N e u n

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Ich musste mir ein Badezimmer mit Alexander teilen. Ein En-Suite Bad, das nicht nur von meinem Zimmer, sondern auch von seinem zugänglich war und dementsprechend über zwei Türen verfügte.

Mein Bruder oder Noemi hätten mich für verrückt erklärt, wenn sie wüssten, dass ich mich über ein En-Suite-Bad beschwerte – berechtigterweise unter normalen Umständen – aber die Vorstellung, Alexander nur hinter einer dünnen Tür zu wissen, stellte die Vorzüge des kurzen Weges und die teure Ausstattung gänzlich in den Hintergrund. Nicht, dass die Kupferarmaturen und die Marmorfliesen mich tatsächlich beeindruckten. Sie waren schick anzusehen, keine Frage, aber nötig war dieses kostspielige Design auf einem Boot mit Sicherheit nicht.

Ich hatte beide Türen des Badezimmers fest verriegelt, obwohl ich völlig alleine auf der Yacht war, und begutachtete den heftigen Sonnenbrand in meinem Gesicht im Spiegel. Es war so rot, dass ich mir sicher war, definitiv Hautkrebs davonzutragen und das, obwohl ich heute Morgen sogar in weiser Voraussicht Sonnencreme aufgetragen hatte.

Vorsichtig berührte ich meine Wange, durch die sofort ein brennender Schmerz schoss. Wie lange sah ich schon so aus? Und warum hatte mich niemand darauf hingewiesen, dass ich einer überreifen Tomate glich? Waren die Gläser ihrer Luxussonnenbrillen zu dunkel, um noch Farben dadurch wahrzunehmen oder war es ihnen schlichtweg egal gewesen? Wahrscheinlich traf beides zu.

Nach meinem Missgeschick mit den zerbrochenen Tellern hatte ich mich voller Unwohlsein durch den restlichen Tag gequält, ohne wirklich zu wissen, warum. Ein paar zerbrochene Teller waren kein Weltuntergang und Ronan Parker hatte beim Mittagessen sogar einen geschmacklosen Witz über sein aus allen Nähten platzendes Bankkonto gemacht, bei dem ein paar neue Teller anzuschaffen Nichts war. Vielleicht lag es eher an Mrs Parkers erzwungenem Lachen oder Alexanders bitterer Miene, als ich ihm für seine Rettung vor dem Scherbenhaufen dankte, als konnte er nicht fassen, dass ich es wagte ihn anzusprechen.

Ich hatte kaum einen Bissen von Mrs Parkers Salat herunterbekommen, obwohl er wirklich lecker gewesen war und am Nachmittag hätte ich mich lieber in meinem Zimmer verkrochen, anstatt Lillian bemüht fröhlich bei Laune zu halten.

Nun war ich umso erleichterter, wenigstens für ein paar Stunden meine Ruhe zu haben, während die Parkers für einen abendlichen Restaurantbesuch an Land waren. Ich hatte Kopfschmerzen, mein Gesicht glühte, seitdem ich den Sonnenbrand entdeckt hatte, und komplett kaputt war ich auch, obwohl ich den ganzen Tag nichts anderes getan hatte, als mit Lillian zu spielen.

Seufzend suchte ich in meiner Kulturtasche nach irgendetwas, das meiner roten Haut Abhilfe verschaffen konnte, aber außer Handcreme fand ich nichts und die wollte ich mir nicht ins Gesicht schmieren, weil ich von dem hohen Fettgehalt nur Pickel bekäme. Für einen winzig kleinen Augenblick wanderte mein Blick zu den etlichen Kosmetikartikeln, die ordentlich aufgereiht in einem der Regale neben dem Doppelwaschtisch standen. Sie mussten Alexander gehören. Bestimmt hatte er Aloe Vera oder etwas anderes hilfreiches gegen Sonnenbrände.

Verdrossen drehte ich mich zurück zum Spiegel und schüttelt den Kopf. So weit kam es noch. Pickel würden meinen Anblick jetzt auch nicht mehr verhunzen, also schmierte ich mir kurzerhand doch eine Schicht der nach Kamille duftenden Handcreme ins Gesicht, ehe ich das edle Badezimmer wieder verließ und mich unbeholfen auf die Kante meines breiten Bettes setzte. Es war makellos bezogen und hergerichtet – ein Kunstwerk, das ich nicht zerstören wollte.

Um mich herum herrschte eine gespenstische Stille. Außer dem Wasser, das leise gegen die Bootswände plätscherte und dem vereinzelten Kreischen von Möwen war nichts zu hören. Mein Blick schweifte durch mein Zimmer.

Ich fühlte mich wie ein Eindringling, sogar in dem mir zugeteilten Zimmer. Ich wollte nicht hierbleiben, aber noch weniger es mir in Familie Parkers Wohnbereich bequem machen, geschweige denn an Deck herumlungern. Ich wollte einfach nur zurück nach Hause, wo ich mich sicher und geborgen fühlte. Das Einzige, was diesem Wunsch gerade am nächsten kam, befand sich bei Tante Erin. Mir mein Handy greifend zog ich auf den Stuhl um, der zu einer schmalen, an die Wand meines Zimmers geschraubten Tischplatte gehörte. Er war ebenso wie die Wandverkleidung in einem hellen, beinahe weißen Holzton gehalten.

SommergewitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt