Emma, was soll ich tun?

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Emma

Es war schon spät geworden während ich mit Judith auf ihrem Sofa saß und sie mir ein Glas Wein anbot. Dankend nahm ich es an. Ein paar Schlucke ließen mich schon seine Wirkung spüren, aber das ließ ich mir nicht anmerken.

Judith musterte mich. "Seit wann trinkst du denn Wein?", fragte sie mich amüsiert. "Schon eine weile." "Hattest du das Bier irgendwann satt?" "Quatsch", lachte ich. "Bier trinke ich noch immer. Ich habe irgendwann gefallen an Wein gefunden." Sie gab sich wohl mit meiner Antwort zufrieden und trank dann selbst von ihrem Glas.

"Erinnerst du dich noch an das letzte Mal, als wir hier auf dem Sofa saßen?" "Jap, aber beim letzten Mal war ich wütend und aufgebraust." "Das stimmt...". Judith wurde ruhig und sah nachdenklich auf ihr Glas. "Das war der Tag, an dem ich dich das letzte mal gesehen habe..", erzählte die. "Ich wollte dich nie gehen lassen, aber ich weiß, dass es das Richtige war und dass was wir hatten falsch war, aber es hat sich so gut angefühlt und ich würde es wieder tun", gestand sie. Ich lächelte nervös und wusste nicht, was ich auf diese Offenbarung antworten sollte. "Entschuldige, ich wollte nicht.." "Nein, ist schon okay", unterbrach ich sie. Sie lächelte mich aufmunternd an und legte ihre Hand auf meine. Sie merkte was sie da gerade getan hatte und zog diese sofort wieder zurück. Judith stand auf und räusperte sich. "Es ist schon spät, ich gehe jetzt schlafen. Findest du dich allein zurecht?" "Merkwürdigerweise ja. Bist du sicher das du schon schlafen möchtest? Es ist erst halb elf und.." "Ja, ich bin mir sicher. Gute Nacht Emma, schlaf gut." "Okay, gute Nacht."

Ich sah ihr noch verwirrt nach wie sie die Treppe rauf in ihr Schlafzimmer ging. Ich musste gähnen, weshalb ich mein Glas leerte und dann in das Gästezimmer lief. Als ich durch die Tür ging und das Licht anschaltete trafen mich die Erinnerungen, die ich mit diesem Raum verband, wie ein Blitz. Die Wände waren noch im selben dunkelblau wie früher und Judith's alter Schreibtisch stand noch immer an der Wand neben dem Fenster. Der alte Schreibtisch, dachte ich und verdrängte schnell die aufkommenden Erinnerungen.

Seufzend ließ ich mich auf das Bett fallen und starrte auf die Decke. "Oh man Emma", sagte ich leise, fast schon flüsternd, zu mir selbst. "Warum bist du hier?"


Judith

Ich war wahrscheinlich die letzte Person zu der Emma gehen sollte wenn irgendwas schief lief, darum verstand ich nicht warum sie trotzdem zu mir kam.

Mein Tag war nicht gerade gut gelaufen. Mein neuer Job im Büro zog ziemlich an meinen Nerven. Zuhause schmiss ich meine Sachen in die nächst beste Ecke und genehmigte mir ein Glas Wein, vielleicht auch zwei oder drei. Irgendwann während ich in der Küche stand, klingelte es an meiner Tür und als ich öffnete entgegnete sie mir. Ich musterte die junge Frau, die es nie aus meinem Herzen geschafft hatte. Verwirrt jedoch ließ ich Emma herein woraufhin sie sich kurz umsah und dann ins Wohnzimmer ging. Ich sah ihr nach, stand wie angewurzelt an der Tür und schloss sie erst als Emma nach mir fragte.

Sie erzählte mir warum sie hier war, aber ich konnte mich nicht auf das konzentrieren was sie sagte, zu sehr war ich davon abgelenkt sie anzusehen. Es war mir aber schon klar worum es ging, Madeleine hatte mir längst alles erzählt, trotzdem tat ich so, als wären die Informationen neu für mich. Ich wusste nicht recht, was ich sagen und wie ich mich verhalten sollte, denn ihr plötzlicher Besuch brachte mich ein wenig aus der Bahn. Irgendwann entschuldigte sie sich, stand auf und verschwand draußen um Luisa anzurufen. Ob sie ihr wohl gesagt hatte, dass sie bei mir war? Das Telefonat dauerte offensichtlich nicht so lange, denn wenig später kam sie wieder zurück. Sie sah aus als hätte sie geweint und am liebsten hätte ich sie da in meine Arme geschlossen.

Zurück im Wohnzimmer sah ich mein Weinglas, deshalb bot ich Emma auch eins an. Wein trinkend saßen wir dann auf dem Sofa, das damals auch schon an Ort und Stelle stand. Emma sah noch immer wunderschön aus, selbst wenn ihre dunkel blonden Haare so durcheinander waren. Wir erinnerten uns an das letzte mal, als wir hier saßen. Nur war die Situation damals eine ganz andere als heute. Ich wollte sie berühren, ihre Wärme spüren. Am liebsten hätte ich meinen Arm nach ihr ausgestreckt und meine Hand an ihre Wange gelegt. Sie nicht zu berühren war eine Herausforderung für mich, die ich irgendwann verlor als ich meine Hand auf ihre legte. Ein Kribbeln machte sich in meiner Hand breit und ehe Emma es merkte zog ich sie zurück. Mist, was mache ich hier? Nervös stand ich also auf und sah mich um. "Es ist schon spät, ich gehe jetzt schlafen. Findest du dich allein zurecht?", versuchte ich mich aus der Lage zu retten. Sie bejahte meine Frage und kurz darauf ging ich auch schon eilig in mein Schlafzimmer. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, lehnte ich mich an die Wand und schloss die Augen. Emma hätte nicht herkommen sollen.

Nordsee WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt