Den gesamten Heimweg dachte ich an Judith und all das, was sie mir erzählt hatte. Noch immer fand ich nicht die richtigen Worte, um zu beschreiben, wie ich mich fühlte. Mir war klar, das ich mit jemandem darüber sprechen sollte, nur wusste ich nicht, ob Luisa dafür die richtige Person war. Was würde sie denken, wenn ich erzählen würde, dass ich mich mit meiner Ex getroffen habe?
Ich konzentrierte mich auf den Asphalt vor mir und fuhr schnell nach Hause. Meiner Freundin hatte ich bereits geschrieben, wann ich los gefahren war und ungefähr wieder da sein würde.
Dank der leeren Straßen kam ich zeitlich an dem Wohnhaus an, in dem Luisa wohnte. Mit ihrem zweiten Schlüssel schloss ich die Tür auf und atmete erleichtert aus, als diese hinter mir wieder ins Schloss fiel.
"Emma? Bist du es?", rief Luisas Stimme. Ich lief ins Wohnzimmer, da wo ihre Stimme herkam und fand Luisa wenig später an der Terrassentür stehen. "Ja ich bin's", antwortete ich wenig später mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie sah mich nun an, lächelte ebenfalls und streckte ihren Arm nach mir aus. Ich nahm ihre Hand und ließ mich von ihr in ihre Arme ziehen. Sie legte ihre Arme um meine Hüfte während ich meine hinter ihrem Kopf verschränkte. "Wie war die Fahrt?", flüsterte sie. "Ganz gut", sagte ich ebenso leise und versiegelte kurz darauf unsere Lippen miteinander.
Ein paar Zigaretten später schlug sie vor, ein wenig nach draußen zu gehen. "Die Luft hier drin bringt mich zum ersticken", begründete sie ihren Vorschlag. Ich stimmte ihr zu und half ihr auf dem Weg nach unten.
Vor der Tür übernahm ich die Leine vom kleinen Arlo und Luisa ihre Krücken. "Geht das mit den Laufen?", fragte ich sie um sicher zu gehen, dass es ihr keine Schmerzen verursachte. "Na klar. Vielleicht können wir uns gleich irgendwo setzen."
Wir spazierten zu einem kleinen Park, in dem wir den Hund laufen ließen und uns setzen konnten. "Wie war es?", fragte Luisa aus dem nichts. "Wie war was?"
"Na bei deinen Eltern, Dummerchen." Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf und überlegte, was ich sagen würde. "Es war gut. Wie gesagt, wir waren gestern fast den gesamten Nachmittag auf dem Dachboden und haben den alten Kram durchgesehen." "Hast du ein paar Sachen mitgenommen?" "Ja, aber die sind noch im Kofferraum. Ich wollte das Zeug heute Morgen nicht mit rauf bringen."
"Sollen wir nachher zu dir fahren und es da ab laden?" An sich keine schlechte Idee. "Können wir machen."
Also einigten wir uns darauf, bald wieder mit dem Hund zu ihr zu gehen, damit ich den kleinen hoch bringen und wir dann zusammen zu mir fahren konnten.
In meiner Wohnung stellte ich die Kiste mit den alten Bildern im Flur ab. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete durch. Anschließend öffnete ich die Balkontür, damit die Wohnung sich mit neuer, frischer Luft füllte. Luisa bot ich etwas zu trinken an, woraufhin sie sich für ein Glas Wasser entschied und ich ihr dieses dann brachte.
Nachdem ich Luisa meine Mitbringsel aus der Heimat gezeigt hatte, versuchte ich mich daran, die Bilder an die Wand zu hängen. Das Betrachten der Fotos brachte mir ein wenig Heimweh. Die meisten waren von meiner Familie oder von mir und meinen Freunden.
Ich hielt gerade das Bild von Nele, Sofie und mir in der Hand, das auf unserem Abschluss gemacht wurde. Die beiden trugen ein Kleid, während ich dort in einer Stoffhose und einer Bluse zwischen ihnen stand und wir lachend, fröhlich in die Kamera sahen. Ich weiß noch, das mir der Abend damals sehr wichtig war, auch wenn ich zu der Zeit meine Probleme mit Judith hatte.
"Du lässt dir den Abend nicht durch Judith oder dem Herrn Jansen ruinieren", sagte ich damals zu mir selbst und das tat ich auch nicht.
Nachdem dieses Bild seinen Platz auf einem Regal im Wohnzimmer gefunden hatte, setzte ich mich zu Luisa und betrachtete das Resultat.
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Nordsee Wind
Teen Fictioncover by @bleibendestille Emma hatte gerade ihre Lehre abgeschlossen und sich dafür entschieden, ihre Heimat zu verlassen. Sie war nun erwachsen genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Also zog sie von der Großstadt in einen kleinen Ort an der Nords...