"...Eren...", kam es wimmernd aus seinem Mund.
Levi konnte nicht glauben, wen er hier vor sich hatte. Eren stand hier lebendig vor ihm und schaute ihn an. Er war hier, nach all den Jahren. Levi hatte Eren endlich gefunden.
Eine gewaltige Last fiel von seinen Schultern. Doch sein Gesicht wurde von Zweifeln geziert. War es denn noch der Eren, den er einst kannte? War es noch der Eren, den er zu lieben gelernt hatte? Levi wusste es nicht. Und es schmerzte ihn so ungeheur sehr, dass er einfach nichts getan hatte, um Eren aufzuhalten. Seine Hände waren schwarz vor Selbsthass. Wie konnte er nur denken, dass Eren nicht mehr lebte?
Und doch... fühlte er reine Freude, als er den Braunhaarigen vor sich sah. Er fragte sich gerade, was in all der Zeit mit ihm passiert war. Warum war er so? Levi erkannte sofort, dass es ein anderer Eren war. Dieser Eren war getrieben von Hass und Wut. Seine Augen schrien nach Rache und seine Hände waren krampfend zu Fäusten geballt.
Eren wagte ein paar Schritte nach vorne und sah niederbringend auf ihn herab. Doch Levi war noch so gefesselt von dem Anblick Erens, dass er gerade an nichts anderes denken konnte.Doch Eren sah alles andere als erfreut aus. Sein Blick war getrübt. Er sah durch seine Augen nur den Mann, der für den Tod seiner Eltern schuld war. Er war schuld, dass es nun so war und keine andere Wahl hatte. In seinen Augen war das Leben ohne etwas schätzenswertes einfach nur sinnlos. Und Levi hatte seiner Meinung nach dieses etwas genommen. Seit dem Tag vor vier Jahren hatte er ununterbrochen an seinen Fähigkeiten gearbeitet, nur um sie an diesem Tag einsetzen zu können.
Würde er diesen Mann töten, so würde er all die Macht erlangen, die er wollte.
"Wie...wie kannst du noch leben...?", sagte Levi leise mit großen Augen. Doch Eren ignorierte diese Frage und trat vor Levi heran, hockte sich vor ihn hin und sah ihm in die Augen.
"Du widerst mich an.", sprach er gehässig. Darauf zuckte Levi kurz, obwohl er sich sowas schon gedacht hatte. Es war nicht der wahre Eren, der hier sprach. Trotzdessen schmerzte es, diese Worte aus Erens Mund zu hören. Aber Eren hatte recht. Levi war nicht mehr er selbst. Das erkannte selbst er, obwohl er lange Zeit auf diesem Trip war und alles ausblendete. Doch jetzt, wo Eren so nahe bei ihm war, wurde es ihm schlagartig bewusst. Mit einem Schlag kamen all die Schuldgefühle zurück und schienen ihn zu erdrücken. Levi schaute nach unten. Die Haare fielen ihm ins Gesicht.
"Du bist an allem schuld, Levi. Du bist daran schuld, dass meine Eltern tot sind!" Levis Kehle war wie zugeschnürt. Er bekam kein Wort heraus. Der Mund war zwar offen, doch fiel ihm nichts ein. Eren war nicht er selbst. Er würde ihn nicht verstehen oder gar so freundlich sein und ihm zuhören. Nein, so war er nicht. Eine einzelne Träne floss über die Wange des Schwarzhaarigen. Eren zischte gehässig und schubste ihn an der Schulter an, worauf er etwas nach hinten schwankte. "Jetzt sag doch mal was! Ich will es hören! Mörder... Ich will hören, dass du daran schuld bist! Bevor—" Eren verstummte, als Levi seinen Kopf nach oben hob und in die Augen des anderen sah. Levis Augen waren matt und schienen jegliche Gefühle losgelassen zu haben. Oder war es nur ein Schein, der für Eren bestimmt war?
"Bevor du mich tötest? Aber Eren... Bist du nicht auch ein Mörder?", gab Levi leise an und machte nicht den Anschein, wegzusehen. Dieser intensive Augenkontakt war Eren unangenehm und so sah er kurz zu Reiner, der immer noch friedlich am grinsen war. "Ich lass' euch mal alleine. Ihr werdet jetzt sicher euren Spaß haben. Ach und Eren? Quäl ihn nicht zu sehr und mach es schnell. Wenigstens das sollte drin sein.", meinte Reiner und verschwand. Eren sah ihm noch hinterher und schnalzte mit der Zunge.
"Wie erbärmlich...Du schreist ja richtig nach Hilflosigkeit." Levi hatte einen Plan, den er gerne austesten würde. Vielleicht würde er Schlimmeres noch verhindern können. Oder auch nicht. Auf Levis Worte hin griff Eren schnell um seinen Hals und drückte Levi zu Boden. Er drückte so sehr zu, dass Levi schmerzend aufkeuchen musste. "Halt doch die Klappe! Du hast gar keine Ahnung, wovon du redest! Ich werde dich töten! Du sollst leiden! So wie meine Eltern es getan haben!", schrie er ihm ins Gesicht. Doch Levi verzog keine Miene. Er schaute auf einmal wieder genauso kalt drein wie immer. Und das schien Eren so gar nicht zu gefallen. Er holte aus und schlug mit seiner Faust voller Kraft gegen Levis Kiefer. Getroffener flog einige Meter nach hinten und schlug gegen einen Fels. Blut floss an seinem Kopf herunter und er hatte die Augen zugekniffen. Er hatte nicht vor gegen Eren zu kämpfen. Auch wenn er es konnte. Er wollte ihn nicht verletzen. Zudem es für ihn selbst gerade nicht gut war.
"Na los! Kämpfe gegen mich! Sonst ist es doch langweilig! Ich will richtig gegen dich kämpfen. Und nicht so wie damals, als du extra deine Kraft zurückgezogen gehalten hast!", brüllte Eren auffordernd. Ein drückender Schmerz breitete sich in Levis Kopf aus, worauf er sich ihn hielt. Es war ein tiefes Stechen, als wenn jemand mit einem Messer ihn diesen einschlug. Nur schwer richtete er sich auf und nahm eine normale Haltung ein. "Ich werde nicht gegen dich kämpfen, Eren,", sprach er wie die Ruhe selbst. Sein Blick war getränkt von Entschlossenheit. Eren wurde von Wut gepackt und er raste auf Levi los. Doch dieser bewegte sich kein Stück und kassierte einen deftigen Schlag von Eren in seinen Bauch. Wenn Eren ihn schlug, war es nur halb so schlimm. Er konnte es ertragen, so lange wie er musste.
"Warum nicht?! Bist du so arrogant, dass du dich weigerst?!Denkst, ich bin es nicht wert, gegen mich zu kämpfen?! Das ist doch jämmerlich, Levi! Du bist jämmerlich!" - "Kann schon sein. Ich werde aber trotzdem nicht gegen dich kämpfen", sagte er, schaute entschlossen. Levi wischte mit seinem Ärmel einmal über seinen Mund, da er durch den Aufprall Blut gespuckt hatte. Eren seufzte. "Na schön", brummte er und sogleich folgte noch ein Tritt seiner Seits. Levi flog Meter weit und wirbelte einige Male, ehe er anhielt. Wäre er durch die anderen Kämpfe nicht etwas geschwächt, könnte er jetzt wirklich gegen Eren kämpfen. Doch er wollte Eren nicht verletzen. Auch wenn es wahrscheinlicher war, dass er Spuren davon trug, nicht Eren. In den wenigen Schlägen war so eine Kraft, die Eren bis vor ein paar Jahren nicht hatte. Er war immens stärker geworden. Doch nicht nur er. Levi auch. Aber wenn sein mehr oder weniger schlauer Plan wirklich funktionieren sollte, so durfte er jetzt nichts gegen Erens Angriffe tun.
Levi drehte sich auf den Bauch und stützte sich mit seinen Unterarmen auf dem Boden ab. Er hustete Blut, das war nicht gut. Obwohl sowas bei Vampiren kein Problem darstellen sollte, waren Erens Treffer anders. Vor einiger Zeit wurde Levi von Eren während des Trainings verletzt und die Wunde verheilte nicht. Was zurück blieb war eine Narbe, die Levi auf ewig zeichnen sollte. Und wenn er jetzt schon wegen ein paar Schlägen so viel Blut hustete, würde es nicht gut für ihn auslaufen. Da war er sich sicher. Doch er steckte sie gerne ein. Soweit die Chance war, dass alles einmal wieder so werden könnte wie früher, so kämpfte er gegen den Schmerz an. Immer weiter.
"Was ist nur los mit dir, Levi?! Du hältst doch normalerweise mehr aus...", sprach Eren mit düsteren Ton und lief zu Levi, der immer noch am Boden lag. "Tja... Ich denke das kommt vom Alter..", hauchte Levi, doch Eren verstand es klar und deutlich. Der Braunhaarige lachte humorlos auf und griff in Levis Hemd, zog ihn hoch, sodass er vor ihm kniete. Gleich danach folgte ein Faustschlag gegen Levis Auge und er fiel wieder nach hinten. Er versuchte sich aufzurichten, doch unterband dies Eren, als er mit seinem Fuß auf den Hals von Levi drückte. Der Schwarzhaarige umklammerte Erens Bein und versuchte so etwas mehr Bewegungsfreiheit zu erlangen. "Verarsch' mich nicht, Levi. Ich sehe doch ganz genau, dass etwas mit dir ist. Und ich...", er schaute von oben bis unten Levis Körper an. Dabei entging ihm auch nicht das auffällige Zucken seiner Hände und seine unruhigen Beine. Dies machte es für den Braunhaarigen eindeutig, was mit Levi los war. Er erkannte die Symptome ganz genau. "Du bist süchtig...", sprach er leise gezischt und verstärkte seinen Druck auf Levis Hals. Levi keuchte auf und versuchte immer wieder Erens Bein von ihm zu bekommen. Leider ohne Erfolg.
"Wie erbärmlich... Kein Wunder. Es sind sicher schon ein paar Stunden her, seitdem du das letzte Mal Blut getrunken hast. Dein körper schreit richtig danach. Es ist gerade für dich bestimmt die Hölle. Aber mir soll's egal sein. Gleich werde ich dich von deiner Schuld und deinem Leid befreien, Levi." Eren nahm seinen Fuß weg, womit Levi hustete und sich den Hals hielt. Deutliche Spuren zierten nun Levis Haut. Sie würden wohl auch nicht so leicht weichen, das war klar.
Eren griff Levis Oberteil und zerrte ihn nun nach oben, damit sie auf einer Augenhöhe waren. Levis Gesicht war überseht von blauen Flecken und Wunden, die durch die Wucht der Schläge entstanden waren. Er betrachtete kurz sein Werk, ehe er mit der Zunge schnalzte und Levi nochmal in die Augen sah. Doch sie hatten nicht den Schein, den er gerne hätte. Sie glänzten. Doch davon ließ er sich nicht beirren und machte weiter."Noch irgendwelche letzte Worte?", sprach er voller Hass. Und Levi kamen tatsächlich ein paar Worte in den Sinn, die er für zu lange Zeit dem Braunhaarigen gegenüber verschwiegen hatte. Und wann, wenn nicht jetzt? Immerhin konnte keiner in die Zukunft sehen.
"Ich liebe...dich, Eren..."
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Biss zum Morgenrot [Ereri/Riren]
Hayran KurguDie schon immer angespannte Stimmung zwischen den Vampirvölkern macht die Kommunikation nicht gerade leicht. Ein Krieg schleicht sich an, als etwas unerwartetes passiert. Ein Junge, damals noch grün hinter den Ohren, will es seinem Vater beweisen u...