Ist das so offensichtlich?

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Als sie ihre Tasse wieder absetzte, musterte sie mich. Nachdem sie dann noch zu Schmunzeln begann, wurde ich nervös. "Bist du dir da sicher?", fragte ich also. "Es ist schon irgendwie amüsant." Ich schaute sie fragend an. Mein Blick musste wohl so verwirrt ausgesehen haben, dass sie fortfuhr. "Nichtsahnend gehe ich feiern, um meine Gedanken mal abzulegen und dann treffe ich dich und lande mit dir im Bett." Sie sagte es so, als war unser zufälliges Treffen eine Überraschung für sie. Was es auch irgendwie war. Ha ha.

"Ich hoffe, das wird dir keine Probleme bereiten?", meinte ich aus welchem Grund auch immer. Luisa dachte nach, verneinte meine Frage dann. Wieso sollte sie Probleme bekommen, wenn sie mit einer Frau geschlafen hat?

Der Gedanke, dass sie vielleicht garnicht auf Frauen stand und quasi noch verheiratet war, machte sich langsam in meinem Kopf breit. Ich meine, vielleicht sollte das Ganze garnicht in diese Richtung gehen. Vielleicht war es falsch für sie.

Ich fixierte meinen Blick an der Tasse, die ich fest mit meinen Händen umklammerte, als würde sie mir gerade Halt geben. Ein klirren hinter der Theke stoppte meinen Gedankengang und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich drehte meinen Kopf in Richtung Theke und sah, das eine Tasse auf dem Boden zersprungen war. Als ich mich wieder meiner Verabredung widmete, erkannte ich an ihrem Blick, das Luisa mit den Gedanken auch woanderes gewesen war. "Oh gott, hab ich mich erschrocken", meinte ich, um die Stimmung wieder ein wenig zu lockern. "Ich mich auch". Diesmal war ich die, die auf die Armbanduhr sah. Es war spät geworden. Der Blick nach draußen zeigte, das es bald regnen würde. "Wir sollten uns bald auf den Weg machen, wenn wir nicht nass werden möchten", sprach Luisa. Ich nickte und leerte meine Tasse, mein Gegenüber tat es mir gleich.

Als wir bezahlt, unsere Jacken angezogen und wieder draußen vor der Tür waren, fing es auf einmal an zu regnen. Ich richtete mein Gesicht gen Himmel, schloss die Augen für einen Moment und merkte, wie der Regen auf meine Haut einschlug und mich nass machte. "Soll ich dich nach Hause fahren? Dann bleibst du wenigsten etwas trocken", wollte Luisa wissen. "Nicht nötig. Den kurzen Weg kann ich laufen und zuhause wollte ich eh duschen gehen." Ich lächelte sie an, was sie erwiderte. Also verabschiedeten wir uns voneinander und sie versprach, mir zu schreiben, wenn sie daheim angekommen war.

In meiner Wohnung entledigte ich mich meiner Jacke und dem Schal, hing beides an die Garderobe und pfefferte meine Schuhe zu den anderen. Ich würde sie später ordentlich hinstellen. Meine Beine trugen mich in die Küche, wo ich mein Handy ans Ladegerät legte und mir ein Glas Wasser eingoss. Danach ging ich ins Bad, um mich zu duschen.

Gerade als das warme Wasser auf mich herab prasselte, schloss ich die Augen und genoss die Wärme. Ich stellte mir vor, am Meer zu sein. Es war Sommer und die Sonne schien. Der Himmel war blau und wolkenlos. Der Strand war leer, abgesehen von mir. Und einer unbekannten Frau. Ich rannte ins Wasser und ließ mich fallen, die Frau folgte mir und kam mir näher. Sie war mir so vertraut. Erst als sie mich berührte, erkannte ich das Gesicht von Luisa. Erkannte ihre gebräunte Haut, ihr Lächeln und ihr Grübchen, welches nur dann zu sehen war, wenn sie lachte. Ich erkannte ihre wunderbaren grünen Augen, welche mich jedes mal hypnotisierten, ihre Wärme, die jedesmal den Platz einnahm, an dem sich mich berührte. Ich legte meine Arme um ihren Hals und verschränkte sie hinter ihrem Kopf, während sie ihre um meine Hüfte legte und mit ihrer Hand über meinen Hintern strich. Es störte mich nicht, im Gegenteil. Wir sahen uns an und küssten uns. Automatisch fing ich an zu lächeln.

Als das Wasser aus der Dusche dann auf einmal kalt wurde, erschrak ich. Es holte mich gedanklich zurück. Ich beschloss, mich zu waschen und dann wieder aus der Dusche zu gehen. Gesagt und getan.

Bekleidet in einer Jogginghose und einem Hoodie saß ich nun auf dem Sofa und checkte meine sozialen Netzwerke. Ich war neugierig, also suchte ich nach Luisa Maeson. Es tauchten Fotos auf, auf manchen war sie zu sehen und auf anderen sah man zum Beispiel Menschenmassen und Panorama Bilder einer Großstadt. Wow, das mussten die Fotos ihrer Arbeit sein. Sie sahen wirklich professionell aus.

Ich suchte nicht weiter und öffnete meine Nachrichten. Es war eine neue reingekommen, von Luisa. Sie bedankte sich für das Treffen und bestätigte, dass sie daheim angekommen war. Ich sperrte das Smartphone und legte es neben mich auf das Sofa. Mein Magen grummelte, was ich als Zeichen dafür nahm, dass ich hunger hatte. Ich wollte mir jetzt nicht die Mühe machen und ein perfektes Gericht zubereiten, sondern beschloss einfach eine Tiefkühl Pizza in den Backofen zu schieben. Nachdem diese fertig war und ich sie gegessen hatte zog ich mir meine Schuhe an und ging die wenigen Stufen runter zur Wohnung von Melina. Nicht lange nachdem ich geklingelt hatte, öffnete sich die Tür und eine überraschte Melina stand vor mir. Sie ließ mich rein und wir setzten uns ins Wohnzimmer, wo der Fernseher gerade lief und auf dem Tisch Snacks standen. "Fernseh Tag?", fragte ich meine Nachbarin und hob die linke Augenbraue dabei in die Höhe. "Ist das so offensichtlich?", fragte sie dann peinlich berührt, während sie sich am Hinterkopf kratzte. Schweigend setzten wir uns aufs Sofa. Die rothaarige schaute zum Bildschirm und griff dabei in die Schüssel Chips, die vor ihr stand. Ich musste lachen. Das hier war ein typisches Szenario bei Liebeskummer. "Ich habe Paul rausgeschmissen.", meinte sie nun aus dem nichts. Sofort wurde ich wieder ernst und schaute sie ungläubig an. "Was hast du?"

"Ich habe seine Sachen gepackt, sie vor die Tür gestellt und Paul geschrieben, dass er sich sie abholen kann und nie wieder kommen soll." Oh. "Wow, das ging schnell." Sie stoppte den Film und drehte sich zu mir. "Ich musste es tun. Er ist mir fremd gegangen und das verzeihe ich ihm nicht." "Und was ist mit der Hochzeit? Ich dachte ihr wolltet heiraten." "Tja, er hats' verbockt." Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ich konnte nicht anders, als sie in den Arm zu nehmen. Tröstend strich ich mit meiner Hand ihren Rücken auf und ab. "Das tut mir so leid", meinte ich. "Es ist besser so." Sie löste sich von mir und schaute mich an. "Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst", ließ ich Melina wissen. "Danke."

Nordsee WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt