Der Wind empfing mich mit einer sanften Brise, als ich mich klammheimlich aus einer der vielen Fenstertüren im Erdgeschoss in den Garten stahl. Sanft wehte er mir meine Haare ins Gesicht und ließ mich frösteln, denn von der Sonne, die gewiss auch diesen Tag wieder erbärmlich heiß auf die Hamptons hinabstrahlen würde, war noch nichts zu sehen. Lediglich ein heller Streifen am Horizont verriet, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie aufging.
Ich beeilte mich den zum Pool führenden Weg entlangzulaufen, wobei ich einen Blick in dessen Richtung bewusst vermied.
Mir spukten schon genug Gedanken vom gestrigen Tag im Kopf herum, da musste ich nicht noch lebhafter daran erinnert werden, wie Alexanders Nähe und mein dadurch verursachter Fall in den Pool irgendwie der Auslöser dafür gewesen waren, dass der Tag einen so miesen Lauf genommen hatte.
Als ich das hölzerne Gartentor erreichte, das zum Strand führte, brauchte ich einige Anläufe, bis ich verstand, dass es eine zusätzliche Sicherung hatte. Entgegen seiner Massivität und Höhe, die mir fast bis zu den Schultern reichte, schwang es mit Leichtigkeit auf und erst da kam mir in den Sinn, dass ich gerade ein wahnsinniges Glück hatte, dass das Teil nicht mit einer Alarmanlage ausgestattet war, die ohrenbetäubend laut anschlug und Familie Parker aus dem Schlaf riss.
Umso erleichterter atmete ich auf, als ich das Tor hinter mir schloss. Es fühlte sich an, als würde ich seit Ewigkeiten endlich mal wieder für mich sein. So wirklich für mich, nicht nur durch eine dünne Wand von Familie Parker getrennt, hinter der ich mich trotzdem in ihrem Reich befand.
Meine Beine konnten kaum schnell genug noch mehr Abstand zwischen mich und ihr riesiges Grundstück bringen, was durch den Sand schon in den flachen Dünen nach kurzer Zeit wirklich anstrengend wurde. Dennoch stapfte ich so gut es ging diagonal über den Strand, weg von dem Haus und hin zum Wasser, und ich wurde erst langsamer, als ich nach einigen hundert Metern den Teil erreichte, wo der Sand durch die regelmäßig aufs Land treffenden Wellen stärker verdichtet war.
Ich drehte mich um in die Richtung, aus der ich gekommen war und stellte erleichtert fest, dass ich von dem Haus der Parkers nur noch das Dach erkennen konnte. Ein wenig erschöpft stieß ich ein Seufzen aus, dann ging ich einige Schritte rückwärts, bis der Sand unter meinen Schuhen wieder trocken wurde, ließ mich fallen und machte mich daran, die völlig versandeten Dinger von meinen Füßen zu streifen, ehe ich mich rücklings auf dem kühlen Sand ausstreckte und die Augen schloss.
Tief sog ich die reine Meeresluft in meine Lungen. So tief, dass es beinahe schmerzte, und dann ließ ich sie ganz langsam wieder entweichen.
Warum musste es mir das Leben noch schwerer machen, als ich es ohnehin schon hatte? Warum ausgerechnet mir? Warum konnte Alexander mich nicht einfach keines Blickes würdigen? Warum konnte ich nicht so skrupellos sein und sein Angebot annehmen und abhauen? Es würde so viele Probleme lösen.
Starr blickte ich den tiefblauen, wolkenlosen Himmel an, verlor mich in seinen unendlichen Weiten und fühlte mich winzig klein und verloren.
Ich wünschte ich könnte mit Mom reden. Einfach mein Handy in die Hand nehmen, ihre Nummer wählen und ihre Stimme hören, die mir sagte, wie stolz sie auf mich war, dass ich eben nicht klein beigab und dass ich auch die restliche Zeit überstehen würde. Dass sie an mich glaubte und mich liebhatte. Und obwohl ich genau wusste, dass sie genau das sagen würde, fiel es mir unglaublich schwer, mir diese Worte zu Herzen zu nehmen. Es war einfach nicht dasselbe, sich ein Gespräch vorzustellen, das man nie mehr im Leben führen konnte.
Das schlimmste an der ganzen Sache war, dass es so plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung passiert war. Dass es keine Möglichkeit gegeben hatte, Abschied voneinander zu nehmen oder sich auf den Schmerz einzustellen, der einen nach dem Schockzustand mit solcher Wucht aus der Bahn schmiss, dass man glaubte, nie wieder richtig atmen zu können.
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Sommergewitter
RomanceWo strahlender Sonnenschein auf eiskalte Wellen trifft, schneidender Wind auf gespannte Segel und High Society auf urige Fischerdörfchen kollidieren die Herzen von Brooke und Alexander wie Donner in einem Sommergewitter. Drei Wochen als Kindermädche...