weißt du, ich hatte erst Bedenken, dass es uns zu einsam wird hier. Vor allem weil nichts als Felder um uns herum sind. Aber das ist gar nicht so. Ich fühle mich richtig wohl", erzählte Emma eines Abends vor dem kleinen Kamin im Wohnzimmer. Olivia lag oben in ihrem Bett und schlief bereits. Wir ließen den Tag mit einem Glas Weißwein ausklingen und saßen gemütlich am Feuer während auf dem Plattenspieler eine Platte von Emmas Lieblingspianisten spielte. "Das hatte ich auch erst gedacht", gab ich zu. "Aber es ist wunderbar hier. Bis zur Stadt ist es nicht weit, der Tourismus ist nicht groß und wir haben es immer noch nicht weit zum Strand." "Und unsere Freunde können uns immer besuchen kommen." "Und das." Ich legte meinen Arm um meine Frau und platzierte einen Kuss an ihrer Schläfe. "Wie machst du das denn eigentlich mit dem Elternurlaub?", fragte Emma dann später. "Also ein paar Monate hätte ich eigentlich noch, aber wenn Olivia jetzt bald in den Kindergarten kommt, dann habe ich wieder mehr Zeit und konnte zurück an die Arbeit gehen", meinte ich. "Wärst du bereit dazu?" "Liv in die Kita zu geben oder wieder zu arbeiten?", schmunzelte Ems. "Beides. Wir wissen noch nicht wie es mit ihr klappt und ob sie sich mit den anderen Kindern dann versteht und wie die Eingewöhnung wird. Und mit der Arbeit weiß ich noch nicht, wie ich das organisiere. Ich muss Termine vereinbaren, mein Equipment erstmal wieder zusammen suchen und mich mit den Kollegen auseinandersetzen. Letzteres sollte kein Problem sein." "Dann schlage ich vor, wir schauen in den ersten Tagen wie gut das mit Liv klappt und wenn es funktioniert, dann klappt auch vielleicht das mit der Arbeit. Ich würde sie dann auch direkt abholen", schlug sie vor. Wir haben vor dem Umzug die passende Kita gefunden und waren sehr aufgeregt. Die Erzieher dort waren alle sehr lieb und es waren viele Kinder in Olivias Alter dort. Ihre Gruppe ist für die jüngsten Kinder, also ab 6 Monate. Und weil sie gerade das Krabbeln für sich entdeckt hatte, kann es mit ihr ziemlich anstrengend werden. In der Nächsten Woche, am Montag direkt, war der erste Tag. Am Morgen empfing und bereits Livs Bezugserzieher und begrüßte uns herzlich. Wir hatten alles weiter mit den Daten und Kosten bereits geregelt und die ersten paar Tage der Eingewöhnung hatten auch schon stattgefunden, deshalb nahmen wir nur kurzen Abschied von unserer Tochter und kehrten dann beide zurück in unseren Arbeitsalltag; naja, Emma zu ihrem halben. Vorher aber ging es noch mal nach Hause, damit ich von dort mit meinem Auto zur Arbeit fahren konnte. Am Parkplatz küsste ich meine Frau noch ein letztes mal, bevor es los ging. "Ich wünsche dir viel Glück für den ersten Tag", sagte sie liebevoll. "Pass gut auf dich auf. Wir sehen uns nachher Zuhause." Sie lächelte und deshalb tat ich es auch. "Mach ich, danke. Ich liebe dich." "Und ich dich." Sie stieg in ihr Auto und fuhr davon, kurz darauf tat ich das selbe. Später im Fotostudio gab es eine Menge zu tun. Mein Email Fach war voller Kundenanfragen, die ich alle erstmal beantworten musste. Das meiste ging um Shootings auf Feiern und Geburtstagen, aber eine Mail stoß mir besonders ins Auge. Es war eine Anfrage für ein zwei Wöchiges Fotoshooting mit Models und Schauspielern für einen Designer, der gerade eine neue Kollektion rausgebracht hatte. Zum Glück fand ich diese Mail, denn dieser Auftrag könnte ausschlaggebend für meine Karriere sein. In einer Antwort nahm ich den Auftrag an und plante alles weitere darüber später am Telefon mit der zuständigen Person. "Das Shooting findet bei uns statt, Sie müssen dann nur noch ihr Zeugs und das Talent mitbringen", hörte ich die ruhige Männerstimme am Telefon. "Selbstverständlich. Was genau haben Sie sich denn vorgestellt?", hakte ich nach. Er informierte mich über die Einzelheiten, die Models, die Kollektion und dem Thema. Ich sollte besonders die Mode und die dazugehörigen Accessoires in den Vordergrund setzten, aber gleichzeitig nicht die Models vernachlässigen. Es war mein erster Auftrag dieser Art, deshalb war ich ein wenig nervös und hatte Respekt vor dieser Aufgabe. Nach dem Telefonat musste ich es unbedingt jemandem erzählen, deshalb sprintete ich in das Büro von Pia und erzählte ihr alles. "Was? Das ist ja unglaublich! Herzlichen Glückwunsch." Sie freute sich mit mir und holte aus der kleinen Küche die Flasche Sekt, die sie dort immer für solche Moment aufbewahrt hatte. "Darauf stoßen wir an."Es war ein wirklich großer und erfolgreicher Tag für mich, umso erfreuter war ich, als ich nach hause zu meinen Mädels kam. Ich fand die beiden in der Küche, Olivia im Hochstuhl und Emma neben ihr am Esstisch. Sie fütterte sie gerade mit Fruchtmus, soweit ich es erkennen konnte. Liv hatte den Mus überall, im Gesicht, an den Händen, ja sogar auf ihrem Pullover. "Sie spielt lieber damit, als ihn zu essen", berichtete Emma, als ich meine Jacke auszog. Ich küsste sie zur Begrüßung und widmete mich dann meiner Tochter. "Sie hat nur noch nicht verstanden, wie gut das eigentlich schmeckt", sagte ich mehr zu meiner Tochter als zu Emma. "Das kommt noch." Ich nahm mir ein Tuch und wischte den Mus von ihren Wangen. "Wie war dein Tag?", fragte Ems. "Oh Gott, ich muss dir etwas erzählen. Ich bin heute meine Mails durchgegangen und habe eine Anfrage für ein Shooting von einem großen Modedesigner bekommen." "Wow, das hört sich groß an." "Ist es. Das ist ein zwei wöchiges Projekt, jeden Tag ungefähr 5 Stunden, außer am Wochenende." "Ist das gut?" "An sich ja, wird nur bisschen stressig, weil ich die Bilder ja auch bearbeiten muss." "Mach dir keine Sorgen, das wird schon gut gehen. Ich bin ja noch da." "Ja zum Glück. Es wird wenig Zeit für anderes über sein." "Hast du den Auftrag angenommen?", wollte sie wissen. Ich nickte. "Das kann gut für meine Karriere werden und vielleicht sieht man mich dann als jemand anderen als die Tochter von Katharina Maeson, die ihr Glück mit Fotografie probiert." So war es nämlich. Ich hatte es immer ausgeblendet, aber man sah mich immer als diese Person. Ich könnte mir einen ganz neuen Namen machen in dieser Branche. "Pass auf, bald kennen alle die unglaublich talentierte Luisa Storm, Starfotografin und liebevolle Mama." Ich musste lachen, glaubte aber selbst daran. "Abwarten." "Wie war's bei dir heute? Viel los?" "Ach nein, gar nicht. Die meiste Zeit über saßen die üblichen Studenten in den hintersten Ecken an ihrem Laptop. Einige Stammkunden, das übliche halt. Florian hat gefragt wie es uns im neuen Zuhause geht und ob wir uns eingelebt haben." "Ist ja lieb von ihm, dass er sich erkundigt. Hat er noch irgendwas gesagt?" "Nein. Er hat erzählt, dass er mit Luca demnächst für zwei Wochen in den Urlaub fliegt." "Uhh, wohin gehts für die beiden?" "England." "England? Wow. Da können wir auch mal wieder hin." "Joa oder Irland oder Schottland." Ich musste lachen. "Dafür wird sich bestimmt noch die Zeit finden", meinte ich und stand auf. Aus dem Kühlschrank nahm ich mir etwas zu trinken und bald darauf beschloss ich uns etwas zu kochen. Emma blieb währenddessen bei unserer Tochter und spielte mit ihr im Wohnzimmer.
Gegen frühen Abend brachte sie sie hoch ins Bett und schenkte uns somit ein paar freie Stunden. So sahen die meisten Tage aus. Olivia war im Kindergarten, Emma arbeitete im Café und brachte immer Neuigkeiten von Flo oder Melina mit, während ich Fotografierte und mit dem neuen Projekt begann. Meistens bearbeitete ich bin in die Nacht, bis Emma darauf bestand, dass ich den Laptop ausschalte und zu ihr ins Bett komme. Als die Zeit dann immer weiter verging, die Bäume immer kahler wurden und die Temperaturen sanken, traf allmählich wieder die Weihnachtszeit ein. Nach und nach wurde unser Haus geschmückt. Ich bestand auf besonders viel Deko, einen Weihnachtsbaum und vielen Lichtern, die draußen leuchteten. Es war Olivias erstes Weihnachten und gleichzeitig das erste als Familie, deshalb wollte ich es besonders schön haben. Die Kamera begleitete uns Schritt für Schritt, sodass wir am Ende ein ganzes Album mit Fotos aus der Weihnachtszeit füllen konnten. Am zweiten Weihnachtstag waren die Schwiegereltern und mein Vater bei uns zum Essen eingeladen und darauf freute ich mich schon besonders. Am letzten Tag vor den Ferien holte ich Olivia aus dem Kindergarten und konnte die nächsten paar Wochen gar nicht mehr abwarten. "Warten Sie!", meinte eine Erzieherin aus Livs Gruppe. "Wir haben zusammen so eine Art Weihnachtsgeschenke für die Eltern gemacht und Sie hätten ihr's fast vergessen." Die junge Frau gab mir ein gefaltetes Blatt Papier mit und meinte, ich solle es Zuhause mit Emma ansehen. "Das ist ja süß. Hat es denn gut geklappt mit Liv?" "Und wie. Sie erzählt viel, probiert sich aus und krabbelt sehr viel. Neulich erst hat sie sich an dem Schrank hochgezogen." "Ja das hat sie Zuhause auch schon oft versucht. Meine Frau und ich hoffen ja, dass sie ganz bald laufen lernt." "Ach, da habe ich keine Zweifel." Ich lächelte und nahm Olivia auf den Arm. "Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage", sagte sie. "Danke, wünsche ich auch." Dann begab ich mich mit der kleinen auf den Weg nach Hause und konnte vom weiten schon die Weihnachtsbeleuchtung sehen. Würde es jetzt noch schneien, dachte ich. Zuhause befreite ich Liv aus dem Schneeanzug und der Mütze und anschließend mich aus der Winterjacke und den Stiefeln. Im gesamten Haus roch es nach Bratapfel und Zimt und Kerzen brannten. Der Kamin war ebenfalls an und spendete den größten Teil an Wärme. Emma holte den Baum von der Terrasse rein und stellte ihn in einen passenden Ständer. "Wir schmücken heute schon?", fragte ich sie und erschrak sie damit. Sie hatte noch nicht mitbekommen, dass wir Heim gekommen waren. "Hast du mich erschrocken. Ja, hab ich mir so gedacht." Wunderbar. Während Liv uns zu sah, schmückten wir zusammen den Baum und schalteten am Ende stolz die Lichterkette ein. "Sieht doch ganz gut aus", meinte Emma. "Find ich auch." "Hier, die Erzieherin hat mir das mitgegeben. Die haben in der Gruppe mit den Kindern Weihnachtsgeschenke gemacht." Ich legte das Papier auf dem Tisch und faltete es auf. Zu sehen waren Hand und Fußabdrücke, die jeweils einen Stern und eine Tanne darstellen sollten. Der grüne Fußabdruck trug bunte Kreise als Kugeln und der Handabdruck war Gelb und strahlte beinahe. "Das ist so süß." "Und das kommt an den Kühlschrank. Das erste Bild aus der Kita und erste Weihnachtsgeschenk unserer Tochter." Ich stand auf und klemmte das Bild mit einem Magnet an den Kühlschrank und betrachtete es Stolz. Emma legte von hinten ihre Arme um mich und hinterließ einen Kuss auf meinem Nacken. "Es ist wunderschön."
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Nordsee Wind
Teen Fictioncover by @bleibendestille Emma hatte gerade ihre Lehre abgeschlossen und sich dafür entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Sie war nun erwachsen genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Also zog sie von der Großstadt in einen kleinen Ort an der Nords...