F ü n f z e h n

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Song: Aftergold (ft. Tove Styrke) - Big Wild, Tove Styrke

Ohne diese Menge an Emotionen überhaupt zeigen zu wollen, wirbelte ich fassungslos zu ihm herum. „Warum? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?"

Langsam schüttelte er den Kopf und ich verstand nicht, woher dieser reumütige Ausdruck in seinen Augen auf einmal kam. „Es ist immerhin irgendwie meine Schuld. Dass du dieses Kleid in die Tonne drücken kannst und so."

Ich umklammerte die Türklinke fester. Verstand er nicht, dass es hier um viel mehr als das Kleid ging? Es war mir scheißegal, dass ich es nie mehr tragen konnte, obwohl es mir wirklich sehr gefallen hatte. Kleider konnte man ersetzen. Gewisse Gefühle nicht. Wenn auf ihnen erst einmal rumgetrampelt wurde, war es schier unmöglich, dass sie sich von all den Tritten und zugefügten Schmerzen wieder erholten und Alexander hatte das mit seinen beschissenen Aktionen mit meinen geschafft.

„Lass es einfach gut sein", verlangte ich und verließ das Bad, weil ich es keine Minute länger mit ihm aushalten würde. Nicht hier und schon gar nicht am Hafen.

Vor der Tür stieß ich beinahe mit einer Frau zusammen, die auf dem Weg in die WC-Räume war. Ich lächelte sie verkrampft an und vernahm kurz darauf ihren überraschten Laut, gefolgt von einer hastigen Entschuldigung, woraufhin Alexander ihr versicherte, dass sie sich nicht in der Tür geirrt hatte. Ich nutzte die Gelegenheit, den Ausgang des Restaurants anzusteuern und abzuhauen, solange er noch aufgehalten wurde und war unendlich froh darüber, dass eine Wand mich dabei von Mr und Mrs Parker trennte. Ihre abwertenden Blicke hätte ich nicht ertragen.

Die Luft draußen war bereits merklich abgekühlt, obwohl die Sonne noch nicht untergegangen war. Eine Windböe traf mich, sobald ich auf den Bürgersteig trat und riss den Stoff meines Kleides in die Höhe. Hastig griff ich nach dem Saum, um ihn unten zu halten und schlug unvermittelt den Weg ein, den wir vor noch nicht einmal einer Stunde gekommen waren.

Ich drehte mich nicht um, um zu sehen, ob Alexander mir wirklich folgte, konzentrierte mich nur auf meine schnellen Schritte und darauf, nicht schon wieder zu heulen.

Als ich das Ende der Straße erreichte, konnte ich mir einen Blick über die Schulter dann doch nicht verkneifen. Da war tatsächlich kein Alexander hinter mir.

Erleichtert atmete ich auf und fragte mich im selben Moment, was dieser Stich in meinem Inneren jetzt sollte. Wahrscheinlich war das die Nadel, die den Luftballon voller Hoffnung zum Platzen gebracht hatte, dass hinter Alexanders Reue doch mehr Wahrheit steckte, als ich glauben wollte.

Ich schlang meine Arme um meinen Körper und versuchte mir einzureden, dass ich es wegen des kühlen Windes tat, oder weil es den Weinfleck einigermaßen verdeckte, auf den ein älteres Ehepaar im Vorbeigehen schon einen neugierigen Blick geworfen hatte. Dann überquerte ich resigniert die Straße.

Ich wünschte ich hätte eine Jacke mitgenommen, aber ich besaß keine, die schick genug gewesen wäre. Wer hätte auch ahnen können, dass Familie Parker mich aus dem Restaurant schmiss, noch bevor die Vorspeise serviert wurde?

Ein leises, bitteres Lachen entwich mir. Genau darauf hätte ich vorbereitet sein sollen. Wahrscheinlich war es eher verwunderlich, dass ich es überhaupt in das Gebäude geschafft hatte.

„Meine Güte hast du ein Tempo drauf."

Erschrocken ließ ich meine Arme in einer Abwehrhaltung in die Höhe schnellen und ließ sie abrupt zurück auf mein Herz sinken, sobald ich zu der Stimme herumgefahren war.

Alexander.

Er schlüpfte gerade in den zweiten Ärmel seines hellblau-weiß-karierten Jacketts und mir dämmerte, dass er nur nicht hinter mir gewesen war, um das Kleidungsstück zu holen.

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