Mein Kopf fühlte sich blechern an. Jede noch so kleine Bewegung meines Körpers bereitete mir Schmerzen und ich schaffte es kaum, einen klaren Gedanken zu fassen, weil ich die komplette Nacht nichts anderes getan hatte, als nachzudenken – und zu heulen. Mein Kissenbezug war immer noch feucht, als ich am frühen Nachmittag gedankenverloren mit den Fingern darüberstrich.
„Brooke? Hast du das verstanden?"
Ertappt zog ich meinen Arm zurück. „Hm? Sorry, was?"
Tante Erins Seufzen klang durch die Telefonleitung. „Was ist denn heute los mir dir?"
Einhändig massierte ich die Schläfe, an dessen Seite ich mein Handy nicht ans Ohr hielt. „Ich habe nur miserabel geschlafen und deswegen Kopfschmerzen", brummte ich und stellte fest, dass das tatsächlich die Wahrheit war. Den Grund dahinter musste sie ja nicht wissen.
„Oh, Schätzchen. Ich dachte es wäre besser geworden mit deinen Schlafproblemen."
Angestrengt schloss ich meine Augen. Am liebsten würde ich mich einfach auf meiner Matratze ausstrecken und so lange schlafen, bis die ziehende Sehnsucht nach Alex sich in Luft auflöste. Oder wenigstens ein paar Stunden, damit ich Tante Erin ausgeschlafen Rede und Antwort stehen konnte.
„Es ist mal besser und mal schlechter", erklärte ich ihr. Auch das war nicht gelogen, aber dass es in letzter Zeit weniger an Moms und Dads Unfall lag und mehr an einem gewissen blonden Typen in meinem Arbeitsumfeld, musste sie genauso wenig wissen.
„Vielleicht solltest du doch nochmal in Erwägung ziehen, es mit Schlaftabletten zu versuchen", schlug sie vor und ich stöhnte.
„Nein, das werde ich nach wie vor nicht tun."
Und die Diskussion darüber würde ich jetzt auch nicht schon wieder mit ihr führen. Tante Erin hatte mir zum ersten Mal eine Schlaftablette in die Hand gedrückt, nachdem der Unfall einige Tage her war und ich jede Nacht schweißgebadet aus Albträumen hochschreckte, die mich bis zum Morgengrauen davon abhielten, wieder einzuschlafen. Ich hatte sie geschluckt und hatte so tief und fest geschlafen, dass es mir auch nach fast zwölf Stunden Schlaf extrem schwergefallen war, wach zu bleiben. Der Kontrollverlust über meinen eigenen Körper hatte mich so sehr verängstigt, dass ich auch nach den schlimmsten Albträumen nie in Versuchung gekommen war, eine Schlaftablette zu nehmen.
Tante Erins kapitulierendes Ausatmen sprach Bände. Zu meiner Überraschung verschonte sie mich heute mit ihren Argumenten und sagte stattdessen: „Wahrscheinlich ist es so ohnehin vernünftiger, nachher wirst du von den Dingern noch abhängig."
„Eben", stimmte ich ihr zu und beeilte mich, das Thema zu wechseln. „Was hast du eben erzählt, was ich offensichtlich nicht verstanden habe?"
„Dass Charlie sein Urteil bekommen hat", wiederholte sie den Teil, bei dem ich noch aufmerksam zugehört hatte. Trotzdem ließ ich sie geduldig reden und konzentrierte mich darauf, meine Gedanken nicht schon wieder zu Alex streifen zu lassen. „Ich war heute Vormittag mit ihm und seinem Anwalt beim Gericht. Es ging dort alles recht schnell, Charlie musste ein paar Fragen beantworten, warum er die Kette gestohlen und den Diebstahl geleugnet hat und hat sich dann dafür entschuldigt. Dazu hat Mr Kline ihm geraten, damit das Strafmaß möglicherweise geringer ausfällt. Das Ende vom Lied sind nun also Sozialstunden, die er aber in Boston antreten kann. Das Urteil wird auch zu euch nach Hause geschickt und sobald ihr es erhalten habt, könnte ihr euch damit an die Behörden in Boston wenden, die dann wahrscheinlich gucken, wo sie Charlie einsetzen können."
„Okay", kommentierte ich die Fülle an Informationen langsam. Ein kleines Schuldgefühl nagte an mir, weil ich Charlie bis auf eine mutmachende Nachricht am Morgen nicht unterstützt hatte. Ich war einfach zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen. „Wie hat er es weggesteckt?"
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Sommergewitter
RomanceWo strahlender Sonnenschein auf eiskalte Wellen trifft, schneidender Wind auf gespannte Segel und High Society auf urige Fischerdörfchen kollidieren die Herzen von Brooke und Alexander wie Donner in einem Sommergewitter. Drei Wochen als Kindermädche...