Ich bin übrigens Luisa

1K 57 3
                                    

Ich nickte, und deutete ihr, sich zu setzen. Sie lächelte und setzte sich auf den Platz vor mir, stellte ihre Tasse ebenfalls ab und schaute mich an.

"Was treibt dich in der Kälte hier her?", wollte sie wissen. "Ich, eh, naja daheim war mir langweilig und ich hatte nichts weiter vor. Ich bin gerne hier."

"Wusstest du, dass diese Veranstaltung hier stattfindet?" "Nein, davon hatte ich keine Ahnung", lachte ich und war ein wenig verlegen.

"Für mich war das auch eine Überraschung. Eigentlich laufe ich nach der Arbeit immer auf den Dünen entlang oder setzte mich in eines der Cafés neben den Souvenirläden."

Wieso erzählte sie mir das? Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte und schaute ganz einfach auf das Getränk in meinen Händen. "Bist du in Ordnung?" Wollte sie nun wissen. "Ja, ja mir geht es gut. Ich hatte nicht mit jemandem gerechnet, der versucht, mich in eine Konversation zu verwickeln", sagte ich nun.

"Oh Verzeihung. Du warst hier so alleine und sahst so verloren aus. Da dachte ich, ich setzte mich zu die und unterhalte mich ein wenig mit dir. Ich bin übrigens Luisa", sagte sie und hielt mir die Hand entgegen. Ich nahm sie und stellte mich ebenfalls mit meinem Namen vor.

Aus unserem Gespräch nahm ich heraus, dass sie seit sechs Jahren hier wohnte und Fotografin war. Ich wusste nicht, ob ich ihr ebenfalls ein wenig von mir erzählen sollte, also entschied ich mich dafür, ihr einfach weiter zu zuhören.

Es war schon fast dunkel, als Luisa auf ihre Uhr schaute und meinte, sie müsse bald nach Hause. Für mich gab es auch keinen weiteren Grund mehr hier zu bleiben.

"Hast du mal lust, mit mir einen Tee zu trinken? Ich würde dich gerne einladen, zu mir nach Hause, wenn dir das nichts ausmacht." Ich war ein wenig überrumpelt von ihrem Angebot, nahm es aber trotzdem dankend an. Also machten wir aus, dass wir uns in vier Tagen, am Wochenden, hier am Hafen treffen würden und zusammen zu ihr gehen.

Nach einer kurzen, förmlichen Verabschiedung ging ich zu meinem Auto und fuhr nach Hause. Daheim angekommen dachte ich noch immer an das Gespräch, wie unvorhersehbar das doch war und an Luisa. Ich hab sie in dieser Gegend noch nie gesehen bzw ist sie mir nie aufgefallen. Es war ein verrückter Zufall, und vielleicht ein wenig leichtsinnig, gerade mit ihr, einer Fremden, ein Gespräch anzufangen und sich fürs Wochenende auf einen Tee zu verabreden. Ohne meinen Gedankengang zu vertiefen, machte ich mich fürs Bett fertig und legte mich hin. Es dauerte nicht lange und ich fiel in einen traumlosen schlaf.

Am Morgen raffte ich mich völlig übermüdet aus dem Bett, zog mir meine Kleidung an und machte mich auf den Weg ins Café. Dort angekommen begrüßte ich Florian und zog mir meine Schürze an.

Dieser Tag verging wieder wie die anderen davor auch und die darauf folgenden Tagen taten es ihnen gleich.

Am Freitag lief ich nach der Arbeit noch in das Büchergeschäft und verließ es mit einem neuem Buch. Das Wetter war ausnahmsweise mal gut, es war kalt, aber nicht zu kalt. Zuhause angekommen, stieg ich die wenigen Treppenstufen zu meiner Wohnung hinauf und entledigte mich meiner Jacke und Schuhe. Bewaffnet mit dem Buch und einem Glas Wein saß ich nun auf meinem Balkon und fing an zu lesen.

Nach wenigen schaute ich hinauf aufs Meer und entdeckte in der Ferne ein Licht, das ständig aufleuchtete. Das wird wohl ein Leuchtturm sein, dachte ich mir. Ich nahm ein Schluck von meinem Glas und las weiter. Mir gefiel, dass das Buch im frühen 19. Jahrhundert spielt. Ich kam nicht weit mit dem Buch, weil meine Augen ständig schwerer wurden. Daraufhin ging ich also wieder ins warme, machte mir etwas zu essen und ging nach einer schnellen Dusche ins Bett.

Eingekuschelt kam mir der Gedanke an morgen in den Kopf. Ich war aufgeregt, fast so aufgeregt wie damals, wenn ich Judith alleine sehen konnte.

Obwohl man Judith nicht mit Luisa, die mir eigentlich noch völlig fremd ist, vergleichen kann, war ich doch ein wenig nervös. Wie wird es wohl sein? Wie sieht ihre Wohnung aus? Vielleicht war sie jemand kriminelles, ein Mörder, der seine Opfer zu sich nach Hause einlud?

Das klang völlig absurd. Ich schüttelte diese Gedanken aus meinem Kopf und schlief ein.

Am Morgen wachte ich erst gegen elf Uhr auf, was mich nicht wirklich störte, aber dennoch etwas untypisch war. Ich machte mir Frühstück, aß in ruhe und las danach noch ein wenig in meinem neuem Buch - Salz und sein Preis/Carol. Ich war gerade an der Stelle angekommen, an der Therese auf Carol trifft und sie ihr bei Frankenberg's die Eisenbahn verkaufte. Ich hatte den Film zum Buch bereits gesehen, was wahrscheinlich ein großer Fehler war, aber dennoch hatte ich jetzt wenigstens Gesichter zu den Namen.

Abgemacht war, dass ich Luisa gegen 14:30 uhr wieder am Hafen treffen sollte.

Also zog ich mich an, zog mir Schuhe, Jacke und Schal an und verließ die Wohnung.

Ich war vielleicht ein wenig früh dran, dafür ließ ich mir aber besonders viel Zeit. Aus der Ferne konnte ich schon die Fischerboote sehen. Ich scannte schnell den Platz ab und setzte mich auf eine der Bänke. Es dauerte garnicht so lange bis ich Luisa schon vom weiten sah. Ihre rot blonden Haare wurden vom Wind verweht, was allerdings nichts an ihrer wunderbaren Austrahlung änderte.

"Hallo Emma", begrüßte sie mich mit einem Wangenkuss. "Hey Luisa", ich tat es ihr gleich. "Wartest du schon lange?", wollte sie wissen. "Nein, garnicht. Vielleicht fünf Minuten." "Dann ist ja gut. Können wir los?" Ich überlegte kurz, dachte darüber nach, ob ich einer Fremden überhaupt vertrauen konnte. Aber Luisa machte einen vertrauten Eindruck, weshalb es kein Problem darstellte. Also nickte ich, um ihre Frage damit zu beantworten.

Nordsee WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt