Am darauffolgenden Tag fiel es mir schwer mich aus dem Bett zu rappeln. Mein Körper schien kraftlos und erschöpft. Ich fühlte mich müde, als hätte ich die gesamte letzte Woche nicht geschlafen. Meine Laune hat sich diesem Zustand angepasst und es schien auch nicht so, als würde all das in den nächsten Minuten vorbei sein.
Die Sonne schien durch das Fenster und machte nun den Staub sichtbar, der sich durch den Raum bewegte. Warmes Licht erhellte mein schlichtes Schlafzimmer. Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf und seufzte. Das, was außerhalb meiner sicheren vier Wände passierte, schien perfekt und warm, als wäre es der erste Lichtblick nach wochenlanger Dunkelheit. Mir war durchaus klar das ich aufstehen, mich umziehen und etwas essen sollte. Ich sollte den Tag genießen, ihn mit der Frau verbringen, die ich liebte. Ich sollte aufstehen, etwas produktives tun; aber mein Körper regte sich nicht.
Auch nachdem ein paar Stunden vergangen waren, in denen ich in meine Träume geflüchtet war und geschlafen hatte, besserte sich mein Zustand nicht. Mir fiel nicht ein, wie ich meine Gefühle in diesem Moment beschreiben würde. Da war dieses Schuldgefühl, das gleichzeitig ein wenig Selbsthass mit sich trug. Ich suchte mir jemandem, dem ich die Schuld übertragen konnte und letztendlich kam es auf Judith zurück. Hätte sie mich nicht geküsst, würde ich mich wahrscheinlich nicht so fühlen wie gerade an diesem Tag. Hätte ich sie nie kennengelernt, wäre ich nie zu ihr geflüchtet.
Irgendwann merkte ich Tränen, die mir an den Wangen herunter liefen. Tränen, die sich Tagelang angesammelt haben und nun endlich ausbrechen konnten. Ohne mich auch weiter zu bewegen ließ ich die Zeit vorbei gehen, die Sonne wandern und schließlich untergehen, den Mond steigen und die Dunkelheit einbrechen lassen.
"Das geht so nicht", sagte ich zu mir selbst und schlug die Decke auf. Vorsichtig versuchte ich mich aufzurichten und ein paar Schritte zu gehen.
Mein Beine trugen mich ins Bad, wo ich mir erhoffte, dass das kalte Wasser in meinem Gesicht mich irgendwie entspannen würde. Und tatsächlich fühlte ich mich danach ein wenig wacher. Mein Spiegelbild jedoch sagte etwas ganz anderes. Ich sah unmöglich aus. Nachdem ich mir die Haare endlich gekämmt, mir einen Zopf gemacht und die Zähne geputzt hatte, lief ich in die Küche, wo ich mir den nächstbesten Snack heraussuchte und damit zurück ins Schlafzimmer zu meinem Kleiderschrank ging. Eine andere Hose und ein neuer Pullover zauberten einen frischeren Menschen aus mir und zum ersten mal an diesem Tag schlich sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen. Mein Handy leuchtete auf dem Nachttisch und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Auf dem Display standen mehrere Nachrichten von Luisa und sogar von Mel und Flo. Zuerst las ich die von Luisa.
Wenn du es heute noch nicht schaffst, dann nehme ich es dir nicht übel. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.
Wieder lächelte ich kurz, ging dann jedoch auf die Nachricht von Melina. Diese war in unserer Gruppe mit Florian, Luca und Luisa.
M: Geht am Wochenende irgendwas? Habt ihr bock auf feiern?
Der Gedanke daran mal wieder mit meinen Freunden rauszugehen gefiel mir, das konnte ich gebrauchen. Ich las weiter.
F: Also Luca und ich wären dabei! Wie sieht's aus bei Luisa und Emma?
L: Wegen meiner wäre ich dabei. Ich muss das aber noch mit Emma klären. :)
"Ja! Ich bin dabei. Wann und wo?", hätte ich am liebsten geschrieben, aber ich tat es nicht. So sehr ich es auch wollte, ich musste erst mit Luisa reden.
Also schnappte ich mir den Autoschlüssel und fuhr zu ihr. An der Haustür zögerte ich zunächst, schloss aber dann auf und ging hinein. Im Flur war es dunkel, genauso wie in der Küche und dem Schlafzimmer. Ein leichtes Licht drang aus dem Wohnzimmer in den Flur, erhellte jedoch nicht viel. Im Wohnzimmer fand ich Arlo, der ruhig und friedlich schlief und sich um nichts kümmerte. Die Terrassentür stand offen, also ging ich raus und fand wenig später meine Freundin, die auf der Holzbank saß, eine Flasche Bier in der Hand hielt und geradeaus über die Häuser und direkt auf die Weite des Meeres sah. Um uns herum war es still, wahrscheinlich hatte Luisa noch gar nicht bemerkt das ich da war. Vorsichtig ging ich zu ihr und setzte mich auf die Bank neben sie, nachdem ich mir ebenfalls ein Bier genommen hatte.
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Nordsee Wind
Teen Fictioncover by @bleibendestille Emma hatte gerade ihre Lehre abgeschlossen und sich dafür entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Sie war nun erwachsen genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Also zog sie von der Großstadt in einen kleinen Ort an der Nords...