Song: Leave A Trace (Goldroom Remix) - CHVRCHES, Goldroom
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Mein Gesicht glühte förmlich vor Scham, als ich mich mit zittrigen Beinen wieder aufrichtete, das Drahtseil dabei keinen Moment loslassend. Wahrscheinlich musste ich unter meinem Sonnenbrand kreidebleich sein. Wie konnte mal sich in so kurzer Zeit nur so oft blamieren?
Der Wind peitschte mir meine Haare ins Gesicht, als ich sie aus meinem Griff entließ und meinen Blick vorsichtig zu Alexander und Lillian hob. Meine lächerliche Hoffnung, dass sie mich aus irgendeinem Grund nicht über die Reling hatten kotzen sehen, wurde in dem Moment zerstört, in dem Lillian ihre kleine Nase rümpfte und etwas zu ihrem großen Bruder sagte, was ich nicht hören konnte. Alexander verzog keine Miene. Auch ihm wehten die Haare um die Ohren, aber wie gestern schon konnte ihn das kein bisschen entstellen. Es war eine Mischung aus seiner Attraktivität und der Überheblichkeit in seinem Blick, die mich am liebsten noch einmal brechen lassen wollte. Möglicherweise direkt auf seine hellbraunen Bootsschuhe.
„Ist alles okay bei Ihnen, Brooke?" Ronan Parkers Stimme kam kaum bei mir an, weil der Wind sie einfach in eine andere Richtung davontrug. Ich wagte einen Blick zum Steuerrad, hinter dem Ronan Parker mich mit einem besorgten Blick fixierte.
Für einen Moment überlegte ich, einfach über Bord zu springen. Leider hatte ich heute nicht die neonfarbene Schwimmweste an und die Scharm reichte nicht aus, um mein Leben in der aufgewühlten See zu riskieren.
„Alles gut", rief ich mit schwacher Stimme zurück und vermied jeden weiteren Augenkontakt mit ihm, während das Blut seinen Weg zurück in meine Wangen fand. Möglichst würdevoll hangelte ich mich die letzten Schritte zu Lillian und Alexander.
„Ich hoffe, du hast die Bootswand verschont", merkte Alexander an.
Meine Entschuldigung blieb mir im Hals stecken, stattdessen konnte ich ihn für einen Augenblick nur ungläubig in die Augen sehen. Zum ersten Mal war ich ihm nahe genug, um zu erkennen, dass sie blau waren. Stahlblau. Kühl und abweisend, so wie er. Hart lag sein Blick auf mir.
Ich schluckte. „Falls dem so ist, werde ich die Wand natürlich bei der ersten Gelegenheit sauber machen", sagte ich, bevor er es von mir verlangen konnte.
„Das wäre wohl das Mindeste."
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Langsam, aber sicher mischte sich unter meine Demütigung Verärgerung. Ich konnte nichts dafür, dass ich seekrank geworden war, genauso wenig wie diesen Job bekommen zu haben, für den er mich hasste. Am liebsten würde ich ihm meine Meinung geigen, doch ich ließ es. Ich würde ihm das verklickern, aber ich vermutete, dabei nur gegen eine Wand zu laufen. Im schlimmsten Fall würde es ihm sogar nur noch mehr Angriffsfläche bieten. Wenn er also ein Arschloch sein wollte – bitte. Aber ich würde nicht darauf anspringen. Man sollte solche Leute doch immer mit Freundlichkeit verwirren, oder?
Ich straffte meine Schultern und lächelte versöhnlich, obwohl mir eigentlich viel zu flau dafür im Magen war. „Es tut mir wirklich leid, das war nicht beabsichtigt. Ich hätte es auch lieber vermieden, aber ich denke, jetzt bin ich wieder einsatzbereit. Wie sieht's aus?", wandte ich mich an Lillian, ohne seine Reaktion abzuwarten. „Wollen wir wieder runtergehen und weiter malen?"
Alexander nahm ihr jegliche Möglichkeit, mir zu antworten. „Du warst offensichtlich noch nie seekrank." Er lachte verächtlich auf und schüttelte den Kopf, als er meinen fragenden Blick bemerkte. „Denkst du echt, mit einmal Kotzen sei die Sache gegessen? Wenn du da jetzt wieder runter gehst, kommt die nächste Ladung in fünf Minuten wieder hoch."
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Sommergewitter
RomanceWo strahlender Sonnenschein auf eiskalte Wellen trifft, schneidender Wind auf gespannte Segel und High Society auf urige Fischerdörfchen kollidieren die Herzen von Brooke und Alexander wie Donner in einem Sommergewitter. Drei Wochen als Kindermädche...