An Heiligabend verbrachten wir den halben Tag auf dem Sofa, bis wir entschieden, mit Arlo ein wenig an der Promenade spazieren zu gehen. Außerdem bekam Luisa einen Anruf von der Polizei, bei dem uns mitgeteilt wurde, dass wir mein Handy abholen konnten, weshalb wir die Möglichkeit nutzten und dies auf unserem Spaziergang erledigten.
Ich kam aus der Polizeiwache und informierte Luisa darüber, was die Beamten mir erzählt hatten.
"Sie werden jetzt den Absender verfolgen und dann melden die sich spätestens im Januar, wegen der Feiertage, bei uns." "Okay, das klingt ja schonmal viel versprechend."
Es war nicht einfach, nicht daran zu denken das da jemand ist, der mich beobachtet und Dinge von mir wusste, die er oder sie eigentlich nicht wissen konnte. Luisa versuchte ihr bestes um mich abzulenken und mich auf andere Gedanken zu bringen. Gerade beobachtete ich sie dabei, wie sie eine Schneekugel rollte.
"Was soll das werden?" "Wir bauen einen Schneemann", sagte sie mit Stolz. "Wir?" "Komm her und hilf mir, anstatt nur zuzuschauen."
Es sah schon amüsant aus, wie sie aus einer kleinen Schneekugel irgendwann eine große rollte. Ich half ihr und versuchte den Kopf zu formen. Ich half ihr dabei die Kugeln aufeinander zu stellen, wobei das Resultat nachher etwas verrückt aussah. Die untere Kugel war kleiner als die obere. Ich musterte unseren Schneemann und musste plötzlich lachen. Luisa sah mich schräg fragend an. "Warum lachst du? Ich find ihn schön." "Sieh' ihn dir mal an. Der ist krumm und schief." "Das lässt ihn besonders sein."
Ich schoss mit dem Handy ein Erinnerungsfoto, denn ich wusste, dass der Mann aus Schnee nicht lange überleben würde.
Wir beschlossen weiter zu gehen. Ohne Ziel liefen wir durch die kleinen Gassen, sahen in die Schaufenster und schlenderten durch den Schnee; bis wir uns irgendwann vor Luisas Haustür wieder fanden. Der Tag glich jedem anderen davor und nur weil Weihnachten war, machten wir da nichts besonderes draus. Luisa war nicht gläubig und ich auch nicht, weshalb wir auch nicht in die Kirche gingen, so wie ich es früher immer mit meinen Eltern machen musste.
Wir aßen gegen Abend zusammen auf dem Sofa.
"Ich habe etwas für dich", meinte Luisa plötzlich.
"Für mich?" Sie nickte anstatt zu antworten. "Eine Kleinigkeit." Sie gab mir eine kleine Schachtel und bestand darauf, dass ich sie öffnete. In ihr lag eine silberne Kette mit einem kleinem Herz als Anhänger. Ungläubig wechselte ich meinen Blick zwischen meiner Freundin und der Kette. "Bist du wahnsinnig? Die ist wunderschön." "Ich habe sie in London gesehen und musste sie sofort für dich mitnehmen." Sie grinste und ich konnte nicht anders, als sie in den Arm zu nehmen. Nachdem sie mir die Kette angelegt hat, stand ich auf und holte die ebenfalls kleine Schachtel mit dem Armband, das ich für sie hatte.
"Hab für dich auch was."
"Das wäre doch gar nicht nötig gewesen." "Oh doch. Machs' auf."
Luisa öffnete die Schachtel und nahm das schlichte Armband heraus. Sie sah es sich genauer an. "Ich habe da was hinein gravieren lassen", meinte ich und zeigte ihr die Stelle, an dem die Zahlen standen. "Unser Datum?" Ich nickte bestätigend. Luisa sagte nichts und nahm mich stattdessen erneut in den Arm. "Danke", flüsterte sie.
Den Abend verbrachten wir im Wohnzimmer, wobei wir ab und zu auf der Dachterrasse eine Zigarette rauchten.
Bevor es zu spät wurde, rief ich noch bei meinen Eltern an. Sie wussten, dass wir am nächsten Tag zu ihnen fuhren, aber ich war mir wegen der Uhrzeit noch nicht sicher.
Nach kurzem Smalltalk mit meiner Mutter machten wir aus, dass wir gegen 15 Uhr dort sein würden. Luisa hatte in der Zeit, in der ich arbeiten war, die Tickets für das Wochenende in Amsterdam im Reisebüro abgeholt und noch eine Flasche Wein besorgt.
DU LIEST GERADE
Nordsee Wind
Teen Fictioncover by @bleibendestille Emma hatte gerade ihre Lehre abgeschlossen und sich dafür entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Sie war nun erwachsen genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Also zog sie von der Großstadt in einen kleinen Ort an der Nords...