Z w a n z i g

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Song: Ocean Eyes (Astronomyy Edit) - Billie Eilish, Astronomyy

Alexander und ich waren beide auf unseren Liegestühlen eingeschlafen, ich allerdings nur ganz kurz, weil mir die kühle Nachtluft unter die Klamotten gekrochen war. Ich hatte mich klammheimlich wieder in mein Bett geschlichen, ohne ihn aufzuwecken, weil mir dazu der Mut gefehlt hatte.

Nun konnte ich nicht einschätzen, ob er mir mein Verschwinden übelnahm oder einfach nur müde war. Besonders viel Schlaf konnte er jedenfalls nicht bekommen haben, immerhin hatte er es ausnahmsweise mal an den Frühstückstisch geschafft, aber seine teure Sonnenbrille verbarg nicht nur seine Gefühlslage sondern auch mögliche Augenringe vor mir.

Stumm und unauffällig aß ich wie jeden Morgen gerade so viele der Köstlichkeiten, dass es bis zum Mittag reichen würde, und tat so, als würde ich den Gesprächen der Parkers nicht lauschen. Heute ging es um Geschäftsanteile, Vermögensverwaltung, vermutlich einflussreiche Namen, und nicht selten fielen herablassende Sätze über weitere, die mir ebenso wenig sagten.

Gerade zog Mrs Parker nicht nur über die Pingeligkeit einer ihrer Kunden her, sondern beschwerte sich auch darüber, selber mit Handwerkern telefonieren zu müssen, weil ihre Mitarbeiter zu unfähig dazu waren. Ich verstand das Problem nicht so recht, aber anscheinend waren Elektriker für ein Projekt kurzfristig abgesprungen und ihre Mitarbeiter konnten keinen Ersatz finden.

„Ich verstehe das nicht", stöhnte sie, den Blick schon wieder auf ihr Smartphone gerichtet. Schon das ganze Frühstück klebte sie förmlich an dem Gerät und rührte ihren Naturjoghurt mit Obst kaum an. „Es gibt eine Millionen Elektriker in Boston, da muss sich doch etwas finden lassen! Das kann doch nicht so schwer sein! Notfalls muss eben jemand aus einer anderen Stadt kommen und wir die extra Anfahrtskosten übernehmen. So verschiebt sich unser kompletter Bauzeitenplan nach hinten, weil die anderen Gewerke nicht anschließen können, bevor die Elektrik nicht installiert ist! Wir hinken ohnehin schon hinterher. Dem Bauherrn steht es schon bis hier." Sie hob eine Hand an ihre Stirn, um einen unsichtbaren Pegel anzudeuten und ließ ihren Kopf dann in ebendiese Hand sinken. „Wenn ich bis morgen keine andere Firma finde, springt er uns ab."

„Ach, Unsinn", versuchte Mr Parker sie zu beruhigen. „Ich bin mir sicher, dass sich noch etwas finden lässt. Und abspringen wird auch niemand. Einen neuen Innenarchitekten zu suchen dauert doch noch länger. Nun iss erst einmal, Liebling. Danach kannst du dich dann in Ruhe darum kümmern."

Mrs Parker hackte unbeeindruckt weiter auf ihr Display ein und ihr Mann seufzte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob sie hinter meinem Rücken auch so schlecht über meine Leistung dachte.

Mr Parker griff nach einer Serviette und wischte Lillian damit über den Mund, der schokoladenverschmiert von ihrem Croissant war. „Ich muss gleich auch noch etwas geschäftliches klären, aber was haltet ihr davon, wenn wir später auf Martha's Vineyard golfen gehen?"

„Ich habe gerade nicht den Nerv, über meine Freizeitgestaltung zu reden, Ronan." Gereizt funkelte Mrs Parker ihn an.

Er atmete lediglich geräuschvoll aus. „Alex, was ist mit dir?"

„Ich dachte, du wolltest mehr Familienzeit verbringen."

„Das war, bevor-" Alexanders Blick streifte mich und ich biss meine Zähne zusammen. Er war also immer noch nicht darüber hinweg. Ich senkte den Kopf. Wenigstens führte er seinen Satz nicht fort und sagte stattdessen: „Mir ist nicht nach golfen."

„Muss ich mitkommen?", wollte auch Lillian wissen, ehe Ronan Parker auf Alexanders Antwort reagieren konnte. Sie schien ebenfalls nicht sonderlich begeistert von dem Vorschlag zu sein, was ich ihr nicht verübeln konnte. Golf war mir schon immer wie eine unglaublich langweilige Sportart erschienen, jedenfalls vom Zuschauen her.

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