Biss zum Morgenrot [Ereri/Riren]

Kapitel 37

"Ich werde ihm nachgehen, Euer Hoheit.", erklang es Hanjis Stimme. Es war keine Frage, es war eine Aussage. Doch trotzdem sagte die Königin: "Tu dir keinen Zwang an, Hanji." und wunk ab.

Sofort lief die Braunhaarige in die selbe Richtung, in der Levi soeben verschwunden war. Sie hatte so eine leise Ahnung, wo er nun sein würde. Es war noch dunkel und der Mond stand hoch am Himmel. Es war wie damals, als sie mit Eren an der Lichtung waren. Dass hatte bestimmt auch Levi gemerkt. Und schon begab sich Hanji auf den Weg zu besagter Lichtung.

Der Wind pfiff ihr um die Ohren und ließ ihre Haare zurückwehen. Die Äste knarrzten, als sie mit ihren Füßen auf diesen aufkam, um sich Schwung für einen weiteren Sprung zu holen. Anders als Reinblüter können Halbblüter nicht so lange in der Luft bleiben und müssen sich öfters abstoßen.
Schon von nicht so weiter Entfernung konnte sie den Schwarzhaarigen sehen, wie er auf dem selben Ast saß und auf die selbe Lichtung blickte. Er müsste inzwischen auch mitbekommen haben, dass Hanji ihm hinterherkam. Mit einem letzten Sprung schloss sie die Entfernung zwischen Levi und ihr, womit sie auf den selben Ast landete.

Levi seufzte. "Was willst du, Vierauge?", entkam es ihm monoton. "Naja, was kann ich schon wollen? Ich wollte dir einfach ein wenig Gesellschaft leisten.", sprach sie enthusiastisch und setzte sich neben den Schwarzhaarigen. "Kannst du nicht einfach gehen? Ich will alleine sein." Hanji schüttelte den Kopf. Es wäre keine gute Idee, Levi mit seinen Gedanken alleine zu lassen, so dachte Hanji darüber. Nicht das er noch was dummes tat. "Nö, das kann ich leider nicht. Tut mir leid, Levi, aber das musst du eben aushalten!" - "Was habe ich auch erwartet? Es hätte mich doch sehr gewundert, wenn du einfach so abgehauen wärst...So wie er...", murmelte er bedrückt und schaute hoch in den Mond, wodurch seine Haare ein Stück nach hinten fielen und sein Gesicht so noch mehr mit dem weißen Licht bestrahlt wurde.

"Du, Levi?", kam es von Hanji, die einen besorgten Unterton innehielt. Levi brummte zustimmend. "Ich würde gerne mit dir über etwas reden...", fing sie an. Sie redete einfach weiter, ohne eine Einstimmung von Levi zu bekommen, das war ihr momentan egal. "...Was hast du gemacht, als du weg warst?", fragte sie neugierig. War es nicht offensichtlich, was er getan hatte? Oder war Hanji wieder zu blind, um es zu verstehen? "Du weißt doch was ich gemacht habe, Hanji...", sagte er leise brummend. Er hatte keine Lust über seine Sünden zu reden, wenn man sie eh nicht wieder umkehren konnte. Wie gerne würde er in die Vergangenheit reisen können, um so einige seiner schrecklichen Taten ungeschehen zu machen... Doch dies ging nicht. Es würde niemals gehen. "Nein, was du wirklich getan hast, Levi. Klar, du hast gemordet. Und das sehr viel. Aber ich bin mir sicher, das war nicht das einzige, was du in den unzähligen Wochen gemacht hast, die du nicht da warst. Ich kenne dich doch." - "Wenn du mich kennen würdest, dann wüstest du, was ich gemacht habe.", zischte er und schaute kurz in die Augen Hanjis, die ein besorgtes Funkeln hatten. "Ich will es aber von dir hören. Ich will, dass du es laut sagst und es dir klar vor Augen führst." Wieder seufzte der Schwarzhaarige und fuhr sich nachdenklich durch die Haare.

Wenn er so drüber nachdachte, gab es eigentlich nichts, was dagegen sprach. Aber warum fiel es ihm dann so schwer? Es war nur Hanji, die hier war. Und auch wenn er es nicht gerne zugab, so war Hanji nach Eren wohl die einzige Person gewesen, die er mit irgendwas betrauen konnte. Auch wenn Hanji eine ziemliche Plaudertasche sein konnte, so war sie aber auch eine unglaublich gute Freundin. Sie beurteilte ihn nicht nach seinem Rang oder seinen Worten. Sondern nach seinen Taten und dessen Hintergrund. Sie verstand wie Levi dachte und konnte sich immer gut in ihn hineinversetzen. Aber er konnte es nicht so leicht sagen. Wenn er es sagen würde, so würde er seinen eigenen Worten widersprechen und sie ungültig machen. Wenn er es sagen würde, so würde es nur noch mehr schmerzen. Dieser Verlust...

"Ich...Ich habe nach Eren gesucht...", kam es leise von ihm. Es schien fast so, als wenn er seinen Worten fast keinen Glauben schenken konnte, was auch zum Teil der Fall war. Er hatte nach ihm gesucht, obwohl es schon von Anfang an vergebens war. Er hatte nach ihm gesucht, weil er einfach nicht damit klar kam, dieses schöne und unbeschwerte Lächeln nicht mehr zu sehen. Er wollte Eren so sehr wiedersehen. Nur noch ein letztes Mal... Mehr wollte er nicht. Aber er hatte seine Hände in Schuld gewaschen und in die Dunkelheit gehalten.

"Und wieso hast du Eren gesucht?", fragte Hanji nun weiter. Sie wusste es bereits, aber auch hier sollte sich Levi dies klar machen. Und das würde nur klappen, wenn er es laut sagen würde. So, dass es auch in seinem Herzen ankam und nicht nur in seinem Kopf.

"Weil...weil er mir sehr wichtig war. Und ich nicht damit klar kam, dass er auf einmal weg war.", gestand er und blickte auf seine Hände, die ineinander verschränkt auf seinem Schoß lagen. Beruhigend legte Hanji einen Arm um Levis Schultern und zog ihn somit etwas zu sich ran. Levi lehnte seinen Kopf gegen die Schulter Hanjis und ließ die Tränen fließen, die er soeben noch mit Mühe verdränkt hatte. "Und genau weil er dir so wichtig war, darfst du nicht aufhören, an ihn zu denken und an ihn zu glauben. Levi, es hört sich jetzt unsinnig an, aber ich kann verstehen wie du dich fühlst. Du hast ihn nicht nur gemocht, du hast ihn geliebt. Und ich bin mir sicher, er liebte dich auch. Nur war eben noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Und ich bin mir sicher: Er wird noch kommen. Dass verspreche ich dir. Eren wird wieder zurückkommen. Zu dir zurückkommen... Die Zeit wird kommen und bis dahin darfst du den Glauben an Erens Stärke nicht aufgeben. Versprichst du mir das?", sagte sie und hatte in mitten ihrer Erzählung angefangen Levis Hand zu halten. Er wehrte sich auch nicht dagegen. Es fühlte sich in dem Moment einfach zu gut an, von einer Person gehalten und verstanden zu werden. Und nicht wie Mikasa, die ihn in eine Ecke drängte und zutextete. Hanji war da anders. Sie hörte zu und sagte dann etwas dazu. Sie ließ ihm Zeit, es zu überdenken und zu verarbeiten.

Er löste sich aus Hanjis halber Umarmung und wischte sich kurz seine Tränen aus seinem Gesicht. Es war schon ewig her, seitdem er vor einer Person geweint hatte. Und noch immer war es ihm unangenehm. Nur bei Hanji eben weniger. Und das mochte er. Er konnte mit ihr frei sprechen. Auch wenn es vermutlich auch an den Entzugserscheinungen lag. Ihm brannte der Hals.
"Ich versprech's.", sprach er wie ein Flüstern und musste darauf kurz lächelns, als das Gesicht des Jungen in seinem Kopf wieder hervorkam. Wie er lachte und seine Augen voller Lebensfreude strahlten. Wie er durch den Wald in finsterster Nacht huschte und mit Levi 'Fangen' spielte. Es gehörte zu einem Trainingsprogramm, dieses Fangen. Da war Eren noch nicht ganz so stark, wodurch Levi diesen 'Kampf' gewann. Es war schon witzig, wie der Braunhaarige sich damals noch wie ein kleines Kind über jeden Sieg gefreut hatte und stolz Mikasa und Hanji davon erzählte... Eine friedliche und amüsante Zeit.

-

Noch eine weitere Stunde saßen sie da. Lauschten den leisen Geräuschen des Waldes und dem Rauschen des Flusses. Es war unglaublich, was wür eine Wirkung ein Ort auf eine Person haben konnte. Doch wäre da nur nicht dieses Gefühl, was die komplette Atmophäre niedermachte.
"Hanji, da ist etwas.", murmelte er nachdenklich. Irgendwas hatte in den Büschen entfernt von ihnen geknackt. Irritiert sah sich Hanji um, doch bemerkte nichts. Sie hatte nichts derartiges gehört.

"Ich sehe da nichts, Levi. Was ist denn?", sprach sie und schaute sich weiter vorsichtig um. Wenn Levi etwas wahrnahm, dann war hier wirklich etwas. Niemals würde er dies sagen, wenn nicht wirklich etwas vor sich ging. Levi konnte eine Lage gut einschätzen.

"Sie sind hier. Wir müssen das sofort meiner Mutter melden. Die Feinde kommen!" Binnen Sekunden nachdem er dies gesagt hatte, sprang er bereits vom Ast ab und machte sich unverzüglich auf den Weg zurück zum Schloss. "Hey! Warte mal, Levi!", rief ihm Hanji hinterher, doch Levi war schon zu weit vorne.

Nun hatte er begonnen, der Krieg.