Kapitel 1 - Hatte Robin recht?

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"Warum sagst du so etwas?" schreit er mich an. Frustriert raufe ich mir die Haare. Er kapiert es nicht. Will er es nicht akzeptieren oder sieht er es wirklich nicht? Dabei ist es nicht zu übersehen.

"Weil es einfach so ist." gifte ich zurück.

"Stimmt doch gar nicht. Wir haben..." fängt er an. Natürlich stimmt das. Ich habe all meinen Mut zusammen gekratzt um endlich mit ihm darüber zu reden. Es muss sich etwas ändern. Ich vermisse die Zeit von früher, wo wir füreinander da waren, miteinander geredet haben und wir die Nähe zueinander gesucht haben.

"Was haben wir? Fast keine Zeit füreinander? Arbeit? Dauernd Streit? Harry bitte, so kann das nicht mehr weiter gehen. Die Zeit läuft weiter, wir verändern uns. Vielleicht sollten wir einfach der Tatsache ins Auge sehen." versuche ich ihn zur Vernunft zu bringen. Nie hätte ich gedacht, dass es mal so zwischen uns aussieht aber seit fast 3 Monaten geht das jetzt so. Wir arbeiten, kommen nach Hause, reden fast nicht miteinander. Und wenn dann streiten wir. Wir sagen nicht mehr 'Ich liebe dich' oder verlieren uns in den Augen des anderen.

"Ja okay, ich weiss was du meinst. Ich merke es ja auch aber will es mir halt nicht eingestehen. Was sollen wir denn jetzt machen?" fragt er verzweifelt. Ich will ja nicht Schluss machen, dazu bedeutet er mir zu viel. Ich liebe ihn, auch wenn ich es ihm nicht mehr so sage aber er sagt es halt nicht mehr und ich habe Angst, dass er diese Worte nicht erwiedern kann, wenn ich sie sage.

"Ich weiss es nicht." seufze ich und setze mich auf die Couch. Das Gesicht in den Händen versteckt merke ich wie er neben mir sitzt. Er zieht mich nicht zu sich. Kein Arm um meine Schulter. Keinen Körperkontakt. Ich glaube er sieht mich nicht einmal an.

"Lilly? Meinst du wir sollten eine Auszeit nehmen?" fragt er leise. Die Vorstellung lässt meine Augen wässrig werden. Von ihm getrennt zu sein ist das schlimmste für mich. Egal ob räumlich oder so wie die letzten 3 Monate.

"Ich weiss nicht." seufze ich wiederholt. Ich drehe meinen Kopf und schaue ihn an. Sein Blick ist auf den Boden gerichtet aber eine kleine Träne kullert aus seinem Augenwinkel seine Wange hinunter, bis er sie wegwischt. Wenn er weint, bedeute ich ihm dann vielleicht doch noch etwas?

"Ich meine, wir sind älter geworden, haben die Schule abgeschlossen und zu Arbeiten angefangen. Vielleicht haben wir uns einfach zu sehr an uns gewöhnt." sagt er.

"Denkst du Robin hatte recht?" frage ich leise. Seine Worte haben mich zum Nachdenken gebracht. Robin hat immer gesagt, dass wir zu jung sind für die wahre, die große Liebe. Wir wollten es ihm zwar nie glauben aber was wenn er recht hat?

"Wenn es nach ihm ginge, hätten wir keine Zwei Jahre ausgehalten. Das haben wir aber und deshalb denke ich nicht, dass er recht hat." Stimmt auch wieder. Wir sind jetzt zwei Jahre zusammen, er hätte uns nicht einmal 4 Monate gegeben. Vor etwa einem Monat war unser 2 Jähriges. Wir haben den Tag schön gefeiert. Der einzige schöne Tag in den letzten 3 Monate. Leider nicht so schön wie unser einjähriges oder Geburtstage. Es ist dafür einfach gerade eine schwere Zeit.

"Weißt du?" seufzt er. "Ich habe immer gedacht wir bleiben für immer zusammen. Das uns nichts auseinander bringt und jetzt sitzen wir hier und überlegen wie es mit uns weiter geht. Und das nur weil der Alltag uns eingeholt hat."

"Denkst du wirklich nur der Alltag ist es?" Viele Beziehungen enden, weil man sich zu sehr aneinander gewöhnt. Die Liebe vergisst man. Vielleicht ist sie noch in einem drinnen aber man spürt mit der Zeit kein Kribbeln in Bauch, nur wenn er dir die Hand reicht. Die Elefanten im Bauch feiern weniger Party. Kann man das aufhalten und alles wieder so hinbekommen wie am Anfang der Beziehung?

"Ich denke schon. Man gewöhnt sich eben an einander. Wir haben nun mal einen Alltag. Du arbeitest, ich arbeite, Zuhause gibt es dann Essen und jeder macht das, was er will. Wir haben lange nicht mehr richtig Zeit miteinander verbracht, obwohl wir zusammen wohnen. Wann haben wir das letzte mal auf der Couch gekuschelt und einen Film gesehen? Oder uns mit so viel Hingabe und Leidenschaft wie früher in die Augen gesehen oder geküsst? Zeit verändert alles. Gefühle, Meinungen. Einfach alles." antwortet er mir. Ja da hat er recht.

"Mhm." mache ich nur etwas verletzt. Das heißt also, dass er mich nicht mehr liebt. Zumindest nicht so wie Früher. Deshalb sagt er es auch nicht mehr. Wir haben es dauernd gesagt, mal er, mal ich aber es wurde nach hinten geschoben und jetzt habe ich einfach Angst, diese Worte zu sagen. Ist das jetzt unser Ende? Das Ende unserer Beziehung? Hatte Robin die gamze Zeit recht? Obwohl wir zwei Jahre, zwei wundervolle Jahre zusammen verbraucht haben.

"Ich liebe dich." murmelt Harry plötzlich ganz leise nach einer Weile. Ungläubig schaue ich zu ihm. Er schaut mich auch an.

"Echt?" bringe ich nach ein paar Versuchen etwas zu sagen heraus. Mit großen Augen schaue ich in sein trauriges aber ehrliches Gesicht. Seine Augen sind rot und ein kleines Lächeln liegt auf den Lippen.

"Natürlich, ich habe nie aufgehört."

"Ich liebe dich auch." erwieder ich die Worte, die zu lange nicht mehr ausgesprochen wurden. Eine Träne der Freude kullert aus meinem Auge ehe ich mich zu ihm beuge, wohl eher auf ihn stürze und ihn küsse. Mit so viel Gefühl wie ich nur kann. Und da sind sie wieder, die Elefanten in meinem Bauch. Wie sehr ich sie und auch seine Lippen vermisst habe. Wie sie sich immer noch sympathisch bewegen, als wären sie eins. Das habe ich vermisst. Wir haben uns einen kleinen Kuss gegeben, zum Abschied oder zur Begrüßung. Aber kein Kuss mit Hingabe und Liebe. Nur ein kleiner Kuss ohne Bewegung, nicht einmal 3 Sekunden lang.

"Wieso hast du so überraschend reagiert? Du weisst doch, dass ich dich liebe. Oder?" fragt er als wir uns lösen. Neugierig schaut er mich an. Ich löse meinen Blick von seinen Lippen, die ich so unbeschreiblich vermisst habe und mustere den braunen Teppichboden in unserem Wohnzimmer. Er bringt den perfekten Akzent im Gegensatz zu den hellbeigen Wänden.

"Naja, wir habe die Worte nicht mehr gesagt und auch so wenig Zeit miteinander verbracht, dass ich dachte du liebst mich halt nicht mehr." gebe ich leise zu. Er hebt mit zwei Fingern mein Kinn, so dass ich ihn anschauen muss. Das macht er immer noch. Aber es liegt einfach an mir. Ich mag es nicht jemanden anzusehen, wenn es mir peinlich ist oder mich traurig macht. Vieles hat sich in den letzten zwei Jahren geändert. Nur das nicht.

"Und wieso hast du es nicht mal gesagt? Oder gefragt? Ich weiss, dass ich es nicht gesagt habe aber es ist untergegangen. Ich habe dich aber immer geliebt nur nicht mehr erwähnt. Ich dachte du weisst das." Gezwungenermaßen schaue ich ihm ins Gesicht. Er sieht mich herausfordernd aber auch leicht verletzt aus seinen wunderschönen grünen Augen an. Sie leuchten seit langem mal wieder so wie früher. Sie leuchten vor Liebe und Freude. Was aber wenn sie geleuchtet haben nur ich habe es nicht gesehen? Nicht darauf geachtet?

"Ich hatte Angst, dass du sie nicht erwiedern kannst." murmel ich. Er löst seine Hand von meinem Kinn und nimmt mich fest in den Arm.

"Das tut mir leid. Ich liebe dich wirklich, so wie am ersten Tag." schluchzt er in meine Halsbeuge. Warte? Schluchzt? Schnell drücke ich ihn an den Schultern weg um ihm ins Gesicht schauen zu können. Tatsächlich, er weint. Und das passiert nicht oft.

"Nicht weinen, Schatz." tröste ich ihn und streiche sanft die Tränen weg, obwohl auch mir die ein oder andere die Wange hinunter rollt. Lächelnd blickt er mich an.

"So hast du mich lange nicht genannt." schmunzelt er. Leicht rot im Gesicht drehe ich ihn weg. Trotzdem ein kleines Lächeln im Gesicht.

"Ich dachte ich habe dich verloren." murmel ich.

"Hast du nicht. Jetzt wird es besser Süße. Das verspreche ich dir." sagt er und drückt mir noch einen Kuss auf die Stirn bevor er das Wohnzimmer mit mir im Schlepptau verlässt und ins Schlafzimmer geht. Es ist mittlerweile 0:30 Uhr und morgen müssen wir beide arbeiten. Höchste Zeit endlich schlafen zu gehen.

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