N e u n u n d z w a n z i g

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Vorsichtig drehte ich den goldfarbenen Türknauf und lugt in das abgedunkelte Zimmer. Es war mucksmäuschenstill. Erst, als ich mich leise durch die Tür schlich und dem Prinzessinnenbett näherkam, vernahm ich Lillians ruhigen Atem, der so gar nicht zu ihrer verdrehten Lage passte.

Sie lag quer auf der Matratze, die Decke bedeckte nur ihren halben Oberkörper und ein Arm hing aus dem Bett hinaus.

Mit einem Lächeln ließ ich mich sanft auf einer freien Stelle der Matratze nieder und strich Lillian durch die verwuschelten Haare. Es tat mir beinahe leid, sie aus dem Land der Träume zu reißen, aber der Tag heute würde anscheinend so vollgepackt sein, dass Mrs Parker mich gebeten hatte, die Kleine zu wecken und mit ihr gemeinsam zu frühstücken, damit sie sich um alle Vorbereitungen für die spätere Party kümmern konnte.

Lillians Stirn legte sich in Falten und sie drehte ihren Kopf zur Seite, ehe ihre Augen zuckten und sie sie öffnete.

„Nein!"

Überrascht weiteten sich meine Augen bei ihrem lauten Ausruf, aber da tastete Lillian schon nach ihrer Decke und zog sie sich bis unters Kinn. Dass nun ihre Füße unten rausguckten, schien sie nicht zu stören, als sie sich auf die Seite rollte – mir demonstrativ die kalte Schulter zeigend.

Ihr trotziges Verhalten so kurz nach dem Aufwachen war so absurd, dass ich kichern musste, weil es in meinen Augen verdammt niedlich war. Lillian würde mich sicherlich hauen, wenn sie das wüsste, deshalb kniff ich hastig meine Lippen zusammen und fragte gespielt schockiert: „Nein? Was nein?"

Ihre Antwort bestand darin, die Bettdecke nur noch höher zu ziehen.

„Hm", machte ich nachdenklich. „Wie kriegen wir diesen kleinen Morgenmuffel denn jetzt am besten aus dem Bett?"

Keine Antwort. Natürlich nicht.

„Heute ist doch so ein aufregender Tag. Bist du nicht Feuer und Flamme, dein neues Kleid anzuziehen?"

Das rosa Rüschenkleid hatten Kimberley und ich gestern mit ihr gekauft, nachdem wir für mich etwas Passendes gefunden hatten.

„Nein, ich bin müde", gab Lillian mit fester Stimme kund, die ihrer Aussage definitiv nicht gerecht wurde.

„Ach so", sagte ich. „Bekomme ich dich auch nicht mit Pancakes zum Frühstück überredet?"

Lillians Nasenspitze kam unter der Bettdecke zum Vorschein. „Schokopancakes?"

„Du kannst dir alles draufschmieren, was du willst."

„Dann bin ich jetzt vielleicht nicht mehr so doll müde."

„Dann muss ich dich am besten eine Runde durchkitzeln, damit auch die letzte Müdigkeit verschwindet", schlug ich ihr vor, aber wie zu erwarten quiekte Lillian auf und versuchte zuerst unter ihrer Decke Zuflucht zu finden, aber ihre Füße bekam sie nicht versteckt, also sprang sie so schnell aus dem Bett, dass ich einen Moment fürchtete, sie würde volle Kanne auf den Boden knallen. Aber das tat sie nicht und als ich mich nach der Schrecksekunde wieder gesammelt hatte, merkte ich an: „Das ging ja schneller als gedacht."

„Das war gemein", rügte Lillian mich beleidigt.

Ich nickte beschämt. „Da hast du recht, das war es wirklich."

Für eine Weile blickte Lillian schmollend drein, bis ich sie dazu aufforderte, sich aus ihrem Pyjama zu pellen und etwas Vernünftiges anzuziehen, damit wir uns auf den Weg in die Küche machen konnten.

Mrs Parker hatte mir gestern gesagt, dass alles wie jeden Morgen bereits hergerichtet sein würde und so war es auch, als wir in den offenen Wohnbereich kamen. Der runde Esstisch war fast besser bestückt als das Frühstücksbuffet in einem Hotel – zu meinem Glück und Lillians Begeisterung auch mit einem kleinen Stapel Pancakes.

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