Am nächsten Tag begleitete ich Luisa zum Arzt, welcher uns versicherte, dass das Bein schon fast wieder geheilt war, weshalb meine Freundin ohne den Gips wieder nach Hause konnte. Luisas Erleichterung war nicht zu übersehen und auch ich war froh, dass es ihr bald wieder besser gehen bzw. das Bein bald wieder gesund sein würde. Die nächsten Tage verbrachten wir jeweils mit arbeiten, weshalb wir uns in den darauffolgenden zwei Wochen nur selten oder am Abend sahen, wenn die eine bei der anderen schlief. Die Arbeit lenkte mich so weit es ging ziemlich gut von allem anderen ab, was in meinen Gedanken sonst zu oft präsent war. Judith hatte sich kaum mehr gemeldet, vielleicht nur ein, zwei Mal, um zu fragen wie es mir geht, aber ich bin nie auf irgendeine Nachricht von ihr eingegangen. Ich hatte noch nicht mit Luisa darüber gesprochen oder sie nach dieser Madeleine gefragt; zu sehr hatte ich Angst vor ihrer Antwort. Ich wusste nicht, in welcher Beziehung Luisa zu Madeleine stand und wollte nicht, dass es meine Freundin zu sehr zu schaffen macht, sollte Madeleine eine nahestehende Person sein.
Der Januar neigte sich seinem Ende zu, was allerdings nichts an den Temperaturen änderte. Heute war ein kurzer Arbeitstag, deshalb war ich am Nachmittag auch schon zu Hause. Auf dem Weg in meine Wohnung fing Melina mich ab und berichtete mir von einem Ereignis, das mich selbst überraschte und ein komisches Gefühl mit sich brachte.
"Eine Frau war heute früh hier und hat nach dir gefragt", entgegnete Mel. "Was für eine Frau?" "Keine Ahnung. Sie sah blass aus und hatte dunkle Haare. Sie meinte, sie wäre eine alte Freundin von dir und müsse sich mit dir unterhalten." "Hast du ihr irgendwas gesagt?", wollte ich wissen, weil ich glaubte zu wissen, wer diese Frau war. "Ich habe nur gesagt, dass du arbeiten warst und dass du vielleicht gegen Nachmittag zurück bist. Danach hat sie nichts mehr gesagt, aber vielleicht kommt sie noch mal wieder." "Ich hoffe nicht", murmelte ich. "Oh je, doch keine alte Freundin?", fragte Melina. "Ja und nein. Ich habe nicht wirklich den Nerv um mit ihr zu sprechen. Danke dir auf jeden fall."
"Kein Problem", antwortete sie und widmete sich wieder dem Putzen des Hausflures.
Oben atmete ich aus und für einen Moment fühlte ich mich so, als hätte ich den ganzen Weg hier rauf die Luft angehalten. Heute war nicht mein Tag, das wusste ich. Der Morgen war schon so schrecklich gestartet und jetzt wollte ich nichts mehr, als mich in meinem Bett unter meiner Decke zu verkriechen und für eine Weile abzuschalten.
Wenig später entschied ich mich aber für eine Dusche, daher brachte ich meine Tasche weg und machte mich auf den Weg ins Bad, wo ich mich meiner Kleidung entledigte und unter die Dusche ging. Das warme Wasser erst sorgte für Entspannung in meinem Körper.
Ich weiß nicht wie lange ich unter der Dusche stand und einfach die Augen geschlossen hielt, aber ich glaubte, dass mir das geholfen hat. Im Wohnzimmer schnappte ich mir mein Smartphone und sah mir meine neuen Nachrichten an. Luisa hatte mir heute Morgen einen guten Morgen gewünscht, worauf ich noch gar nicht geantwortet hatte. Ich fühlte mich schlecht gegenüber meiner Freundin. Nicht, weil ich ihr nicht geantwortet hatte, sondern eher weil ich mich fühlte, als würde ich ihr etwas vorenthalten. Etwas, woran sie teilhaben sollte.
Ich schrieb ihr eine kurze Nachricht, in der ich sie fragte, ob sie vorbei kommen wollte, was sie sogar bejahte. Nicht lange darauf öffnete ich ihr die Tür und zog sie in meine Arme. Ihr Duft umhüllte mich und plötzlich fühlte ich mich ganz anders, ein wenig besser.
"Woah, hast du mich so sehr vermisst?", fragte sie und ich wusste nicht, ob die Frage ernst gemeint war oder nicht. Ich sah sie entschuldigend an und zog sie hinter mir her ins Wohnzimmer. "Was ist los? Geht es dir gut?", fragte sie nun besorgt. "Ich muss dir etwas erzählen." Sie schaute mich gespannt an und ich fing an zu erzählen.
"Ich bin neulich nicht in die Heimat gefahren, damit ich meiner Mom helfen konnte. Ich habe den anonymen Absender kontaktiert und mich mit ihr getroffen." "Mit ihr? Wer ist es?" "Es ist nicht nur eine Person, Luisa", sagte ich unsicher. "Aber dabei war Judith und sie erzählte mir dann von allem."
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Nordsee Wind
Teen Fictioncover by @bleibendestille Emma hatte gerade ihre Lehre abgeschlossen und sich dafür entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Sie war nun erwachsen genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Also zog sie von der Großstadt in einen kleinen Ort an der Nords...