Und es fühlt sich gut an

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Das Wochenende kam eher als gedacht, weshalb ich wahrscheinlich ein wenig verdutzt aussah, als ich meinen Eltern die Tür öffnete. "Was ist dir denn über die Leber gelaufen?", fragte mein Vater und lachte dabei. So ist er halt. Versucht wieder witzig zu sein. "Ach nichts, kommt rein", meinte ich dann und lies die beiden herein. Meine Mutter nahm mich sofort liebevoll in die Arme und küsste meine Wange, ließ aber sofort wieder los.

"Wie war die Fahrt, seid ihr gut durchgekommen?" "Es ging diesmal echt gut. Die Straßen waren frei und wir mussten keinen Zwischenstop einlegen", meinte mein Vater und deutete auf meine Mutter, die auf langen Fahrten mindestens einmal auf einem Rastplatz anhalten musste um auf die Toilette zu gehen. Daraufhin musste ich lächeln.

Meine Mom schaute sich um und staunte. "Hier hat sich einiges getan seit deinem Einzug." "Na Klar, ist ja auch schon länger her.", antwortete ihr mein Vater. Ich hing die Mäntel der beiden auf und führte sie ins Wohnzimmer, wo wir alle uns dann an den Esstisch setzten. Wir unterhielten uns über so ziemlich belangloses. Ich erzählte ihnen von meiner Arbeit und von Melina, welche ich vor den beiden als gute Freundin darstellte. Meine Eltern erzählten mir von den aktuellen Ereignissen aus der Heimat. Anscheinend ist wohl eine Freundin aus der Schule jetzt verlobt mit ihrem damaligen Schulfreund, mit dem sie auch schon ihr erstes Kind erwartete.

Der Gedanke allein daran, dass meine ehemalige Klassenkameradin jetzt eine Familie gründete, lies mich ein wenig nachdenken. Irgendetwas in mir sagte, dass ich ebenfalls bereit für eine Familie war. Aber wenn ich mal mein Liebesleben ansah, waren da nicht so große Hoffnungen. Ich mein, als homosexuelle Frau war das sowieso noch ein ganz anderes Thema.

Ich wollte mich gedanklich nicht zu weit vom hier und jetzt wegbegeben, also schüttelte ich die Gedanken aus meinem Kopf und beschloss, mich später mit ihnen zu befassen.

Ich hatte meiner Mutter gar nicht mehr wirklich zugehört, weshalb ich sie in ihrem Redefluss unterbrach und sie bat, das gesagte noch mal zu wiederholen.

"Ich habe gesagt, dass einige Lehrer deiner alten Schule entlassen wurden, weil die Schule wohl kaum noch Gelder hatte um alles weiter zu finanzieren." "Oh wirklich?" "Ja. So gut wie alle Lehrer die du auch im Unterricht hattest." "Das ist überraschend. Sonst war dort alles immer auf dem neuesten Stand was Material und Geräte angeht."

Ich hatte es nicht beabsichtigt, aber meine Gedanken schweiften zu meiner Schulzeit. Ich weiß noch, wie ich mit Sophie und Nele immer quatsch gemacht hatte und wie wir auf dem Hof standen und einander von unserem Crush erzählt hatten. Das war schon witzig, weil ich da immer nur von unserer Klassenlehrerin erzählt hatte und die beiden nie auf den Gedanken gekommen wären, dass sie es war. Naja und jetzt war Nele erwachsen, verlobt und erwartete ihr erstes Kind.

"Wie sieht es mit dir aus, Spatz?", fragte meine Mutter und holte mich gedanklich zurück. "Was meinst du?", ich sah sie irritiert an, weil ich absolut keinen Schimmer hatte, worum es geht. "Was macht dein Liebesleben?"

Mir wurde warm im Gesicht und ich konnte spüren, dass ich in diesem Moment rot wurde. "Naja, also, äh..", stammelte ich. Sollte ich ihnen von Luisa erzählen? Gibt es da überhaupt etwas zu erzählen? "Also naja. Da ist eine Person, mit der ich mich ein paar Male getroffen habe und es fühlt sich gut an.", gestand ich also. "Uuuund?", fragte sie wie ein neugieriges Kind. "Nun lass sie doch, Lene", meinte mein Vater. "Sie muss doch nicht immer alles erzählen." sagte er und deutete auf mich. Ich lächelte nervös. "Naja, es ist nichts Offiziell. Sie heißt Luisa Maeson und hat einen kleinen Hund. Außerdem ist sie Fotografin und echt gut in ihrem Job." Meine Mutter lächelte. Ich glaube, sie war froh darüber, dass ich jetzt jemanden gefunden hatte. Sie wusste wie sehr mich meine letzte Beziehung verletzt hatte.

"Aber ich denke ihr seid nicht da, um von meinem Liebesleben zu hören. Habt ihr Hunger?" ich versuchte so das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Mein Vater stand überzeugt auf und nickte, was ich als "Ja" akzeptierte.

Nachdem wir gekocht und gegessen hatten, war es noch ein wenig hell draußen, weshalb ich vorschlug, noch ein wenig spazieren zu gehen. Beide waren damit einverstanden und somit standen wir irgendwann in unseren Mänteln draußen und überlegten wohin wir gehen könnten. Die Entscheidung fiel schnell, weshalb wir dann irgendwann Richtung Promenade gingen. Es war nicht so kalt, wie in den letzten Tagen, sondern so ziemlich angenehm. Wir schlenderten durchs Dorf, ich zeigte meinen Eltern das Café in dem ich arbeitete, welches natürlich schon geschlossen war, und ging weiter mit ihnen an den ebenfalls geschlossenen Souvenirläden vorbei. "Wenn ihr wollt, können wir morgen nochmal hier her kommen.", sagte ich und zeigte auf die Läden.

Nordsee WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt