N e u n u n d d r e i ß i g

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Song: Style - Taylor Swift

Ein luftiges Sommerkleid und roter Lippenstift. Neuer, wohlgemerkt, der nicht so leicht verschmierte wie damals in Plymouth. Hätte ich von Alex' Plänen gewusst, hätte ich mich allerdings für keins der beiden Dinge entschieden. Daran konnte auch der begehrenswerte Blick, mit dem er mich von oben bis unten in Augenschein nahm, als ich am Nachmittag durch die Eingangstür nach draußen trat, kaum etwas ändern.

Er selber trug helle Shorts und ein dunkles Leinenhemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt und die obersten Knöpfe verlockend weit aufgeknöpft hatte. Eine Sonnenbrille baumelte in dem Ausschnitt. Gott, er sah unverschämt gut aus und ich musste mich zusammenreißen, um mich nicht auf ihn zu stürzen.

Ich konnte nicht fassen, dass er mein Date war. Dass er auf mich mit diesem umwerfenden Lächeln zukam, einen Arm um meine Taille schlang und mir einen einzigen, aber langen Kuss auf den Mund presste.

„Stehen mir die roten Lippen genauso gut, wie dir?", fragte Alex, sobald er sich wieder von mir löste. Mein Blick huschte zu seinem Mund, dem nicht anzusehen war, was er gerade getan hatte.

„Du hast Glück, der Lippenstift ist kussecht."

Er hob anmaßend eine Augenbraue. „Kussecht? Hast du den etwa mit Intentionen gekauft? Dein letzter war ja nicht so... haltbar."

Ein unschuldiges Lächeln aufsetzend hob ich einfach eine Schulter. „Wer weiß?" Dass die Stylistin, die uns alle vor dem Sommerfest hergerichtet hatte, ihn mir überlassen hatte, nachdem sie mir damit die Lippen geschminkt hatte, musste er ja nicht wissen. Genauso wenig, wie dass ich ihn vor dem Sommerfest aus Angst vor weiteren Missgeschicken wieder losgeworden war.

„Das werde ich als Ansporn nehmen, um mich heute besonders ins Zeug zu legen", murmelte er rau und zog mich für einen weiteren Kuss an sich.

Als wir uns wieder voneinander lösten, deutete ich mit hei0en Wangen auf die beiden Fahrräder, die auf der gepflasterten Auffahrt standen. „Gehört dazu ein Fahrradrennen, um mich zu beeindrucken? Weil dann würde ich in Erwägung ziehen, mir noch schnell ein anderes Outfit rauszusuchen."

Er schüttelte grinsend den Kopf. „Ich habe andere beeindruckende Pläne in petto. Wir sind auch nicht allzu lange unterwegs, dementsprechend würde ich behaupten, dass du keine Probleme bekommen solltest."

Zögerlich umfasste ich den Riemen meiner Handtasche. Ich hatte Lippenstift darin, Taschentücher und Deo. Nichts, was für eine Fahrradtour nützlich wäre, wie eine Flasche Wasser beispielsweise. Das war das Problem dabei, dass er mir gestern Abend von seinen Plänen nichts hatte verraten wollen und mich stattdessen mit vielversprechendem Augenbrauenwackeln in meinem Zimmer zurückgelassen hatte.

„Für Verpflegung ist gesorgt", erklärte Alex, als hätte er meine Gedanken erraten und nickte in die Richtung eines Rucksacks auf dem Boden, der mir bislang nicht aufgefallen war.

„Okay", sagte ich langsam. Er hatte tatsächlich an alles gedacht. Nicht nur an den richtigen Zeitpunkt für den Start dieses Ausflugs, damit Mr und Mrs Parker, die mit Lillian Freunde besuchten, keine dummen Fragen stellen konnten.

„Dann los?", fragte er.

Ich nickte und hob den Gurt meiner Tasche über meinen Kopf, damit sie nicht bei der nächsten Gelegenheit einen Abgang machte. Alex schulterte den Rucksack – zugegebenermaßen ein sehr ungewohnter Anblick – und ich folgte ihm die wenigen Schritte zu den Rädern.

Ein sportliches Mountainbike und ein mintgrünes Damenrad mit einem Korb aus Bast am Lenker. Es war unverkennbar, welches Fahrrad für mich vorgesehen war.

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