Und doch wieder erkannt

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Es war Emmas Idee am Tag nach Heiligabend runter in die Berge zu fahren und die Landschaft zu erkunden. Geplant war eine kleine Wanderung durch den Wald, ein anschließender Besuch auf dem Weihnachtsmarkt und zum Schluss wollten wir gemütlich einen Kakao trinken, bevor wir wieder nach hause fuhren. Am Morgen packten wir unsere Winter Kleidung ein, sorgten für ausreichend Proviant und checkten nochmal die aktuelle Verkehrslage. Wir hatten ein paar Stunden vor uns, die wir ohne Komplikationen rum bekommen wollten. Liv wurde warm angezogen und in ihren Sitz gesetzt, während ich den Kinderwagen in den Kofferraum verfrachtete und unser Zeugs auf die Rückbank legte. Bisher schien die Sonne und hier bei uns lag nur sehr wenig Schnee, trotzdem war es kalt. Meine Kamera fand ebenfalls ihren Platz im Kofferraum und als alle startklar waren, konnten wir auch schon los. Ich hatte ein bisschen geschlafen, deshalb bekam ich das meiste der Fahrt gar nicht wirklich mit. Ich wurde wach als Emma sich über den Fahrer im Auto vor uns aufregte. "Vollidiot", beschimpfte sie ihn und trat auf die Bremse. "Was ist passiert?", fragte ich verschlafen. "Ach der Idiot weiß nicht wie man Auto fährt." Ich sah auf die Rückbank und sah auf Olivia, die ebenfalls eingeschlafen war. Ich hoffte inständig, dass der Schlaf jetzt keine Probleme für heute Abend werden würden, aber nachdem was wir heute vor hatten, werden wir glaube ich alle schlafen wie ein Haufen Steine. "Gibt es da in der Nähe einem Parkplatz? Ich möchte ungern irgendwo am Straßenrand stehen." "Soweit ich weiß gibt es da einen. Musst halt schauen ob du da problemlos drauf kommst", meinte ich und deutete auf den Schnee, der hier in der Gegend nur knapp weggeschaufelt wurde. Zum Glück war der Parkplatz Schneefrei und sogar der Weg zum kleinem Wirtshaus am Waldrand war frei. Emma parkte das Auto und sah sich um. "Also wie machen wir das, Kinderwagen mitnehmen?" "Hab ich so gedacht. Ich möchte sie ungern die ganze Zeit auf dem Arm tragen."


Wir machten uns also startklar, Emma schlüpfte sogar in ihre Schneehose, und gingen den Wanderweg rauf auf den Hügel. Es war beruhigend und still, um uns herum war nichts als dichte Bäume und Schnee. Ein paar andere Wanderer kamen uns entgegen, wünschten frohe Weihnachten und liefen weiter. Der Schnee war nicht zu hoch, sondern genau passend. Der Kinderwagen kam gut durch und insgeheim war ich nochmal dankbar das wir den robusteren genommen hatten. "Wir können da vorne eine kleine Pause machen", schlug ich vor. Meine Frau nahm mir den Kinderwagen ab und schob ihn rauf zum kleinen Pavillon. "Ich habe nicht gedacht, dass es so anstrengend ist", seufzte sie. Sie setzte sich in den Schnee, aber nicht ohne Liv vorher aus dem Wagen zu heben und sie auf den Arm zu nehmen. "Guck mal Olivia, das ist Schnee." Die Kleine sah sich mit großen Augen um und brabbelte so vor sich hin. Diesen Moment muss ich festhalten, dachte ich und hielt im nächsten Augenblick schon die Kamera in der Hand. "Nicht bewegen", sagte ich und schoss das Foto. Es war ihr erster Schnee und das erste mal so weit von Zuhause weg. Die Sonne ließ den Pulverschnee glitzern. "Ist ja fast wie im Skiurlaub", lachte Emma. "Wieso?" "Na so fühle ich mich. Mit Schneehose im Schnee und die Sonne knallt." Ich musste lachen und erinnerte mich tatsächlich an die male, in denen ich mit den Skiern im Schnee saß. "Das müssen wir auch mal machen." "Dafür muss Liv aber erst wachsen."



Emma


"Ist schon ziemlich nett hier", sagte Lu und schaute sich dabei um. Nach vielleicht zwei Stunden kehrten wir zurück und tranken jetzt einen warmen Kakao im Wirtshaus. Die Leute waren freundlich, das Häuschen weihnachtlich geschmückt und es roch nach Kamin. Wir blieben allerdings nicht so lange, sondern fuhren sobald wir bemerkten wie müde Olivia war, wieder rauf nach hause. Luisa fuhr diesmal und brachte uns tatsächlich schneller Heim, als gedacht. Auf den Straßen war nicht viel Verkehr, weshalb wir am frühen Abend schon wieder Zuhause waren. Der kurze Ausflug war toll. Das war mal etwas anderes. Etwas, das wir uns verdient hatten. Zuhause empfing uns der kleine Hund, der den Tag über hier geblieben war und vermutlich nur geschlafen hatte. Nachdem Luisa Liv gefüttert hatte, brachte sie sie rauf ins Bett, was ich nutzte um uns etwas zu essen zu machen. Am Ende war es nur eine Tiefkühlpizza, die es in unsere Mägen schaffte. Bei einem Wein sahen wir uns noch ein oder zwei Folgen unserer Lieblingsserie auf Netflix an und verschwanden danach schon im Bett, ich schlief jedoch noch nicht sofort ein. In meinem Kopf ließ ich die letzten Wochen und Monate revue passieren. Alles ging so schnell und wir hatten so viel Glück mit allem. Uns ging es gut, unsere Tochter war gesund, wir hörten weder etwas von Katharina, noch von Madeleine oder Jonathan. Unsere Freunde, meine Eltern und Ronnie unterstützten uns wann immer wir Hilfe brauchten. Ich liebte meine Frau mehr als alles andere auf dieser Welt und hoffte inständig, dass sie es wusste. Ich freute mich auf morgen, darauf dass meine Eltern uns das erste mal in unserem Haus besuchen kamen und wir hier ein paar Stunden miteinander verbrachten. Sie würden sehen, wie Olivia krabbelt und wie neugierig und aufmerksam sie war und wie gut es uns hier ging. Es hätte nicht besser sein können. Die Nacht verlief ruhig, Liv wurde ein paar mal wach und weinte, aber dann stand Luisa auf und holte sie zu uns ins Bett, wo sie zwischen unseren Köpfen lag und ruhig weiter schlief. Am Morgen dann weckte mich das Lachen meiner Frau und des kleinen Mädchens, welche beide vollkommen wach waren. Wohlige Wärme umgab uns alle, deshalb starteten wir positiv in den Tag.

Nordsee WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt